Reichtum I: Geht’s noch (ungleicher)?!

Über die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern („Gender Pay Gap“) wird zumindest manchmal berichtet, diskutiert und geschimpft. Die Vermögensverteilung ist hingegen selten Thema. Zum Auftakt unserer mosaik-Reihe über Reichtum in Österreich hat Katharina Mader für uns Zahlen, Fakten und Erklärungen rund um Vermögensunterschiede zwischen Männern und Frauen verständlich aufbereitet.

In Österreich aber auch in der Euro Zone gibt es eine deutliche Lücke beim Vermögen zwischen den Geschlechtern. Diese Lücke ist vor allem auf Unterschiede am oberen und unteren Rand der Vermögensverteilung zurückzuführen. Die ungleichen Vermögenspositionen sind das Ergebnis ungleicher gesellschaftlicher Rollen, Normen und Strukturen sowie von Diskriminierung.

Erstmalige Untersuchung der Vermögensverteilung zwischen den Geschlechtern möglich

Mit dem Household Finance and Consumption Survey standen 2013 erstmals umfassende und europaweit vergleichbare Daten zur Vermögensverteilung zur Verfügung, die es uns erlauben, Vermögensunterschiede genauer zu betrachten. Jedoch werden darin Vermögen nur auf der Ebene von Haushalten und nicht von einzelnen Individuen erfasst.
Damit ist die Datengrundlage für einen Vergleich zwischen Männern und Frauen nach wie vor problematisch, denn Studien aus Ländern mit Individualdaten (wie z.B. Deutschland) bestätigen, dass es signifikante Unterschiede im Vermögensbesitz zwischen Männern und Frauen im gleichen Haushalt gibt. Außerdem können wir bei einem Haushaltsvermögen nicht davon ausgehen, dass beide Partner*innen automatisch die gleichen Zugriffs- und Verfügungsrechte auf und über das vorhandene Vermögen haben.

Weibliche und männliche Single-Haushalte

Wir können daher Vermögensunterschiede zwischen Geschlechtern nur näherungsweise untersuchen, indem wir die Kategorien weibliche und männliche Single-Haushalte verwenden. „Single-Haushalte“ sind Haushalte, in denen die Person, die den Fragebogen beantwortete, ohne eineN Partner*in wohnt. Single-Haushalte sind also nicht nur Ein-Personen-Haushalte, jedoch ist sowohl bei Frauen als auch bei Männern die große Mehrheit der Single-Haushalte Ein-Personen-Haushalte oder Alleinerzieher*innen-Haushalte.

Im Durchschnitt besitzen Männer 40% mehr Vermögen als Frauen

Zwischen den Haushalten nach Geschlecht ergibt sich für Österreich eine Lücke von über 40%. In absoluten Werten bedeutet das, dass weibliche Single-Haushalte im Durchschnitt mit € 110.000 über ein deutlich niedrigeres Nettovermögen verfügen als männliche mit etwa € 194.000. Paarhaushalte besitzen im Vergleich dazu das höchste Vermögen, im Durchschnitt ungefähr €380.000. Diese Zahlen zeigen bereits eine zentrale Schieflage: Paarhaushalte, die per Definition aus mindestens zwei Personen bestehen, haben zwar ein höheres Vermögen als Single-Haushalte, während männliche Single-Haushalte aber etwas mehr als einen halben Paarhaushalt „ausmachen“, besitzen weibliche Single-Haushalte deutlich weniger als ein halber Paarhaushalt. Ein sehr ähnliches Bild ergibt sich für die Euro Zone.
Die Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Single-Haushalten bestehen vor allem am oberen und unteren Rand der Verteilung. Über weite Bereiche ist die Verteilung zwischen weiblichen und männlichen Single-Haushalten ähnlich. Dementsprechend liegt in Österreich beispielsweise der Median (also der Wert, der in der „Mitte“ steht, wenn die Werte der Größe nach sortiert werden) von weiblichen Single-Haushalten mit rund € 22.000 nahe dem Median von männlichen Single-Haushalten mit rund € 23.000.
An den Rändern hingegen treten die Unterschiede deutlich hervor: Männliche Single-Haushalte in den oberen Perzentilen besitzen ein deutlich höheres Nettovermögen als weibliche. Demgegenüber steht am unteren Rand, im untersten Dezil, eine stärkere Verschuldung männlicher als weiblicher Single-Haushalte.

