Debatte Rot-Blau 6 | Reaktionen auf Rot-Blau: Bestätigung des Status-Quo

Der Wahlausgang im Burgenland in einer Koalition zwischen SPÖ und FPÖ sorgt für große Empörung. Die Koalition stelle das Ende der Sozialdemokratie dar. Der Aufschrei gegen den „Tabubruch“ ist mancherorts groß, denn dies würde die SPÖ nun in ein rassistisches Spektrum rücken.

Rot-Blau ist jedoch weniger ein Tabubruch, als eine Bestätigung des Status Quo. Die neue Koalition im Burgenland macht die SPÖ nicht rassistisch, sondern zeigt lediglich auf, wo die SPÖ bereits seit längerer Zeit steht. Rassismus verstärkt sich in der Parteienlandschaft von Schwarz bis Grün stetig und wird wohl noch für einige „Überraschungsmomente“ sorgen, die nicht unbedingt überraschen sollten.  Denn statt auf einzelne Überraschungen sollten wir uns auf die diskriminierende, rassistische Politik der SPÖ der letzten Jahre konzentrieren und Rassismus nicht auf den klassischen „in-your-face“ Rassismus der FPÖ reduzieren. Die Wahlen im Burgenland und die anschließenden Reaktionen zeigen im Grunde relativ gut, wo Österreich politisch steht. Sie zeigen, wie tief, unsichtbar (und unreflektiert) rassistische, sexistische, homophobe und diskriminierende Inhalte in der österreichischen Gesellschaft verankert sind.

SPÖ trägt aktive Mitschuld

Neoliberale Tendenzen haben sich in den vergangenen Jahren in der SPÖ verschärft und machen ihre Wählerschaft großteils zu einer immer älter werdenden, pensionierten BürgerInnenschaft, die ihre Wahlentscheidung lediglich an einer Nostalgie an längst vergangene Zeiten festmacht. Es ist die SPÖ, die aktiv Mitschuld an der verschärften Asyl- und Abschottungspolitik trägt, dem Islamgesetz zugestimmt hat und erst vergangene Woche im Handelsausschuss gemeinsam mit der ÖVP für den TTIP-Bericht gestimmt hat. Es waren Hans Niessl und Franz Voves, die die Wortschöpfung der „Integrationswilligkeit“ erst richtig etablierten und sogleich „ahnden“ wollten sowie von „religiös motivierten“ ImmigrantInnen und „Unterwanderung“ sprachen.

Es braucht ein radikales „Wir“

Überlegungen zur Gründung einer linken ArbeiterInnenpartei, motiviert durch den Erfolg von Syriza und Podemos als progressive Wegweiser aus der europäischen Kürzungspolitik sind, angesichts der Abwanderung von WählerInnenstimmen der früheren SPÖ-ArbeiterInnenschaft zur FPÖ, notwendig. Nicht zuletzt das Ergebnis in der Steiermark, in der 61 Prozent der ArbeiterInnen FPÖ gewählt haben, weist in eine düstere Zukunft.

Die ArbeiterInnenklasse hat im Grunde dasselbe Potenzial, eine linke Partei zu wählen, wie die FPÖ. Eine solche Partei müsste aber  in zugänglicher, authentischer Rhetorik Lösungen für eine sozial gerechte Gesellschaft bieten. Österreich ist jedoch weder Griechenland noch Spanien. Es hat zudem keine ausgeprägte Widerstands- und Protestkultur. Die Weiße Linke ist zerstückelt und es gibt kaum Allianzen. Wille zu, sowie Räume für Begegnung und Austausch fehlen weitgehend. Die ArbeiterInnenklasse besteht in einer Vielfalt, die zu einem Großteil MigrantInnen, People of Color/Schwarze, MuslimInnen einschließt. Es gilt ihre Stimmen zu hören, ihre Realitäten anzuerkennen und sie für ihre eigenen Interessen einstehen zu lassen.

Ein neues politisches Projekt müsste von Anfang an auf einem inklusiven, radikalen „Wir“ basieren, sonst läuft es nicht nur Gefahr unauthentisch zu sein, sondern vor allem jene Machtstrukturen zu (re)produzieren, gegen die es ursprünglich ankämpfen wollte. In einem Österreich, in dem eine solidarische Praxis nicht wirklich etabliert ist, ist das keine einfache Aufgabe.

Ein wichtiger Anfang wäre es, den permanenten Fokus und Energieaufwand weg von der Person H.C. Strache hin zu strukturellen Dynamiken zu lenken. Wir müssen mehr miteinander sprechen, mehr Räume für Begegnung und (Erfahrungs-)Austausch schaffen. Man könnte es sich zum Ziel setzen, marginalisierten Communities zuzuhören und eine verstärkte Debatte mit ArbeiterInnen, MigrantInnen, People of Color und Schwarzen zu etablieren.

Ines Mahmoud studiert Human Rights in London und ist aktiv beim Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft.

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