Publizistik: Angriff auf feministische und kritische Lehre

Heute wurden die Pläne des neuen Studienprogramms der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Wien bekannt. Die Eckpunkte sind: Reduktion von medienhistorischer und feministischer Lehre und Forschung sowie die ersatzlose Streichung der prozessorientierten Fachbereiche. Außerdem gibt es mehr quantitative Methodik bei gleichzeitiger Streichung von Übungen und Seminaren sowie mehr Frontal-Lehre in Vorlesungen. Warum das geschieht und welche Debatte es eigentlich bräuchte, erklärt die Lektorin Ulli Weish im Interview mit Mosaik.

Heute wurden die Pläne für den neuen Studienplan der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft bekannt. Welche Probleme siehst Du?

Ganz allgemein ist es eine neoliberale Kürzungspolitik, die weder inhaltlich argumentiert wird noch die Betroffenen in Gespräche einbindet. Gekürzt wird in einer Studienrichtung, die immer schon unterfinanziert war. Die Publizistik hatte hochschulintern in Wien zwar einen schlechten Ruf aufgrund des Massenandrangs von Studierenden seit den 80er Jahren. Für viele war und ist sie aber ein wichtiges Studium, das die Basiskompetenzen in einer medialisierten Gesellschaft vermitteln muss. Für viele hatte das Wiener Institut Ausstrahlungskraft, gerade weil im Schatten der Unterfinanzierung externe Lehre, die vielfältig und kritisch war, in Nischen blühte. Jetzt werden zentrale Errungenschaften angegriffen.

Um welche Bereiche geht es da konkret?

Ein Bereich, den ich für zentral erachte und der völlig wegfallen soll, ist der Bereich der „interpersonalen Kommunikation“ im Masterstudium. Wer über Kommunikation redet und forscht, muss nicht nur über medialisierte Kommunikation, sondern über Kommunikation in Gruppen oder auch Rangdynamiken in (digitalen) Gruppen Bescheid wissen. Dazu braucht es ein Basiswissen und eine Selbsterfahrung im Bereich von Gruppendynamik, Konfliktkommunikation, Team- und Organisationsentwicklung. Für diesen Bereich haben studentische Gruppen ab den späten 1980er Jahren gekämpft und konnten dies vor rund 10 Jahren im Studienplan verankern. Dieser Bereich des Studiums ist einer mit den besten Evaluationsergebnissen, die Seminare und Übungen waren stets auf den letzten Platz ausgebucht, auch wenn sie mit hohem Aufwand verbunden waren.

Und wie sieht es mit feministischer Lehre aus?

Hier ist es komplexer, weil einerseits krass gestrichen wird, aber andererseits die Rhetorik der Gendersensibilität in einer Präambel bemüht wird. Ein Dilemma, das zum Schweigen verleitet. Der sichtbare Forschungsstrang FEM ist in Kürze Geschichte, auch die medienhistorische Forschung. In einer vagen Absichtserklärung wird pseudo-abgesichert, dass weiterhin feministische Lehre angeboten werden soll. Wie viele Lehrveranstaltungen und in welchen Themenbereichen ist offen. Eine sichtbare Struktur ist weg, doch bei Kritik wird zynisch auf die vage Präambel verwiesen. Damit wird klar, dass genau die Bereiche, für die Studierende und die wenigen kritischen Lehrenden jahrelang gekämpft haben, mit dem Argument des Kostendrucks wieder wegfallen. Dass diese Pläne ausgerechnet 2 Tage vor dem internationalen Frauentag öffentlich werden, ist besonders bezeichnend.

Und warum passiert das ausgerechnet jetzt?

Es geht um das Argument des Kostendrucks. Das Studium soll schlanker werden, die vielen externen LektorInnen müssen reduziert werden. Wir haben es hier nicht mit reaktionären Professoren und Professorinnen zu tun, sondern mit freundlichen Neoliberalen. Sie sehen sich gezwungen zu sparen, weil die externe Lehre auf Dauer natürlich teuer kommt und weil in den letzten Jahren zum Glück auch mehr PräDoc- und PostDoc-Stellen am Institut geschaffen wurden.

Dazu kommt, dass alte Professuren nicht mehr nachbesetzt werden – wie beispielsweise die Professur für Medienpädagogik. Die bisherige Pflichtvorlesung mutiert zum Wahlbereich. Das muss man sich mal vorstellen. Alle sprechen über Medienpädagogik und Medienkompetenz, für Schulen, für Kindergärten, für Eltern, für die Jugendarbeit, insbesondere auch im Bereich der Gewalteskalation, des digitalisierten Extremismus oder des Sexismus. Und am einschlägigen Fachinstitut wird die Pflichtstruktur weggeräumt. Ich finde, alle AbsolventInnen unseres Fachs müssen in diesem Bereich ein vertieftes Fachwissen erwerben, zumal doch viele später in Kommunikationsberufen tätig sein werden. In der Praxis müssen sie seriös und verantwortungsbewusst handeln. Das muss doch in der Studienstruktur maximal ermöglicht werden.

