Warum Peter Pilz keine Alternative ist

Peter Pilz plant, mit einer eigenen Liste zu den Nationalratswahlen anzutreten. Nicht wenige sehen seine angekündigte „Bürgerbewegung“ als echte Alternative zur alten Ordnung. Martin Konecny und Benjamin Opratko haben sich genauer angesehen, was von einer „Liste Peter Pilz“ zu erwarten ist.

Tatsächlich hat Pilz in seiner langjährigen politischen Karriere einiges vorzuweisen. Er war einer der aktivsten Parlamentarier der Zweiten Republik und ist als schonungsloser Aufdecker in einem korrupten System bekannt. Er legte sich mit mächtigen Politikern und Konzernen an – von der Waffenlobby über das Bau-Kartell bis zu den Eurofighter-Konzernen. Die Entscheidung des Grünen Bundeskongress, ihn durch den freundlich lächelnden, aber inhaltsbefreiten Posterboy Julian Schmid zu ersetzen, hat zurecht Bestürzung inner- und außerhalb der Grünen ausgelöst.

Nun sieht alles danach aus, dass Pilz seiner alten Partei den Silberrücken kehrt und ein neues Projekt startet. Haben wir endlich einen österreichischen Jeremy Corbyn oder Bernie Sanders, mit denen sich Pilz indirekt vergleicht? Kann er die große Lücke füllen, die auf der linken Seite des Parteienspektrums klafft?

Kein Austro-Corbyn

Der Vergleich mit Sanders und Corbyn liegt nahe: Schließlich wurden auch in den USA und in Großbritannien Politiker im besten Pensionsalter zu neuen Popstars der Linken. Aber schon ein Blick auf die Persönlichkeiten sollte uns skeptisch machen. Peter Pilz war, anders als Corbyn und Sanders, nie ein Parteirebell, sondern über drei Jahrzehnte eines der bekanntesten Aushängeschilder der Grünen. Pilz hat es sich, wie die Grünen insgesamt, im politischen Establishment bequem gemacht. Kritik an der Politik seiner Partei in den diversen Landesregierungen hörte man etwa nie.

Hoffnungsträger wie Corbyn und Sanders, oder auch Barcelonas linke Bürgermeisterin Ada Colau, verkörpern den Widerstand gegen das politische System in Form wie Inhalten. Peter Pilz dagegen scheint es um sein Ego zu gehen. Er will zeigen, dass er die Partei nicht braucht, die ihn so unsanft von der KandidatInnenliste geworfen hat. So bemüht er sich jetzt darum, andere Männer seines Alters um sich zu scharen, die ähnliche Kränkungen erlebt haben.

Kandidat der Kronen-Zeitung

In Interviews spricht Pilz davon, Teil einer Bewegung zu sein. Tausende Emails, SMS und Facebook-Kommentare würden ihn zur Kandidatur förmlich drängen. Doch soziale Bewegungen entstehen durch Kämpfe von unten, nicht über Emailzuschriften. Es gibt echte Bewegungen in Österreich. Sie organisieren Solidarität mit Geflüchteten, leisten Widerstand gegen luftverschmutzende Flugpisten und unnötige Kraftwerke oder protestieren gegen ungerechten Welthandel. Peter Pilz ist kein Kandidat dieser Bewegungen.

Statt soziale Bewegungen als Verbündete zu suchen, geht Pilz eine andere Allianz ein. Seine Kandidatur ist in erster Linie ein Medienphänomen. Schon jetzt wird er von der Kronen Zeitung hofiert. Es ist zu erwarten, dass der Boulevard weiter seine Freude an der Liste haben wird. Krone und Co werden Pilz in den Nationalrat schreiben, wenn das den Grünen schadet und der Auflage nützt. Auch darin unterscheidet sich Pilz grundlegend von Sanders, Corbyn, Colau und anderen linken Projekten. Sie werden von den Medien nicht hofiert, sondern bekämpft.  Denn eine Kandidatur, die sich tatsächlich mit den politischen und ökonomischen Interessen der Eliten anlegt, wird im Normalfall in den Qualitäts- wie Boulevardmedien einen verlässlichen Feind finden.

Pilz’ Wahlkampfthema Islambashing

Was sind nun die Inhalte, für die Pilz’ neue Liste stehen soll? Seine Verdienste als „Aufdecker“ alleine werden für eine Kandidatur zum Nationalrat nicht ausreichen. Und hier wird es wirklich problematisch. Wer seine zahlreichen Interviews und Wortspenden der letzten Tage liest, dem fällt auf, dass Pilz immer wieder ein Thema voranstellt: Die „Verteidigung unserer Kultur“ gegen die „Feinde Europas“, die „unsere Heimat zerstören wollen“. Der Feind, das ist für Pilz der „politische Islam“, dem sich die anderen Parteien angeblich nicht entgegenstellen.

Das ist absurd: Von Kurz bis Strache, von Kronen Zeitung bis Heute wird über kaum etwas anderes geredet. Islambashing ist neben der Ablehnung von Atomkraft vielleicht das einzige Thema, das den österreichischen Politik-Mainstream eint. Dabei macht sich Pilz die Argumentation rassistischer „Islamkritiker“ zu eigen. Ihm geht es nicht um diese oder jene Strömung des politischen Islams. Er richtet sich gegen alle MuslimInnen. Für Peter Pilz ist der Islam ein „Mühlstein“, der MigrantInnen „in die Vergangenheit zurückzieht“. Seinen FreundInnen empfiehlt er via Twitter das islamfeindliche, verschwörungstheoretische Buch „Der islamische Kreuzzug“. Darin wird vor der angeblich bevorstehenden „Islamisierung Europas“ gewarnt und die Diskriminierung von MuslimInnen in Europa geleugnet. „Islamophobie“ – Rassismus gegen MuslimInnen – sei bloß ein „Totschlagargument gegen Islamkritiker“, Kritik daran von antirassistischer Seite „lächerlich“.

Pilz steigt in das Spiel ein, auf eine Minderheit hinzuschlagen. Das ist feig, denn er drückt sich so darum, die wirklich Mächtigen anzugreifen. Damit ist er alles andere als ein Tabubrecher – er reiht sich in die Front der Wahlkämpfer ein, die gegen MuslimInnen hetzen. Die Strategie scheint zu lauten: Überlassen wir den Rassismus nicht den Rechten!

PseudoProtestpartei

Sollte Peter Pilz sich tatsächlich dazu entschließen, mit einer eigenen Liste zu kandidieren, wird daraus keine Alternative zur Politik der Eliten entstehen. Vielmehr gäbe es dann auch in Österreich eine Partei, die sich scheinbar gegen das Establishment stellt, die wirklich Mächtigen aber verschont. So wie Emmanuel Macron in Frankreich, Beppe Grillos „Fünf Sterne-Bewegung“ in Italien oder die „Ciudadanos“ in Spanien: Überall entstehen scheinbar „neuartige“ Parteien und Bewegungen, die tatsächlich aber den Status Quo sichern, indem sie Protest ableiten. Eine „Liste Peter Pilz“ wäre die österreichische Variante dieses Spiels.

Martin Konecny und Benjamin Opratko sind mosaik-Redakteure. Sie leben und arbeiten in Wien.

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