Ordensgemeinschaften: “Wir dürfen nicht schweigen”

In einer öffentlichen Stellungnahme mahnen die Ordensgemeinschaften die Regierung endlich eine Asylpolitik zu implementieren, „die der christlichen Verantwortung den Schwächsten gegenüber gerecht wird.“ Barbara Stefan hat für mosaik hat bei Ordensschwester Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden, nachgefragt, warum sie sich nun zu Wort melden, wie man sich als ChristIn verhalten sollte und was sie vom Kopftuchverbot hält.

mosaik: Warum haben Sie sich als Ordensgemeinschaften jetzt dazu entschlossen, sich mit einer öffentlichen Stellungnahme zu Wort zu melden?

Beatrix Mayrhofer: Als Ordensgemeinschaft haben wir uns dazu entschlossen, uns an die Öffentlichkeit zu wenden, natürlich auch an die Regierung. Für Christian Haidinger und mich als Vertreter der Ordensgemeinschaften war einfach Zeit etwas zu sagen. Die Orden können hier nicht zuschauen. Wir müssen aus unserer christlichen Verantwortung und auch aus unserem Engagement heraus Stellung nehmen. Das Interview von Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache in der Zeit in Bild 1 war dann so ein Moment, wo klar war, jetzt ist der richtige Zeitpunkt.

Geflüchtete haben schon 2012 auf ihre Situation aufmerksam gemacht, wo auch von kirchlicher Seite starke Solidarität mit den Anliegen der Protestierenden gezeigt wurde. Seither hat sich die Situation noch verschlimmert. Was tun in dieser Situation?

Wir dürfen einfach nicht schweigen. Unsere Stellungnahme soll andere Menschen ermutigen, ich glaube das ist notwendig. Wir haben viele Rückmeldungen bekommen in der Art von: „Gott sei Dank haben sie etwas gesagt. Wenn Sie etwas sagen, bekommen wir Mut auch etwas zu sagen.“ Also ich denke, es geht um ein Mutmachen an der Basis. Und vielleicht werden einige in leitenden Positionen auch unruhig. Ich meine, dass eine Volkspartei, die sich eine christliche Partei nennt, vielleicht Stellungnahmen aus christlichen Kreisen doch aufmerksam verfolgt. Aber vor allem ist es eine Frage des Gewissens, dass wir in so einer Situation etwas dagegen sagen müssen. Wir werden schuldig, wenn wir schweigen.

Wie erklären Sie sich die Verschärfung in der Asylpolitik?

Ich glaube es gibt keine einfachen Erklärungen. Ich könnte sagen, es ist eine generelle Tendenz zur Verschärfung der Positionen am rechten Rand. Das hat aber auch sehr viel mit Unsicherheit und Angst von Menschen zu tun, die nicht wissen, wie es in ihrer Zukunft weiter geht. Da ergibt sich also eine vielschichtige Gefühlsgemengenlagen, die dann aber auch politisch ausgenützt wird.

In Ihrer Stellungnahme steht, dass selbst die Bedürfnisse der Wirtschaft nicht mal mehr entscheidend sind für die positive Beurteilung bei der Asylsuche. Von Papst Franziskus wird die kapitalistische Wirtschaftsordnung jedoch stark kritisiert, da sie keine Gemeinschaft kennt. Besteht ihrer Meinung nach zwischen der unmenschlichen Asylpolitik und dem Kapitalismus nicht ein Zusammenhang?

Ja, natürlich besteht ein Zusammenhang. Die ursprünglichen Ursachen der Fluchtbewegungen, die wir jetzt erleben, entspringen der kapitalistischen Ausbeutung der Herkunftsländer ist. Wir müssen ja weit zurückgehen und fragen: Wieso machen sich diese Menschen auf den Weg? Niemand verlässt freiwillig seine Heimat. Das hat ja einen Grund. Da gibt es ja eine Ursache, die schon Jahre zurückliegt, um nicht zu sagen Jahrzehnte. Man schaue sich nur den beschämend niedrigen Prozentsatz an, den Österreich an Entwicklungshilfe zahlt. Wenn wir zulassen, dass große Konzerne in Afrika Boden ausbeuten, Menschen ausbeuten im Interesse einer Schein-Bio-Tendenz in diesen Ländern, die die Anpflanzung von Monokulturen zu erlauben, damit die Europäer sich gut vorkommen, weil sie Bio konsumieren. Man muss das sagen: wir ruinieren ja das reiche Afrika. Wir zerstören die Lebensgrundlage der Menschen dort. Und dann wundern wir uns, wenn sie das Land verlassen.

In der Diskussion hier geht es oft um „echte“ Flüchtlingen und solche die ja eigentlich keinen Grund zu fliehen haben. Eine Scheindiskussion?

Wenn sie zu uns kommen, sind sie unerwünschte Migranten, Wirtschaftsflüchtlinge. Ich hasse dieses Wort. Das ist so zynisch. Denn dass niemand flieht wegen der Wirtschaft, die Menschen fliehen wegen des Hungers und wegen des Terrors und wegen der Ausbeutung, aber nicht wegen der Wirtschaft.

Wie sollten ihrer Meinung nach ChristInnen mit der Asylpolitik umgehen? Und welche Rolle kann die Kirche hier spielen?

Angehörige aller Religionen sind aufgerufen, ihren Impuls zur Nächstenliebe in die Praxis umzusetzen. Die christliche Religion hat den grundsätzlichen Impuls für alle Menschen da zu sein. Denn Jesus sagt nicht, wenn du ein Christ bist, bist du mein Nächster, sondern jeder Mensch ist mein Nächster und jeder Nächste verdient meinen Respekt, meine Achtung. Es geht um unser aller Menschenwürde oder mit – jetzt sag ich das sehr biblisch – Matthäus 25, wo Jesus sagt: Was ihr dem Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan. Er setzt sich hier gleich mit jedem einzelnen Menschen. Und daher ist unser Auftrag auch, jedem Menschen so zu begegnen wie wir Jesus begegnen.

Zur Ablenkung von echten Problemen wird z.B. gerne über Verbote religiöser Symbole wie etwa das Kopftuchverbot diskutiert. Sie tragen selbst eine Kopfbedeckung zum Ausdruck ihres Glaubens. Wie sehen sie diese Debatte?

Ich bin froh, dass ich in einem Land leben kann, das mir erlaubt, meinen Schleier als Ordensfrau zu tragen. Ich drücke damit meine Berufung aus und kann so auch die Menschen an Gott erinnern. Die Debatte um das Kopftuch sehe ich mit Sorge, weil es eine Debatte um ein Symbol ist, die das eigentliche Anliegen verdeckt. Es wäre hier viel differenzierter zu argumentieren. Ein Kopftuchverbot gibt vor, die Frauen vor der Unterdrückung zu schützen, es unterdrückt aber gleichzeitig die, die eine Kopfbedeckung tragen möchten – und das sind Frauen und Männer verschiedener Religionen. Amani Abuzahra hat gerade ein Buch veröffentlich, dessen Titel das Problem prägnant formuliert: „Mehr Kopf als Tuch“ – denn es kommt nicht darauf an, was mann oder frau auf dem Kopf trägt, sondern was im Kopf drinnen ist!

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