What You Gonna Do When The World’s On Fire? Die Plünderung von New Orleans

Mit dem Film „What You Gonna Do When The World’s On Fire?“ von Roberto Minervini läuft diese Woche der vielleicht spannendste Film der vergangenen Viennale im Kino an. Doch es geht nicht um den brennenden Amazonas. Im Mittelpunkt steht New Orleans, gut zehn Jahre nach Hurrikan Katrina, wo Rassismus, Polizeigewalt und steigende Mieten den Alltag bestimmen.

Ein „eigenwilliger Filmemacher“ sei er, einer der „an den sogenannten ‚Erniedrigten und Beleidigten‘ interessiert ist“. So beschrieb eine Ankündigung Roberto Minervini auf der letztjährigen Viennale. Dem Italiener wurde dort sogar ein Schwerpunkt gewidmet. Das zeigt nicht zuletzt sein Film „What You Gonna Do When The World‘s On Fire?“ und dessen Entstehungsgeschichte.

Anders als geplant

Wollte Minervini ursprünglich einen Film über die Enteignung schwarzer Musik im Süden der USA drehen, entschied er sich schließlich anders. Als regelmäßiger Gast in der Musikbar einer der späteren Hauptprotagonistinnen seines Films, kam er bald von seinem ursprünglichen Thema ab. Denn die Alltagssorgen der Menschen, denen er in New Orleans begegnete, waren doch ganz andere.

„Mir wurde bald klar, dass die meisten Leute die ich getroffen habe, von zwei Ereignissen in Lousianas neuerer Geschichte stark betroffen waren: Hurrikan Katrina (2005) und der Tötung von Alton Sterling (2016). Beide Ereignisse sind die Folge von institutionalisierter Fahrlässigkeit, einer sozioökonomischen Schere zwischen reich und arm und stark verwurzeltem Rassismus. Angetrieben von Wut und Angst wollten die Leute die Gelegenheit bekommen ihre Geschichten klar und deutlich zu erzählen“, kommentierte Minervini seinen Film, im Zuge der Präsentation am Filmfestival in Venedig.

What you gonna do…

Während der Titel des Films noch eine musikalische Referenz auf ein Spirtual aus dem 19. Jahrhundert ist, begleitet Roberto Minervini mehrere Protagonist_innen in deren Alltag durch ärmere Wohnviertel von New Orleans. So streift der Film mit einem Brüderpaar im Schulalter durch die Stadt, begleitet Aktivist_innen der stark umstrittenen New Black Panther Party bei Hausbesuchen in der Nachbarschaft oder Protesten gegen Polizeigewalt. Und dann ist da noch Judy Hill, die im Fokus des Films steht. Sie betreibt auch im Film eine Musikbar, die wegen steigender Mieten in ihrer Existenz gefährdet ist.

New Orleans nach Katerina

In der Diskussion um Gentrifizierung ist New Orleans dabei eines der deutlichsten Beispiele für die Verdrängung von ärmeren Bevölkerungsschichten aus ihren Wohngegenden – eine Folge der Verwüstungen von Hurrikan Katrina 2005. Der Tropensturm kostete mehr als 1.800 Menschen das Leben. Brüche im Deichsystem führten dazu, dass bis zu 80 Prozent des Stadtgebietes sieben Meter und mehr unter Wasser standen.

Im Zuge des Wiederaufbaus entschied sich die Stadt, die Besiedlungsdichte in den sozial schwachen Wohngebieten zu senken. Beschädigte Häuser wurden nicht wieder aufgebaut, sondern ganz abgerissen. An diesen Stellen entstand stattdessen Wohnraum für wohlhabendere Mieterschichten. Das auch, um die Stadt für Tourist_innen attraktiver zu machen. Eine Folge davon: Die Mieten stiegen innerhalb von wenigen Jahren in manchen Gegenden um mehr als 50 Prozent und führten dazu, dass ärmere Bewohner_innen aus der Stadt wegziehen mussten oder nach dem Hurrikan erst gar nicht mehr in ihre alten Wohngegenden zurückkehren konnten.

Verschwimmende Grenzen

Stilistisch verwendet „What You Gonna Do When The World’s On Fire?“ eine markante Bildsprache, die an den italienischen Neorealismus erinnert. Der Neorealismus war eine einflussreiche filmische Strömung ab 1943 bis Mitte der fünfziger Jahre in Italien. Dem als zu künstlich und beschönigenden Hollywoodkino der Zeit setzten Vertreter_innen des Neorealismus die möglichst ungeschönte, soziale Realität der Kriegs- und Nachkriegszeit entgegen. Der Dreh an Originalschauplätzen – Armenviertel, Hinterhöfe, ehemalige Kriegsschauplätze – sowie der Einsatz von Laiendarsteller_innen – die sich oftmals selber spielen – sollte einen möglichst realistischen Eindruck verstärken. Vom Marxismus beeinflusst, standen viele der Regisseure der kommunistischen Partei Italiens nahe.

Auch im Minervinis Film verschwimmen die Grenzen zwischen Dokumentar- und Spielfilm ganz bewusst. Die in schwarzweiß gehaltenen Bilder sowie der Einsatz von Laiendarsteller_innen verstärken diesen Effekt. Zudem hat Minervini die Lebensgeschichten seiner Darsteller_innen in das Drehbuch stark einfließen lassen oder diese spielen sich überhaupt selbst.

Kinostart im Stadtkino

Nach zahlreichen Preisen für seinen Film, allen voran am Filmfestival Venedig aber auch auf der Viennale 2018, kommt „What You Gonna Do When The World’s On Fire?“ nun auch bei uns ins Kino. Zum Auftakt wird der Regisseur Roberto Minervini im Stadtkino zu Gast und wird nach dem Film für ein Gespräch zur Verfügung stehen. Nicht entgehen lassen!

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