Wie wird es gerechtfertigt, dass ausgerechnet diese wichtigen Bereiche gestrichen werden?

Das ist ja das zynische. Die Studienprogrammleitung würde niemals behaupten, dass sie diese Bereiche streicht, weil sie unwichtig sind. Die inhaltliche Diskussion findet ja nicht statt. Aber im neuen Studienplan werden einzelne Bereiche ausgeweitet, z.B. quantitative Forschung, PR-, aber auch Werbeforschung, die aus meiner Sicht leider deskriptiv, theorielos und unkritisch verläuft. Dies geht zulasten kritischer Lehre. Schade. Soviel zum Inhalt. Für viele feministische Lektorinnen bedeutet dieser neue Studienplan praktisch und persönlich, dass ab jetzt die Konkurrenz zwischen den Prekären ausgerufen wird. Vielleicht kommen manche alle paar Jahre mal mit einer Lehrveranstaltung dran. Aber die Struktur ist weg. Die ohnehin wettbewerbsorientierte Situation an den Universitäten wird durch das institutsinterne Ausspielen der Jungen (PräDoc und PostDoc) gegen die Alten (langjährigen LektorInnen) entweder strategisch betrieben oder ist implizit angelegt.

Und in welche Bereichen wird nicht gekürzt?

Es gibt eine neue junge Generation von ProfessorInnen, die ihre Schwerpunkte stärker in den Mittelpunkt rücken möchte, was grundsätzlich logisch und ok ist. Aber die Richtung, in die das geht, ist das Problem. Der alte Quantifizierungsfetisch wird wieder sichtbar, indem qualitative Methodik als weniger wichtig erachtet wird. Die Enge der Fachausrichtung in kommerzielle Berufsbereiche wie Journalismus, PR und Werbung schadet meines Erachtens natürlich der komplexen Fachentwicklung. Brennende gesellschaftliche Fragen der Medialisierung, Kommerzialisierung und politischer Zusammenhänge werden in ein kleines Reservat verfrachtet. Mediengeschichte zu vernachlässigen bedeutet auch, den Schatten der Vergangenheit ins Heute zu leugnen und Basiswissen zu Zensur, zu Faschismen und Gleichschaltung auszulagern – als Freizeitbeschäftigung für ein paar Interessierte.

Was unternimmst Du und andere gegen die Pläne der Studienprogrammleitung?

Derzeit gibt es die Möglichkeit, Stellungnahmen zu schreiben und genau das ist nun wichtig, um eine inhaltliche Diskussion zu ermöglichen, die nicht nur im inneren Kreis der EntscheidungsträgerInnen stattfindet. Besonders wichtig ist es, dass kritische Stellungnahmen von denjenigen kommen, die in unterschiedlichen Berufsfeldern der Kommunikationsbranchen arbeiten. Im Senat muss jede Stellungnahme bearbeitet werden. Darin liegt eine gewisse Hoffnung, dass es nicht ausschließlich um Budgetzahlen und Kennnummern geht. Dass im 21. Jahrhundert in einer  politisch brandgefährlichen Phase der ökonomischen wie ökologischen Krisen genau die kritischen Fachbereiche wegfallen sollen, ist skandalös.

 Es läuft also ziemlich viel schief. Aber was würde es eigentlich brauchen?

Wir stehen im Moment in einer Phase, wo das zu verteidigen ist, was in den 80er Jahren formuliert und in den 90er Jahren erkämpft wurde. Dass feministische, antirassistische und ökonomiekritische Perspektiven ab- statt zunehmen, ist Zeichen des heutigen Rückschritts. Dieser wird zweckrationalistisch und pragmatisch begründet, nicht ideologisch. Was ich mir wünsche, ist eine offene und inhaltliche Debatte über die Ausrichtung des Studiums Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Es geht darum, was heute die zentralen gesellschaftlichen Fragen sind und wie sie in diesem Studienfach verhandelt werden. Das Problem ist, dass die Konkurrenz um die viel zu knappen Mittel genau diese Debatte verhindert. Eigentlich ist es ja ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet in einem Studienfach, das sich mit Kommunikation beschäftigt, keine offene Debatte stattfindet.

Ulli Weish ist seit 1996 Lektorin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Sie beschäftigt sich unter anderem mit feministischen Themen.

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