“Rap ist die Sprache der Straße und ich bin ein Teil davon.”

Vor zirka einem Jahr stand die gebürtige Berlinerin Esi Boison das erste Mal in Wien auf der Bühne und feierte ihr Debüt als Rapperin. Von den frühen Anfängen, Sexismus in der Szene, was sie zu ihren Texten bewegt und welche Erfahrungen sie im Frauen-Rap-Kollektiv Femme DMC macht, erzählt sie im Interview mit Mosaik-Redakteurin Julia Wais.

Klarer wird die Sicht nicht,
wenn du immer sagst: „is’ eh nich’ so wichtig“.
Dich kriegt immer alles klein oder runter
solang’ du schwarz-weiß malst, obwohl du lieber bunt magst.

Wie bist du das erste Mal mit Rap beziehungsweise Hiphop in Kontakt gekommen? Gab es ein ausschlaggebendes Ereignis, nach dem dir klar war, dass du das auch machen willst?

Ich habe immer schon alle möglichen Lieder mitgerappt, wusste aber noch nicht, dass ich das mal professionell machen will. Jedenfalls glaube ich nicht, dass ich Rapper gesehen oder gehört habe und dadurch schon erkannt habe, dass das genau mein Ding ist.

Ich hab angefangen, Texte zu schreiben und dann habe ich versucht das zu rappen. Mein Vater hat das mitgekriegt, für mich getrommelt und Beats gemacht. Schon ganz am Anfang hat er mich dazu gedräng,t laut zu rappen und aus mir rauszukommen. Da habe ich gemerkt: Das geht voll gut, ich fühle mich wohl mit meinen Texten. Ich verpacke meine Wahrheit in Rhymes. Ich habe mir gedacht, „Ja,das will ich machen!“.

Welchen Rap hast du denn früher gehört und mitgerappt? Wer waren deine Vorbilder?

Die ersten Raptexte, die ich auswendig konnte waren von Eko Fresh und DJ Tomekk. „Ich bin jung und brauch das Geld“ zum Beispiel. Das ist das erste, was ich in der Grundschule auf dem Hin- und Rückweg durchgerappt hab, supergut gelaunt. Oder „Tu mir den gefallen und bleib Gangster“ [lacht]. Später dann klassischeres Zeug, Lauryn Hill, „Ready or not“ von den Fugees.

Meine Vorbilder habe ich aber schon immer eher in meiner Familie gesehen. Mein großer Bruder hat Musik gemacht, mein Vater auch. Ich fand extrem gut, was mein Bruder gemacht hat. Einmal hat er einen Song mit einer Frau geschrieben, die rappte. Ich habe immer ihren Rap-Part am meisten gefeiert. Es könnte tatsächlich sein, dass das ein entscheidender Punkt in meinem Leben war!

Sie hat dich also motiviert und hat, wenn auch unbewusst, eventuell eine entscheidende Rolle gespielt?

Ja, tatsächlich. Das hab ich irgendwie völlig vergessen! Aktuelle musikalische Vorbilder zu benennen fällt mir schwer. Da kann ich mich nicht entscheiden. Alle bieten etwas anderes zum Abgucken oder um sich inspirieren zu lassen. Momentan interessiert mich UK-Rap am meisten. Aber nicht nur Rap – Musik generell fasziniert mich.

Die Hip-Hop-Szene ist ja nicht unbedingt bekannt für viele Frauen – außer als Sexobjekte in Texten und Videos. Wie erlebst du Sexismus in der Szene, welche Erfahrungen machst du?

Alle Rapper reden nur über Gucci, Rolex oder Audis,
wer hätt’ da gedacht, dass die Neuzeit des Rap eine Frau is?

