Der 1. Mai – Neoliberaler Kürzungspolitik die Stirn bieten

 

Heute ist der 1.Mai 2015, der Tag der Arbeit. In zahlreichen Städten gehen tausende Menschen auf die Straßen, denn es ist jener Tag, an dem Arbeiter_innen, Ausgebeutete und Unterdrückte auf ihre Sorgen Aufmerksam machen und für eine gerechtere Welt eintreten. Ein passender Tag also, um auf die Probleme und Auswege in der Gegenwart nachzudenken. Eine erste Antwort finden wir in Athen.

Seit Jahrzehnten wütet die Zerstörungswut des Neoliberalismus durch Europa und seine Jünger_innen werden nicht müde zu betonen, was für sie der alleinige Ausweg aus den aktuellen Problemen Europas ist: Sparen. Wir sollen sparen, weil wir über unsere Verhältnisse gelebt haben. Wir sollen sparen, weil das Unternehmen unseren Lohn nicht mehr zahlen kann. Der Staat soll sparen, weil er sich den Sozialstaat nicht mehr leisten kann. Alle sollen sparen. Doch die Reichen müssen sich darüber keine Sorgen machen.

Arme werden ärmer – Reiche immer reicher: die wahre Enteignung

Die Realität der Armen und der Mittelschicht war in den letzten Jahren eine traurige: Abertausende an Arbeitsplätzen wurden vernichtet, ein Niedriglohnsektor wurde aus dem Boden gestampft, Prekariat zu einem bekannten Begriff, Arbeitsrechte wurden abgebaut. Gewerkschaften wurden entweder entmachtet oder verkamen zu einem Apparat, der nur noch die Interessen der eigenen Führung kannte. Die Realität der Reichen ist ebenso klar in wenigen Worten zu fassen: Vermögen wurde von Jahr zu Jahr mehr, Erbschaftssteuern abgeschafft und Milliarden an Steuergeldern wurden gefunden, wenn es um die Rettung der Banken ging.

Diese Ungleichheit ist einfach erklärt, denn gerade in der nüchternen Betrachtung liegt die grausame Realität: Mit Beginn der Krisenpolitik stand für die Mehrheit der Bevölkerung Lohnkürzungen auf der Tagesordnung. Trotzdem nahm die Zahl der Millionäre (!) in Österreich seit dem Beginn der Krise massiv zu. Dazu kommt ein enormer Vermögenszuwachs: Die ärmsten 99 Prozent der Bevölkerung besitzen 62.43 Prozent des gesellschaftlichen Vermögens. Umgekehrt verfügen das reichste ein Prozent über 37 Prozent des Vermögens. Allein das Privatvermögen des reichsten ein Prozent ist zweieinhalb mal größer als die gesamten Staatsschulden Österreichs.

Die Krisenpolitik folgte einer einfach gestrickten Logik: Durch Sozialabbau, Lohnsenkungen und Privatisierungen wurde der große Teil der Bevölkerung zur Kassa gebeten. Doch dieses Geld landete nicht dort, wo es hingehört, sondern wurde jenen genommen, die es dringend benötigten. Sein Ziel fand es in den Banken, die durch ihre wahnwitzigen Spekulationen gerettet werden mussten. Der Witz an der Sache: Jene, die die Krise verursachten, konnten dabei noch ordentlich abkassieren. In diesem Licht sollten wir einmal ernsthaft darüber diskutieren, wer hier tatsächlich enteignet wurde: Gerade jene Eliten, die in jeder aufkommenden Reichensteuer eine Enteignung sehen, betrieben Jahrzehnte lang nichts anderes als eiskalten Diebstahl.

