Kurz war ich stolz, Oberösterreicherin zu sein, oder: Was Schwarz und Blau unter Kultur verstehen

In Oberösterreich zeigen ÖVP und FPÖ, was sie unter Kultur verstehen. Großevents in Kulturbunkern für den Tourismus in den Städten, normierte und normierende Heimatkultur im „ländlichen Raum“. Doch der Widerstand formiert sich, berichtet Clara Gallistl.

Nach zehn Jahren in meiner Wahlheimat Wien bin ich vergangenen Sommer in die Hauptstadt meiner Jugend Linz zurückgekehrt, um dort ein Theaterprojekt mit sozialem Anspruch zu verwirklichen. In Linz begegnete mir eine große Bereitschaft zur Zusammenarbeit, zum Teilen von Ressourcen und zur Wissensweitergabe, die ich aus Wien so gar nicht gewohnt war. Dort steigt man sich ganz gern mal versehentlich auf die Zehen, drückt Honorare, fordert wie selbstverständlich Gratis-Arbeit ein und geht auch sonst nicht immer ganz freundlich und respektvoll miteinander um.

Ich war plötzlich stolz „Linzerin“ zu sein, denn es stand für mich für Aufgeschlossenheit, Kooperationsbereitschaft und Solidarität. Zugleich erlebte ich eindrücklich, wie groß die Angst vor Buchhaltungsfehlern und Lücken in der rechtlichen Absicherung auch kleinster Projektschritte war. Man erzählte sich Geschichten aus Wels, wo Schwarz-Blau schon in Amt und Würden ist, und spekulierte über die ebenso gefärbte Zukunft Oberösterreichs. Und jetzt haben wir es – quasi – schwarz auf weiß.

Kultur wird kaputtgekürzt

Neben massiven Einschnitten im Sozial-, Bildungs- und Integrationsbereich will die schwarz-blaue Regierung auch die Kulturarbeit Oberösterreichs kaputt kürzen. Das Landeskulturbudget soll um 10 Millionen Euro reduziert werden. Der Großteil davon wird von der freien Kulturszene getragen werden müssen. Diese arbeitet ohnehin schon unterbesetzt, selbstausbeuterisch und an der Grenze zum Burn-Out.

Nehmen wir den Kulturverein Röda in Steyr als Beispiel. Dieser beschäftigt sechs Mitarbeiter_innen, die kompetent die Kulturarbeit der Region schupfen. Sie finanzieren sich durch Bund, Land und Stadt. Die neuen Einschnitte fügen sich reibungslos in die Kürzungen der vergangenen Jahre an. Derzeit erhält das Röda vom Land 43.500 Euro, von der Stadt 44.000 Euro und vom Bund 8.000 Euro jährlich. Dass das nicht viel ist, muss man nicht vorrechnen. Thomas Diesenreiter, Leiter der Kulturplattform Oberösterreich, bringt auf den Punkt, was Schwarz-Blau für bedeutet: „Sollte diese Kürzungswelle tatsächlich kommen, werden viele Kulturvereine nicht überleben.“

Kulturarbeit „am Land“

Wer „vom Land“ kommt, kann sich an die eigene Kindheit und Jugend zurückerinnern. Wieviel kulturelles Angebot gab es im Heimatort? Wohin musste man fahren, um Konzerte, Feste und andere Veranstaltungen zu erleben? Kulturvereine wie das Röda in Steyr, aber auch der Schlachthof oder das Medienkulturhaus in Wels und viele, viele andere leisten unersetzbare Kultur- und Bildungsarbeit in den Regionen. Bands wie Bilderbuch aus Kremsmünster oder Catastrophe and Cure aus Steyr, aber auch Festivals wie das Rock im Dorf in Schlierbach würde es ohne die regionale Kulturarbeit wohl nicht geben.

Man kann sogar sagen, dass regionale Kulturarbeit ein zentraler Faktor für soziale Sicherheit ist. Kulturvereine leisten Integrationsarbeit, bieten Arbeitslosen, Pensionist_innen und Jugendlichen einen Ort der solidarischen Reflexion der Gesellschaft, die sie umgibt. Niederschwelliges Kennenlernen von Neuem stärkt das Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, sich selbst kritisch wahrzunehmen. Wer diese Orte gefährdet, gefährdet auch die soziale Sicherheit im Land.

Schwarz-Blau sehen

Das Linzer Musiktheater und das neue Linzer Schauspielhaus müssen ebenfalls mit Kürzungen rechnen. Sie werden weniger Inszenierungen produzieren können und vermutlich mehr auf poppige Schlager wie „Hairspray“ setzen.

Kürzungen im Kulturbereich führen zu unpolitischer Kunst, die gefallen muss, weil sie sich den Widerstand gegen den Mainstream einfach nicht leisten kann. Und genau das will Schwarz-Blau: Kulturbunker in den Zentren, normierte und normierende Heimatkultur im „ländlichen Raum“. Nicht zufällig bleibt das „Heimatmusikwerk“, das 40 Prozent des oberösterreichischen Kunst- und Kulturetats ausmacht, von den Kürzungen unberührt. Kultur wird in der Tourismusbranche verankert und zum Augenauswischen in die Sakkotaschen geklebt.

Stolz ist das falsche Wort

Ich war stolz, dass sich in Oberösterreich so viele kompetente, freundliche und kritische Leute in der Kunst- und Kulturarbeit tummeln. Stolz ist aber vielleicht das falsche Wort. Jetzt, wo ich sehe, wie meine Branche von der rechts-konservativen Politik angegriffen wird, fühle ich klarer, welche Empfindung das ist. Ich empfinde Solidarität.

Und ich empfinde eine sehr große, stille Freude, die man vielleicht schon Stolz nennen kann, dass auf „meiner Seite“ Menschen wie Thomas Diesenreiter, Wiltrud Hackl, Christine Dollhofer, Victoria Schuster, Florian Walter, Gabriele Gerbasits, Edith Huemer, Texta, Attwenger, Angelika Niedetzky, Lisa Neuhuber, Severin Mayr, Klaus Wallinger, Jutta Skokan, Dominika Meinl und viele, viele mehr stehen.

Sie alle organisieren und unterstützen die Initiative „Kulturland retten“. In Oberösterreich ist die Rechnung zwar schon gemacht, aber sie ist nur eine Zwischenrechnung. Gemeinsam können wir das schaffen. Das Kulturland Oberösterreich wird Schwarz-Blau überleben. Nicht unbeschadet, aber immerhin mit pulsierendem Herzen am richtigen Fleck.

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