Nettovermögen von Single- und Paarhaushalten (gesamt, unterste 10% und oberste 33%) in Österreich:

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Quellen: HFCS, Mader et al (2014)

Auch in den 15 Ländern der Euro Zone, die an der ersten Erhebung des HFCS teilgenommen haben, besitzen männliche Single-Haushalte im Durchschnitt 15% mehr Nettovermögen als weibliche Single-Haushalte. Wobei dies nur bedingt vergleichbar ist mit den österreichischen Ergebnissen, da wir hier die Kategorie „Single-Haushalt“ weiter verfeinert haben und nur Haushalte mit einer erwachsenen Person betrachten. Somit waren Single-Personen, die mit ihren Eltern im Haushalt leben, nicht mehr Teil der Analyse.

Ursachen dieser ungleichen Vermögenspositionen

Eine Hauptursache für die niedrigen Vermögen von Frauen liegt daher im niedrigeren Erwerbseinkommen, welches im Laufe der Zeit zu einem deutlichen Unterschied im Vermögensbestand führt. Hierbei spielen gesellschaftliche Normen und die Organisation des Arbeitsmarktes eine wesentliche Rolle. Noch immer leisten vorwiegend Frauen unbezahlte Betreuungs- und Hausarbeit. Die damit einhergehenden Einkommensverluste können im Normalfall nur schwer aufgeholt werden, und führen zu niedrigeren Verläufen im Vermögensaufbau. Ein spannendes Ergebnis ist in diesem Zusammenhang, dass diejenigen Paarhaushalte in Österreich, bei denen die Partnerin Hausfrau ist, über die höchsten Vermögen verfügen, während die weiblichen Single-Haushalte von Hausfrauen so gut wie kein Vermögen besitzen. Männliche Single-Haushalte mit Hausmännern sucht man in den Daten vergeblich.
Ähnlich hängt auch Präsenz von Kindern bei weiblichen Single-Haushalten stark mit einem geringen Vermögen zusammen, während das Vermögen bei männlichen Single-Haushalten und bei Paarhaushalten höher als jenes in kinderlosen Haushalten ist.
Neben Ersparnisbildung aus Einkommen sind Erbschaften und Schenkungen eine weitere wichtige Möglichkeit der Vermögensakkumulation. Auch hier haben weibliche Single-Haushalte geringere Einkünfte und somit eine verminderte Möglichkeit, Vermögen aufzubauen.

Die kumulative Dynamik – diejenigen, die viel haben, bekommen noch mehr – und die Diskriminierung von Frauen in der Erwerbsarbeit (Stichworte unbezahlte Arbeit, Teilzeitarbeit und gläserne Decke) spielen also eine wichtige Rolle. Hier müsste die Politik ansetzen – auch in dem Bewusstsein, dass eine gerechtere Vermögensverteilung (z.B. über die Besteuerung von Vermögen) der Benachteiligung von Frauen entgegenwirken kann.

Dieser Beitrag basiert auf den Arbeiten zu Vermögensunterschieden nach Geschlecht in Österreich und Europa gemeinsam mit Alyssa Schneebaum, Miriam Rehm und Katarina Hollan sowie Patricia Klopf und stellt Teil I unserer Reihe über Reichtum in Österreich dar.

Katharina Mader ist Habilitandin am Institut für Institutionelle und Heterodoxe Ökonomie der WU Wien und forscht vorrangig zu feministischer Ökonomie.

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