Konservative und ihnen brav folgende sozialdemokratische Regierungen wandelten Österreich und Europa zu einer Oase der Gier um. Damit Arbeiter_innen, Angestellte und Arme daran wenig auszusetzen haben, taten die aufkommenden rechten und rechtsextremen Bewegungen ihr übriges: Anstatt auf die massive soziale Ungerechtigkeit hinzuweisen, wurde Rassismus und Hass geschürt. Muslim_innen werden als Terrorist_innen abgestempelt, Feminist_innen wird die eigene Sinnlosigkeit erklärt, Antisemitismus erlebt eine neue Blütezeit. Ausgerechnet der EU wurde der Friedensnobelpreis verliehen, während an den Grenzen Europas tausende Menschen sterben. Wo war die Sozialdemokratie, was hat sie getan? Sie stand und steht nicht nur tatenlos daneben, ganz im Gegenteil, befeuerte sie geradezu diese Politik. Ihren eigenen Wähler_innen wurde erklärt, dass es so etwas wie eine Arbeiter_innenklasse gar nicht mehr gäbe. „Wir sind alle Mittelstand“ war das Motto. Dabei verloren Arbeiter_innen nicht ihre Bedeutung, sie wurde ihnen mit brachialer Gewalt genommen. Die Sozialdemokratie muss sich heute und in kommender Zeit folgende Frage stellen: Wird sie sich auf die Seite der aufkommenden Linksparteien stellen und die konservative Zerstörungswut beenden? Kämpft sie Seite an Seite um eine mit den Linksparteien um eine linke Hegemonie oder betätigt sie sich weiter als Handlangerin der katastrophalen Kürzungspolitik?

In den Trümmern liegt die Hoffnung: Der Ruf der Freiheit hallt aus Athen

Nach Jahrzehnten der Hoffnungslosigkeit, in denen die Konservativen und Rechten ohne Wenn und Aber die Interessen der Reichen und Eliten erfüllen konnten, war es Griechenland, das eine Alternative aufzeigte. Mit dem Wahlsieg von Syriza wurde eine linke Regierung an die Macht gewählt, deren erklärtes Ziel das Ende der europäischen Kürzungspolitik war und ist. Doch so wichtig der Sieg von Syriza auch war, so ernüchternd ist die aktuelle Situation. Weniger, weil Syriza ihre Versprechen gebrochen hat, sondern weil die Mächtigen in Europa alles dafür tun, Syriza scheitern zu lassen. Jeder Versuch, die Politik der Troika zu beenden, jeder Vorschlag, nachhaltig die griechische Wirtschaft wieder aufzubauen, hat als Reaktion eine massive Lügenpropaganda, die quer durch die europäische Medienlandschaft verläuft. Die Debatte um Griechenland zeigt uns, dass die Mächtigen Angst haben und diese Angst sie dazu verleitet, mit allen Mittel den Wiederstand im Keim zu ersticken.

In den vergangenen Monaten ist es den Herrschenden gelungen, die griechische Linksregierung auf das technokratische Terrain der Eurogruppe zu zerren. Das hat auch in der Linken die Begeisterungsfähigkeit für das griechische Experiment beschränkt. Jetzt besteht aber die Chance, die Initiative zurückzugewinnen: Vergangenen Montag erklärte Tsipras, dass die Regierung ein Referendum abhalten wird, wenn kein Ende der Kürzungspolitik vereinbart werden könne. Die Medien warnen bereits „Tsipras droht mit Referendum“. Und so zynisch es scheinen mag, ein demokratisches Verfahren als Bedrohung zu bezeichnen, so recht haben doch die Herrschenden in ihrer Angst. Gelingt es Syriza nicht, einen akzeptablen Kompromiss mit der Eurogruppe auszuhandeln, wird die Auseinandersetzung aus der Eurogruppe zurück auf die Straße und an die Wahlurne gebracht. Dort sieht die Sache dann schon wieder ganz anders aus, als hinter den verschlossenen Türen der Eurogruppe.

Als Linke in Europa und anderswo müssen wir jetzt unsere Verunsicherung und unsere Lethargie in Bezug auf Griechenland wieder überwinden. Nutzen wir den 1. Mai und alle kommenden Tage um der griechischen Linken den Rücken zu stärken, bereiten wir uns auf die kommenden Auseinandersetzungen vor. Denn wenn es in Griechenland gelingt, dann kann es überall gelingen.

Christoph Altenburger studiert Deutsch und Philosophie auf Lehramt an der Uni Wien. Für den Verband Sozialistischer Student_innen sitzt er im Sozialreferat der Österreichischen HochschülerInnenschaft. Außerdem ist er in der Offensive gegen Rechts Burgenland aktiv und Redakteur bei mosaik.

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