Mit Greta Thunberg gegen türkise Klimalügen

Heute besucht Greta Thunberg einen Klimagipfel in der Hofburg. Vor einem Jahr war Lucia Steinwender dort, um Sebastian Kurz die Show zu stehlen. Sie hielt statt ihm eine Klimarede, der ORF übertrug live. Nun rechnet sie mit den türkisen Lügen in der Klimapolitik ab.

Mit heftig klopfenden Herzen erhoben wir uns vor einem Jahr von unseren Plätzen in der Hofburg. Wir wollten nicht zulassen, dass sich mit Sebastian Kurz der Verantwortliche einer katastrophalen Klimapolitik ‚grünwaschen’ darf. Noch bevor die Sicherheitskräfte sich in Bewegung setzen konnten, war unser Banner aufgespannt, ich stand neben dem (nun Ex-)Bundeskanzler am Podium und hörte meine eigene Stimme durch den Saal der Hofburg ertönen: „Herr Bundeskanzler, wenn Sie diese Politik weiter verfolgen, bleiben auch die schönsten Worte nicht mehr als grüne Lügen.“ Heute erhebt sich eine andere Stimme in der Hofburg, jene Greta Thunbergs, die in den letzten Monaten zum Sprachrohr einer rasant wachsenden, weltweiten Bewegung geworden ist.

„Bei einem muss ich dem vorhin Gesagten Recht geben“, gab Sebastian Kurz nach unserer Eröffnungsrede zu. „Es geht nicht nur darum, was gesagt wird, sondern es geht vor allem darum, was getan wird.“ In Anbetracht der Taten, an denen er gemessen werden will, entpuppen sich Kurz’ Versprechungen nach eineinhalb Jahren Regierungszeit als türkise Lügen.

Rückschrittliche Verkehrspolitik in Beton gegossen

Vor einem Jahr kritisierten wir die katastrophale schwarz-blaue Klimapolitik. Seither hat sich an der Milliardenförderung für fossile Energien, den drastischen Kürzungen im Umweltbudget und der desaströsen Klima- und Energiestrategie nichts geändert. Im Eiltempo verabschiedete die nun zerbrochene Regierung weitere Maßnahmen, die allesamt an den Klimazielen vorbei- und auf eine Beschleunigung der Klimakrise zusteuern.

Das „Standortentwicklungsgesetz“ soll große Bau- und Infrastrukturvorhaben, die nicht binnen einen Jahres zu- oder abgewiesen wurden, automatisch genehmigen und klima- und umweltschädliche Monsterprojekte damit einfach durchwinken. Mit der Einschränkung des Mitspracherechts von NGOs in der Umweltverträglichkeitsprüfung griff die Regierung gezielt die zivilgesellschaftliche Beteiligung im Klimaschutz an. „Der Kampf gegen den Klimawandel (…) sollte uns alle beschäftigen“, sagte Kurz und versuchte gleichzeitig, Klimaschützer*innen mundtot zu machen.

Weiterhin setzt er sich mit voller Kraft für die klimaschädlichsten Monsterprojekte Österreichs ein. Dazu gehören die dritte Piste am Flughafen Wien und der zerstörerische Lobautunnel. Der fossile Verkehr, Österreichs Klimakiller Nummer Eins, droht somit für weitere Jahrzehnte einbetoniert zu werden.

Mit Tempo 140 in die Katastrophe

Nach einem Jahr haben sich nicht nur die Versprechen des Ex-Bundeskanzlers als leere Worte entpuppt. Wir rasen nun mit Tempo 140 sogar noch schneller in die Klimakatastrophe. Was es bräuchte, um dieser zu entkommen, darauf macht heute auf dem Austrian World Summit Greta Thunberg aufmerksam. Heute ist sie es, die den Anwesenden ihre Verantwortung vor Augen führen wird.

Wir, die wir letztes Jahr in der Hofburg aufstanden, werden wieder aufstehen, diesmal auf den Straßen. Am Freitag werden wir uns einer der vielfältigen Aktionen am Aktionstag für Klimagerechtigkeit anschließen und gemeinsam mit vielen anderen Aktivist*innen aus Wien und ganz Europa zeigen, dass die Klimakrise hier in unserer Stadt, in Wien, gestoppt werden muss.

Was die Expert*innenregierung jetzt tun muss

Von der „Expert*innenregierung“, die bis zur Wahl den Staat führt, fordern wir, dass sie ihre Expert*innenrolle ernst nimmt. Sie muss dem Parlament Gesetzesentwürfe vorlegen, die – auf wissenschaftlichen Fakten beruhend – einen Wandel einleiten, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Auf dem Klimagipfel werden vor allem Entwicklungsprojekte im globalen Süden diskutiert.

Doch wir müssen hier in Österreich das Richtige tun, indem wir die Dritte Piste und den Lobautunnel stoppen, indem wir eine andere Landwirtschaft aufbauen, indem wir unsere Innenstädte von den Autos befreien. Das ist nicht nur notwendig für das Klima, sondern auch für unsere Gesundheit, und schafft Raum für uns Menschen.

Thunberg: „Scheidepunkt der Geschichte“

Die Krise, in die uns ein auf Wachstumszwang basierendes Wirtschaftssystem gebracht hat, können wir nicht durch noch mehr Wachstum beheben. Statt dieses in der Verfassung festzuschreiben, wie Kurz’ Regierung es versuchte, müssen wir die Klimakrise als Weckruf hören.

Wir stehen an einem Scheidepunkt in der Geschichte, sagt Greta Thunberg. An diesem müssen wir uns fragen, ob wir weiterhin zulassen wollen, dass unsere Lebensgrundlagen für Billigflüge nach Ibiza, für SUVs und vor allem für horrende Profite zerstört werden, oder ob wir einen anderen Weg einschlagen wollen: Einen Weg, in dem unsere Städte uns und nicht den Autos gehören. Einen Weg, in dem wir selbst diejenigen sind, die entscheiden, was wachsen soll und was nicht.

Woche der Klima-Proteste

Dieses Jahr gibt es in der Woche des Austrian World Summit Klima-Protestaktionen von vielfältigen Gruppen. Darunter sind neben System Change, not Climate Change! auch Ende Gelände, Fridays for Future und Extinction Rebellion sowie viele Kinder und #FarmersForFuture. Die Proteste nehmen immer mehr an Fahrt auf und sind unaufhaltsam.

Wir geben nicht auf, für eine klimagerechte Welt zu kämpfen. Verantwortungslose und machtgierige Politiker*innen dürfen nicht länger die Pressefreiheit an vermeintliche Oligarchinnen und die Zukunft unseres Planeten an Konzerne verkaufen. Und wenn wir das in den nächsten Monaten nicht erreicht haben, werden wir auch 2020 wieder dafür sorgen, dass Klimagipfel nicht zum Reinwaschen tagtäglich begangener Klimasünden missbraucht werden.

Lucia Steinwender studiert Germanistik und Sprachwissenschaft in Wien und ist bei System Change not Climate Change aktiv.

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