Ostbahn Kurti: Der bessere Bruce Springsteen

Willi Resetarits

Der Musiker Willi Resetarits alias Ostbahn Kurti verstarb am Sonntag in Wien. mosaik-Redakteur Benjamin Herr blickt zum Abschied auf ein besonderes seiner Lieder zurück: Arbeit.

Nachdem bekannt wurde, dass Willi Resetarits, der Liedermacher, Mitbegründer von SOS Mitmensch und Mitinitiator des Lichtermeers, bei einem Unfall 73-jährig verstarb, überschlugen sich die Kondolenzschreiben. Selbst von den Menschen, gegen deren menschenverachtende Politik Resetarits Zeit seines Lebens agitierte und politisch aktiv war. Tage sind vergangen, die Nachrufe geschrieben. Wir blicken zum Abschied auf ein Lied und die darin verdichtete popkulturelle Arbeitskritik zurück.

Zuerst zu Bruce Springsteen

Bevor wir uns Ostbahn Kurti zuwenden, etwas zu Bruce Springsteen. Dieser gilt als altehrwürdiger Popstar, der seine Wurzeln in der Arbeiter*innenklasse nie vergessen hat. Ein paar Jahre nach seinem kommerziellen Durchbruch, veröffentlichte Springsteen 1978 „Factory“. Springsteens übergreifendes musikalisches Thema war die Beschreibung des Alltags der US-amerikanischen Arbeiter*innenklasse. So auch im Lied „Factory“, in dem ein Arbeiter in der Früh mit dem Glockenläuten aufsteht und sich in die Fabrik aufmacht: „Factory takes his hearing, factory gives him life“ (Die Fabrik nimmt ihm sein Gehör, die Fabrik schenkt ihm Leben). Jede der Strophen endet mit einem pathetischen „It’s the working, the working, just the working life“. Es trägt die Zuhörer*innen in die Weiten des Rustbelts und erfüllt ihre Herzen mit Stolz auf ehrliche Industriearbeit.

In der Hacklerballade von Springsteen kommt aber auch anderes zum Tragen: die romantisierende Beschreibung des lebensverneinenden Charakters alltäglicher Industriearbeit. Es ist der Zugang zu Lohnarbeit, wie wir ihn auch heute noch in vielen traditionell-gewerkschaftlichen bis hin zu sozialdemokratischen Milieus vorfinden. Das Ziel ist die Verbesserung von Lohnarbeit. Warum und wofür Menschen tagtäglich aufstehen und ihr Tagwerk verrichten, wer davon profitiert und ob der Alltag von Menschen nicht eigentlich schöner, erfüllender und befreiter sein könnte, wird dabei ausgeklammert.

Foto: slowburn♪-2

Auftritt Resetarits

Mit diesem industriellen Pathos bricht nun Resetarits. Zusammen mit dem „Erfinder“ von Ostbahn Kurti, Günter Brödl, schreibt er die Ballade an die Fabrik um. Am 15.10.1989 hält „Arbeit“ Einzug in die österreichische Musikgeschichte. Der harmonische Hintergrundsound und das hervorstechende Klavier bleiben gleich. Doch während der drei Strophen von „Arbeit“ wird mit der romantisierenden Erinnerung gebrochen.

Zwar steht auch hier der Protagonist frühmorgens auf. Aber diesmal „weil in die Arbeit, in die Arbeit kummt ma net zu spät“. Arbeit für Geld ist auch immer mit Zwang verbunden. Die Gesellschaft, die den Protagonisten umgibt, wirkt nicht mehr so positiv überlagert wie bei Springsteen („Vorbei an de hoch’n Häuser/Voller z’samm g’stauchte Leit“) und der Lohn gibt keinen Wohlstand („Zeascht mit’n Rad’l, dann mit’n Moped. Aufs Auto spart er bis heit“). Den Zuhörer*innen wird klar, dass von Lohnarbeit und wie sie für einen Großteil der Menschen aussieht, nichts Gutes zu erwarten ist: „Weil des Leb’n is Arbeit und de bringt eam um“.

Arbeit anders organisieren

Im Vergleich mit „Factory“ besingt Resetarits’ „Arbeit“ eine Gesellschaftskritik wie man sie im Mainstream gerne öfter hätte. Es sei unbestritten: Die Absicherung durch Kollektivverträge, die Gegenwehr gegen neoliberale Angriffe auf Arbeitsverhältnisse und die Lebensbedingungen der Vielen und sozialpolitische Verbesserungen sind notwendig. Solange diese Maßnahmen aber nicht in eine größere Vorstellung von Gesellschaft eingebettet sind, bleiben sie immer träger werdende Abwehrkämpfe gegen kapitalistische Sachzwänge.

In diesem Zusammenhang gibt es zahlreiche Debatten, Begrifflichkeiten und Konzepte, mit denen hantiert wird. Ostbahn Kurti brachte die Debatte in genau drei Minuten auf den Punkt. War es seine Beteiligung bei Konzerten gegen Polizeistaat oder am Volksstimmefest, die musikalische Aufarbeitung der Geschichte der Arbeiter*innenklasse und ihrer Befreiung oder die Vertonung des im KZ-Buchenwald umgebrachten Kommunisten Jura Soyfer. „Arbeit“ zeigt, dass es um mehr als die Verwienerung eines US-Rocksongs ging. Das Lied zeigt, dass der Vorstadtstrizzi Ostbahn Kurti echt super linke Arbeitskritik zum Besten gab.

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