Direkt erlebe ich den Sexismus weniger, weil ich eben im letzten Jahr beim Kollektiv Femme DMC hauptsächlich von Frauen umgeben war. Ich denke schon, dass mir das geholfen hat zu sein wie ich bin. Es war cool, sich gegenseitig zu pushen. Da ist dann niemand, der erstmal schmunzelt, weil er glaubt, dass Rap Männersache sein sollte. Dadurch ist die Atmosphäre ganz anders, viel entspannter. Wir haben wenig über männliche Konkurrenz nachgedacht, wir haben uns einfach selbst diese Plattform gegeben und wir wussten, das läuft und wir alle können was. Wir haben einfach gesagt: Männer kommen nicht auf die Bühne, weil sie sonst immer auf der Bühne stehen! Die Erfahrung war sehr cool. Man wird sich dann erst bewusst, wie viele Frauen eigentlich rappen, wenn sie mal die Chance bekommen und sich trauen.

Ich habe das Gefühl, Sexismus ist in der Musik überall präsent und trotzdem sehr passiv. Er steckt eben so tief drin, dass er von zu vielen nicht mehr erkannt wird. Es ist schade, denn es gibt echt viele Rapper, die ich an sich extrem gut finde, die dann aber echt viel frauenfeindlichen Scheiß reden. Das macht‘s dann auch schwer, sie weiterhin zu feiern. Die haben auch einen schlechten Einfluss auf die Jugend und denken sich nichts dabei. Das ist ziemlich schade. Ich bin offen für Musik und künstlerische Freiheit. Wenn einem aber komplett egal ist, dass man auch eine gewisse Verantwortung hat wenn man eine Menge Menschen erreicht und trotzdem den größten Mist von sich gibt, dann wird’s halt auch gefährlich.

Es ist also wichtig, dass Menschen, die auf der Bühne stehen, sich überlegen, welche Wirkung sie auf ein Publikum haben oder haben wollen. Ist es dir persönlich wichtig, dass deine Texte politisch sind? Gibt es unpolitische Texte überhaupt?

Sobald du etwas von dir gibst, das irgendeinen Einfluss haben könnte, gerade auf heranwachsende Menschen, ist es immer politisch. Mir ist es schon sehr wichtig, dass ich hinterfrage und kritisiere. Für mich gehört das zu Rap, politische Texte zu schreiben. Dass man insgesamt die gesellschaftlichen Muster und das System hinterfragt ist für mich auf jeden Fall superwichtig. Rap ist für mich die Sprache der Straße und ich bin ein Teil davon! Ich denke, das lässt sich nicht voneinander trennen.

Deine Texte sind ja hauptsächlich eine Mischung aus eigenen Gedanken und Gefühlen – aber auch Systemkritik. Was inspiriert dich?

Kreislauf ohne Ende
solang’ du Scheiß kaufst ohne Wende.
Damit ich mein ich nich’ nur Materielles;
sei schlau, reiß den Kreis auf, wenn das Licht hell is’.

Das Leben; Erfahrungen, die ich gemacht habe. Sehr emotionale Situationen, die ich erlebt habe. Wenn mir etwas passiert ist, das gerade eine schwerwiegende Grundsatzfrage in mir ausgelöst hat, dann denke ich mir oft: „Hey, das ist eine Frage, die stell bestimmt nicht nur ich mir“. Trotzdem bleiben Leute oft stumm. Wenn ich das Gefühl habe, für mich ist das ein Thema über das ich sprechen will, das aus irgendeinem Grund aber nur wenig in der Öffentlichkeit thematisiert wird, denke ich: „Jetzt muss ich mich hinsetzen und genau das runterschreiben.“ Mich regt es an, wenn ich ein bisschen die Komfortzone sprenge. Ich spreche tatsächlich gerne Sachen an, die zu oft unausgesprochen bleiben.

Bei mir steckt im Text die Message,
weil mein Ziel vom Weg ersetzt wird,
immer wenn du glaubst alles is’ schrecklich,
hoffe ich dein Herzschlagrhythmus weckt dich.

Esi Boison zog 2015, im Alter von 20 Jahren, von Freiburg nach Wien und steht seitdem als ‘EC’ auf der Bühne und meistert die Zeremonie, zum Beispiel hier.

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