„Zuerst müssen wir zugeben, dass die Linke besiegt worden ist“, gestand Julio Anguita, Kommunist und ehemaliger Vorsitzender der Izquierda Unida (Vereinigte Linke, Anm.) in dem Interview, das der Podemos-Sprecher Pablo Iglesias vor ungefähr einem Monat mit ihm führte. „Wir haben keine Schlacht verloren. Nein. Wir haben den Krieg verloren.“ Für Julio Anguita heißt die Tatsache, dass wir den Krieg verloren haben, noch nicht, dass wir auch die Waffen strecken und uns ergeben müssen. Nein. Was wir machen müssen, ist einen anderen Kampf zu beginnen, einen mit neuen Allianzen, neuen Waffen und neuen Symbolen.
„Der Gegner“, meinte Iglesias im Rahmen einer Konferenz, „möchte, dass wir einen Krieg austragen, den wir schon verloren haben: auf Demonstrationen mit roten Fahnen aufmarschieren und eine Sprache verwenden, die niemand versteht. Denn so werden wir niemals aufhören, eine marginale, schon besiegte Minderheit zu sein. Und der Gegner weiß, dass marginale Minderheiten nicht gefährlich sind.“
„Wir gegen die Kaste“
Es ist das erklärte Ziel der neuen Bewegung Podemos, das Dasein als Minderheit zu beenden. Das Ziel ist, die soziale Mehrheit wieder zu mobilisieren, die, wie der spanische Autor César Rendueles meinte, möglicherweise gegen den Kapitalismus ist, ohne sich dessen bewusst zu sein. Aber diese soziale Mehrheit findet sich in der Sprache der traditionellen Linken nicht mehr wieder.
Also muss unsere Sprache eine andere werden. Die Wörter „Linke“, „Arbeiter_innenklasse“, „Kapitalist_innen“ etc. waren Begriffe, die in Spanien nur in den Reden einiger Spitzen der Izquierda Unida und in akademischen Diskussionen auftauchten. Pablo Iglesias’ großer Einsatz war es, damit zu beginnen, so zu sprechen wie die Menschen auf der Straße, in den Bars und am Arbeitsplatz. Er nahm ihre Wut auf und gab ihr Form und Ausdruck. Er führte in die öffentliche Debatte ein neues Wort ein, das der „Kaste“. Die „Kaste“ benennt den alten Filz aus Politik und Wirtschaft, der seine Macht nutzt, um sich an der Bevölkerung zu bereichern. Dem gegenüber stellte er alle anderen: „Die einfachen Leute“ und „das Volk“.
Die neue Strategie funktioniert, weil die Sprache nun die Realität so beschreibt, wie sie von den Menschen empfunden wird. Die Führung Pablo Iglesias’ basierte nicht darauf, der „Leuchtturm zu sein, der dem Proletariat den Weg leuchtet.“ Vielmehr wirkt er wie ein Spiegel, der das eigene Licht der Menschen reflektiert, in dem sich die Menschen selbst sehen, sich wiedererkennen können.
Mit diesem neuen Kommunikationsstil und dieser neuen Art Politik zu machen, gelang es Podemos, Menschen aus dem gesamten gesellschaftlichen Spektrum anzuziehen: Im Herbst 2014, bevor die rechtsgerichtete Partei Ciudadanos („Bürger“) die uneingeschränkte Unterstützung der Medien erfuhr, konnte Podemos die höchsten Umfragewerte vorweisen. Damals unterstützen 21 Prozent der ManagerInnen und 20 Prozent der KleinunternehmerInnen die neue Partei, genauso wie auch 26 Prozent der Arbeitslosen und 19 Prozent der ungelernten ArbeiterInnen. Auch jetzt bewahrt Podemos bei Umfragen dieses ausgewogene Gleichgewicht, wenn auch auf niedrigerem Prozentniveau.
Volksnahe Sprache, radikale Forderungen
Der neue Kommunikationsstil bedeutet jedoch keine Abkehr von den politischen Positionen der traditionellen Linken: Auch Podemos fordert höhere Steuern für Gewinne, höhere Steuerprogression oder den Ausbau öffentlicher Dienstleistungen. Das politische Programm von Podemos weist auch einige recht radikale feministische Forderungen auf. Ohne dass Podemos sich selbst als „links“ bezeichnet, wird die Bewegung von den Menschen in Umfragen als radikale linke Partei verstanden. Das verwundert nicht, stimmen doch die Einschätzungen der aktuellen Lage in Spanien und die politischen Ziele etwa mit der Izquierda Unida überein.
Jedoch konnte die volksnahe Sprache viele jener erreichen, die eigentlich akzeptiert zu haben schienen, dass der einzige gangbare Weg in der Wirtschaft der neoliberale und die einzige mögliche Politik die der Parteipolitiker_innen sei.
Das Rezept hat offensichtlich funktioniert und die Auswirkungen haben wir vergangenes Wochenende gesehen. Die Konservativen haben die Macht in den großen Städten verloren, in denen sich Podemos mit verschiedenen breiten Bündnissen präsentierte. Außerdem hat Podemos in verschiedenen Regionen zwischen 8 Prozent und 20 Prozent der Stimmen erobert und so praktisch seine Ergebnisse bei den Wahlen zum EU-Parlament verdoppelt.
Der nächste Angriff wird in der zweiten Jahreshälfte bei den Parlamentswahlen erfolgen. Podemos will die stärkste Partei in Spanien werden. Dann werden die guten Resultate in den großen Städten Barcelona und Madrid der Hebel sein, auf dem der politische Wandel beruhen wird. Aber auch von Wien aus werden wir, die Mitglieder von Podemos Österreich, weiterhin dafür kämpfen, dass dieser Wandel in Spanien möglich ist.
Pablo Torija ist Vater zweier großartiger Kinder und Aktivist und Mitglied von Podemos. Er kommt aus Spanien und lebt in Österreich.
Übersetzung: Tobias Zortea