Philippinen: Weiße Strände und politische Morde

Demonstration auf den Philippinen

Nach dem Wahlsieg des Diktatorensohns Ferdinand Bongbong Marcos droht sich die Situation auf den Philippinen vor allem für die ärmere Bevölkerung zu verschlechtern. Auf Proteste reagiert Marcos mit Repression, wie die Inhaftierung dutzender Bäuer:innen zeigt. Ein politischer Reisebereicht von Anselm Schindler.

Es ist heiß in Manila, drückend heiß. Die Leute auf der Straße tragen Masken, weniger wegen Corona, mehr weil der Smog der vielen Autos, Taxis und Mopeds, die die Straßen der Philippinischen Hauptstadt verstopfen, die Luft verpestet. Schnell in die S-Bahn – die Klimaanlage kühlt und es ist still. Seit der Pandemie ist es in der S-Bahn verboten, zu sprechen. Am Fenster zieht ein großer Golfplatz vorbei, das Gras trotz der gefühlten 36 Grad erfrischend grün. Ein paar Reiche schwingen ihre Schläger, bewacht von Securitys.

83 Festnahmen bei Landrechts-Protesten

Seitdem die Philippinen zuletzt vor rund zwei Monaten wegen dem Wahlerfolg des Ditktatorensohns Marcos Junior, den hier alle nur Bongbong nennen, in den Medien waren, ist es wieder ruhig geworden um die Inselgruppe. Zumindest in der deutschsprachigen Presse. Vor Ort scheinen derweil die Befürchtungen der Gegner:innen Marcos‘ wahr zu werden: Die massive Repression gegen armutsbedingte Kriminalität, gegen die politische Linke und gegen alle, die aufbegehren, die unter dem vorherigen Präsidenten Rodrigo Duterte bereits tausenden Menschen das Leben gekostet hat, lässt unter Marcos nicht nach. Während meinen ersten Tagen in Manila werden im Dorf Tinang, einige Kilometer nördlich der Millionenmetropole, 83 Menschen von der Polizei festgenommen. Es sind vor allem Bäuer:innen, aber auch Aktivist:innen und Anwält:innen.

„Wir haben für das Recht der Bäuer:innen auf Land protestiert und dann kam die Polizei und hat uns angegriffen“, berichtet Ciarra Flores. Flores ist Vorsitzende der Rural Women Advocates (RUWA), was zu deutsch so viel wie „Fürsprecherinnen der Landfrauen“ bedeutet. RUWA ist ein Zusammenschluss von Anwält:innen und Aktivist:innen, der sich für die Rechte von Bauernfamilien und speziell für die Belange von Bäuerinnen einsetzt.

Umstrittene Felder

Mehr als zwei Drittel der Landwirt:innen auf den Philippinen besitzen kein eigenes Land. Sie arbeiten auf dem Land von Großgrundbesitzern. An sie geben sie einen Teil der Ernte ab oder werden von ihnen bezahlt. Das Geld vieler Bauernfamilien reicht oft gerade so für das Nötigste und manchmal auch dafür nicht. Das ist der Grund, warum es immer wieder zu Protesten kommt, so wie in Tinang. Die 83 Bäuer:innen und Aktivist:innen werden auf einem Feld festgenommen. Es ist umstritten, wem es offiziell gehört. Noel Villanueva, der Bürgermeister von Tinang, dem in der Region dutzende Hektar Feld gehören, beansprucht das Land für sich. Die Festnahmen sorgen für Proteste. Alle Festgenommenen kommen nach einigen Tagen wieder frei. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Aktivist:innen.

Foto: RUWA

Unterstützung für Marcos in den sozialen Medien

Neben Landwirtschaft leben viele Menschen auf den Philippinen vom Tourismus. In einem Café in Moalboal, einige Stunden Schlaglochpiste westlich von Cebu, der zweitgrößten Stadt auf den Philippinen, komme ich mit einer jungen Frau ins Gespräch, die selbst in der Tourismusbranche arbeitet. „Die letzten Jahre waren sehr hart für uns, vor Allem wegen der Pandemie“, berichtet sie.

