Die Initiative ergreifen – Die Peoples’ Platform Europe in Wien

Viele Hände in der Luft

Vom 14.-16. Februar 2025 findet in Wien die Peoples‘ Platform Europe statt. Unter dem Motto „Reclaim the Initiative“ will sie Aktivist*innen aus ganz Europa in strategischen Austausch bringen. mosaik-Redakteur Hannes Grohs hat mit den Organisator*innen gesprochen und mehr über die Plattform erfahren.

Nicht nur die österreichische, sondern die Linke in ganz Europa befindet sich in der Defensive. Das ist angesichts großer gesellschaftlicher Krisen – Klimakollaps, autoritäre Zuspitzung, Kriege – umso fataler. Höchste Zeit also, wieder in die Initiative zu kommen. Das sieht auch die Akademie der Demokratischen Moderne so. Der seit 2022 bestehende Zusammenschluss hat zum Ziel, Diskussionen und Austausch unter linken Kräften wieder herzustellen und zu stärken. Dabei sollen aber nicht nur Erfahrungen Thema sein, sondern gemeinsam Strategien entwickelt werden. Die Peoples‘ Platform Europe ist dabei ein wichtiger Baustein, in dem die Arbeit der letzten drei Jahre zusammenfließt.

mosaik: Angenommen ich habe noch nie etwas von der Peoples‘ Platform Europe gehört. Was ist das?

Die Peoples’ Platform Europe ist ein ideologischer und organisatorischer Vorschlag angesichts des gegenwärtigen Zustands linker Kräfte in Europa. Wir leben in einer Zeit, wo sich die multiplen Krisen der kapitalistischen Moderne immer mehr im Alltag spürbar machen. Es gibt heute eine Vielzahl von Dynamiken, die es uns eigentlich möglich machen sollten, das wahre Gesicht der kapitalistischen Moderne offenzulegen und die Gesellschaften gegen die zunehmende kapitalistische Ausbeutung, Zerstörung und Ungleichheiten zu politisieren. Aber warum schaffen linke, sozialistische, anarchistische, demokratische, feministische und ökologische Bewegungen es heute nicht, die Gesellschaften von ihren Ideen zu überzeugen und politisch in der Offensive zu sein, wenn sie doch eine humane und gerechte Alternative zum Kapitalismus darstellten? Es braucht offensichtlich eine Reflexion und Erneuerung von unserem Verständnis linker, emanzipatorischer Politik.

Die Peoples’ Platform Europe stellt für uns eine Antwort auf diese Frage dar. Wir möchten den Raum schaffen, gemeinsam zu untersuchen, was die politischen Entwicklungen der letzten Jahre für uns bedeuten und welche Chancen und Möglichkeiten zur Veränderung der Welt wir erkennen können. Dabei sollen vor allem unsere jeweiligen Strategien und Taktiken, unsere Organisationsformen und unsere alltägliche Praxis auf den Prüfstand gestellt werden. Wir hoffen, mit dieser möglichst breiten Plattform von demokratischen Organisationen, einen kollektiven Diskussionsprozesses anzuregen, um richtige Antworten auf die Fragen unserer Zeit finden zu können. Mithilfe dessen möchten wir die Weichen stellen, aus der Defensive herauszukommen und die Initiative zurückzuerobern.

mosaik: Auf welchen Vorarbeiten baut die Plattform auf und wen erwartet ihr?

Die Idee der Plattform ist nicht aus dem Nichts entstanden. Wir können auf eine jahrelange Vernetzungs- und Bildungsarbeit zurückblicken. Im Zuge verschiedener Konferenzen, Seminare und Akademien, Treffen und diversen Austauschformaten ist ein europaweites internationalistisches Netzwerk entstanden. Dieses Netzwerk bildet die Basis der Plattform. Als Akademie der demokratischen Moderne haben wir in den fast drei Jahren in verschiedensten Orten Europas Seminare veranstaltet. Dort sind hunderte AktivistInnen zusammengekommen, haben diskutiert und Schritt für Schritt ein kollektives Verständnis entwickelt. Auf Konferenzen wie der „The Art of Freedom – Strategies for organising and collective resistance“ Konferenz in Basel im November 2023 wurden bereits Grundsteine gelegt.

Außerdem wird die Plattform auch in Kooperation mit verschiedenen Netzwerken und Organisationen organisiert, die in den vergangenen Jahren bereits internationale Vernetzungsarbeit und Diskussionsprozesse angestoßen haben. Hervorzuheben sind hierbei einerseits das Netzwerk Women Weaving Future, das im Jahr 2022 in Berlin eine internationale Frauenkonferenz organisiert hat. Andererseits Youth Writing History, das im vergangenen Jahr in Paris die Welt-Jugendkonferenz veranstaltet hat. Diese bereits laufenden Prozesse und viele weitere bilden die Grundlage und Vorarbeit der Peoples’ Platform Europe.

Im Februar erwarten wir in diesem Sinne Teilnehmer*innen aus nahezu allen europäischen Ländern. Das Spektrum ist hierbei vielfältig. Von linken, sozialistischen Organisationen hin zu feministischen, ökologischen und kulturellen Gruppen und Kampagnen. Es werden Mitglieder von Gewerkschaften, linken Akademiker*innen-Kollektiven, diversen Diaspora-Gruppen und Aktivist*innen verschiedener Solidaritätsgruppen erwartet. Wir freuen uns vor allem auf Teilnehmer*innen von Gruppen, die aktiv an gesellschaftlicher Organisierung arbeiten, als auch am Aufbau demokratischer Medien.