Während der Pandemie traf im vergangenen Dezember ein Taifun die Philippinen. Auch in Moalboal wurden viele Häuser zerstört. Der Taifun ist auch an dem Café in dem wir sitzen nicht spurlos vorbeigegangen: Vom Dach, das die Terrasse einmal hatte, zeugen nur noch die Stützpfeiler. Ob die Bevölkerung finanzielle Unterstützung zum Wiederaufbau von der Regierung bekommen hat? „Nicht genug“, erklärt die junge Frau, „viele Menschen sind stark auf sich alleine gestellt“. Dann kommt das Gespräch auf Marcos, den sie im Wahlkampf in den sozialen Medien unterstützt hat. Stop, was? „Klar!“ sagt sie. „Die Vorwürfe gegen Marcos sind Lügen“. Und die Verbrechen seines Vaters, der das Land über zwei Jahrzehnte hinweg diktatorisch regierte? „Notwendig, um den Kommunismus zu bekämpfen.“

Kommunistische Guerilla und der Einfluss der USA

Vor Allem in den 60er und 70er Jahren hatte die verbotene Kommunistische Partei und ihr bewaffneter Arm, die New Peoples Army (NPA), eine breite Basis in der Bevölkerung. NPA wurde damals umgangssprachlich auch als „Nice People Arround“ übersetzt. Die Guerilla wurde vor Allem unterstützt, weil sie in den Gebieten, die unter ihrer Kontrolle waren, Großgrundbesitzer enteignete und das Land an besitzlose Bauern umverteilte. Der Krieg zwischen der NPA und dem Marcos-Regime, das sie stützen wollte, kostete tausenden Menschen das Leben.

Das Regime wurde ihn ihrem Feldzug gegen die NPA und andere Linke auch stark von den USA unterstützt, die bis heute viel Macht über die Philippinen ausüben. Trotz der formellen Unabhängigkeit der Philippinen, die sie nach dem Zweiten Weltkrieg erlangten, werden das philippinische Militär und die philippinische Polizei weiterhin von den Vereinigten Staaten geschult und bewaffnet. Die besten philippinischen Militäroffiziere erhalten Plätze an der US-Militärakademien. Nach wie vor sind Militärberater:innen aus den USA im Land stationiert.

Im Gegensatz zu vielen anderen kommunistischen Guerillabewegungen, die den Zusammenbruch der Sowjetunion und das proklamierte „Ende der Geschichte“ nicht überlebten, kämpft die NPA auch heute noch. Unter dem letzten Präsidenten, Rodrigo Duterte, hat der Konflikt wieder an Fahrt aufgenommen. Dutertes Krieg gegen die Drogen, der oft eher ein Krieg gegen Drogenabhängige war, und die Unfähigkeit der Regierung andere Antworten außer Repression auf die Coronakrise zu finden, haben viele Menschen wütend gemacht.

Red-Tagging – Tödliche Repression

Mit der zunehmenden Spannung nimmt auch die Repression zu. Sie ist in den Philippinen vor allem mit dem Begriff des Red-Tagging verbunden. Red-Tagging bezeichnet das staatliche Outing von Einzelpersonen und Organisationen als kommunistisch. Das Red-Tagging trifft aber längst nicht nur NPA-Leute sondern auch Menschenrechtsaktivist:innen, Kirchen, linke Anwält:innen. Und es wird gerne benutzt, um Oppositionelle auszuschalten. Und das ist wörtlich gemeint, das Red-Tagging endet oft tödlich. Wer markiert ist landet schnell auf der Abschussliste von Polizei, Militär, und Milizen. Dutzende Menschen, die in den vergangenen Jahren als NPA-Unterstützer:innen getaggt wurden, verschwanden spurlos oder wurden erschossen.

Auch auf die Proteste und den Widerstand von Bauern reagierten die Behörden in der Vergangenheit mit Red-Tagging. Das bekamen auch die Tinang 83 zu spüren. Die Regierung unterstellte ihnen pauschal, mit der NPA zusammenzuarbeiten, ohne das näher zu begründen. „Schon während dem Duterte-Regime wurden dutzende Bauern, die sich gegen ihre schlechten Lebensbedingungen gewehrt haben, ermordet“, erklärt RUWA-Aktivistin Flores. Unter Marcos befürchtet sie eine Verschlechterung: „Die bauernfeindliche Politik der Regierung wird wahrscheinlich zunehmen. Dies wird nicht nur Landwirte und Landarbeiter:innen betreffen, sondern eine ganze Nation, die von den Landwirt:innen als Nahrungsmittelproduzenten abhängig ist.“

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