Banner der People's Platform Europe

mosaik: Große Konferenzen sind vor allem in der globalisierungskritischen Bewegung verankert. Zuletzt gab es mit dem „European Common Space for Alternatives“ den Versuch, die europäischen Sozialforen wieder aufleben zu lassen. Inwiefern schließt ihr an diese Tradition an bzw. unterscheidet euch davon?

Wir betrachten das Projekt der Peoples’ Platform auf jeden Fall als Teil der Tradition anti-kapitalistischer Bewegungen, internationale Foren zu schaffen. Daher sind solche Kreise auch ausdrücklich zur Teilnahme an der Konferenz in Wien eingeladen. Diese internationalistischen Erfahrungen linker Bewegungen bilden für uns die zentrale Quelle, um von ihren Erfolgen und auch Fehlern zu lernen. Jedoch unterscheidet sich die Plattform auch von diesen vergangenen globalisierungskritischen Erfahrungen. Unsere Reflexion und Kritik dieser Prozesse bilden den Ausgangspunkt für die Organisierung der Plattform. Einer Vielzahl von bestehenden Foren fehlt unseres Erachtens die theoretische Weitsicht und die nötigen Strukturen, um einen demokratischen Aufbruch voranzutreiben. Wir sehen die Unzulänglichkeit in ideologischer und struktureller Hinsicht.

Zum einen braucht es ein klares Paradigma und einen theoretischen Rahmen, um die bestehende politische Lage richtig fassen zu können und eine eigene unabhängige Agenda von der kapitalistischen Moderne zu entwickeln. Nur so können wir die grundlegenden Tendenzen der aktuellen politischen Phase verstehen. Denn jede politische Phase hat ihre eigene Dynamik, Akteure und Themen. Aus Sicht von uns – den demokratischen Kräften dieser Welt – ist es daher umso wichtiger, die aktuelle Phase in ihrer Eigenheit zu verstehen und zugleich grundlegende historische Dynamiken nicht aus dem Blick zu verlieren. Ohne dies bleibt die Linke angesichts diverser Entwicklungen wie paralysiert und in der Ohnmacht, wie wir im Zuge der Covid-Pandemie und des Ukraine-Kriegs gesehen haben.

Es braucht einen klaren ideologischen Blick und die Entwicklung eigener politischer Vorschläge. Sonst wird die kapitalistische Moderne von linken Kräften gar gestützt, wie wir bereits oft gesehen haben. Zum anderen bedarf es angesichts der strukturellen Probleme linker Kräfte eine ernsthafte Diskussion, um die Frage von Organisation und Aktivismus. Wir möchten daher die neun verschiedenen Themenschwerpunkte auf der Konferenz vor allem in Hinsicht auf Organisierung und Strategie diskutieren. Die Plattform sieht in diesem Sinne keinen abstrakten, theoretischen Diskurs vor, sondern soll praxis- und zielorientiert sein. Daher haben wir, wie zuvor erwähnt, die verschiedenen Erfahrungen und Experimente von internationalistischen Foren studiert und eine eigene Methodologie entwickelt. Auf Basis dieser Methodologie beschränken sich die Diskussionen nicht nur auf die Konferenztage, sondern wir versuchen bereits vorab, diese Diskussionen zu führen.

Wir möchten vor diesem Hintergrund auch unterstreichen, dass die Perspektiven des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan und seine Ideen zur demokratischen Moderne und dem Globalen Demokratischen Konföderalismus eine zentrale Referenz bilden.

mosaik: In eurem Aufruftext schreibt ihr, dass die Plattform dazu beitragen soll, Kräfte zu bündeln, Kämpfe zu koordinieren und eine gemeinsame Vision zu entwickeln. Wie kann das in zweieinhalb Tagen gelingen? Was wird es nach der Plattform noch brauchen?

Die Plattform stellt einen wichtigen Schritt in einem internationalistischen Prozess dar. Wie bereits oben geschildert, wurden in den vergangenen Jahren bereits wichtige Räume geschaffen, um Kämpfe zu koordinieren und gemeinsame Analysen zu entwickeln. Im Februar möchten wir alle diese Kreise nun zusammenbringen und einen qualitativen Schritt nach vorne machen. Wir denken, dass solch ein Zusammenkommen von hunderten Aktivist*innen aus dutzenden verschiedenen Ländern uns vor Augen führen wird, was für ein immenses Potential linke Kräfte inne haben, wenn sie kollektiv an ideologischen Perspektiven und organisatorischen Fragen arbeiten. Die Peoples’ Platform Europe ist jedoch auch ein längerfristiges Projekt. Sie bildet den Startpunkt, um den Internationalismus im 21. Jahrhundert auch praktisch wiederzubeleben. Daher werden nach der Plattform selbstverständlich weitere Aktivitäten folgen, um die Diskussionen zu vertiefen und Schritt für Schritt die Initiative zurückzuerobern.

Am Freitag, dem 06. Dezember findet um 18.30 Uhr eine Informationsveranstaltung zur Peoples‘ Platform Europe 2025 „Reclaim the Initiative“ in Wien statt. (Achtung Raumänderung auf C2 (!), Campus der Univiersität Wien/Altes AKH)

Interview: Hannes Grohs
Foto: Jaime Lopes on Unsplash

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