Seit fast einem Jahrzehnt zwingen die Eliten, also all jene, die im globalen Kapitalismus bestimmen und von ihm profitieren, den Menschen eine beispiellose Kürzungspolitik auf. Sie nennen das Politik der ausgeglichenen Budgets, aber in Wahrheit ist es die Demontage unserer sozialen, wirtschaftlichen und demokratischen Rechte. Es ist ein simples, aber höchst effektives Projekt ihre Macht und ihren Reichtum zu erhalten und zu vergrößern. Vor diesem Hintergrund gilt es NEIN zu sagen, zu einer hoffnungslosen Zukunft.
Unsere PolitikerInnen, die für die Rechte der Menschen kämpfen sollten, haben sich vor langer Zeit schon mit diesen Eliten arrangiert und sind selbst Teil von ihnen. Sie bekommen ihre hoch bezahlten Jobs und als Gegenleistung wird nur ihre stille und ergebene Gefolgschaft verlangt. Daneben stehen die Menschen, beraubt ihrer politischen Vertretung, ohnmächtig und ungläubig als ZuschauerInnen am Rande des Geschehens. Sie fühlen sich machtlos in Anbetracht der Komplexität und Geschwindigkeit der sich verändernden Realität.
Wir haben vergessen zu kämpfen
Aber nur machtlos, weil wir vergessen haben, wie wir zu unsere sozialen und demokratischen Errungenschaften kamen. Frieden, soziale Sicherheit, faire Löhne, öffentliche Pensionen und vieles mehr, waren nie Geschenke der Eliten. Einfache Menschen haben für diese Erfolge auf den Straßen, in den Unternehmen, in Parteien und den Parlamenten gekämpft. Unseren Wohlstand haben wir auf ihren Schultern gebaut, doch anstatt weiter zu kämpfen für mehr oder nur um das Erreichte zu erhalten haben wir das vermeintlich gute Leben genossen. Die Eliten waren nicht so faul und begannen sofort mit dem Gegenangriff. Heute, nach Jahren neoliberaler Politik, bekommen wir die Rechnung für unsere Bequemlichkeit: Wir zahlen ihre Krise!
Die Menschen Europas fühlen und wissen, dass wir uns in die falsche Richtung bewegen. Weg von Gleichheit, Freiheit und Solidarität oder einfachster Menschlichkeit. In ihrer Verzweiflung, Angst und Hoffnung nach Veränderung wenden sich viele zu den Rechten, die vermeintlich letzte glaubwürdige Hoffnung gegen dieses System, ohne dabei zu merken, dass deren wahre Ideologie für noch viel mehr Hass, Elitismus und Kälte steht. Doch es gibt auch eine andere Antwort. In Griechenland, Spanien, Irland und an vielen anderen Orten beginnen die Menschen sich auf der Straße und in den Parlamenten zu wehren und soziale Alternativen zu formulieren.
Panik vor den Alternativen
In Griechenland, wie in kaum einem anderen europäischen Land, hatten die Menschen eine Alternative: Syriza. Eine Bewegung, Partei und Netzwerk, das nicht Teil der Eliten ist. Die Menschen haben diese Chance, mit dem nicht funktionierenden System zu brechen, wahrgenommen. Syriza hat die vorgezogenen Parlamentswahlen im Januar 2015 haushoch gewonnen und hat seither versucht, den Kurs der Geschichte zu ändern. Die Panik war den Eliten und der europäischen Politkaste ins Gesicht geschrieben. Wo würden wir denn hinkommen, wenn die Menschen auf einmal neue Parteien gründen und diese die Macht übernehmen? Ein Exempel musste statuiert werden.
Seit dem Tag der Wahlen setzten die Troika, die Medien und die europäische Politik alles Erdenkliche daran, die Wahl der GriechInnen zu diskreditieren und die neue griechische Regierung zu zwingen, mit der Politik fortzufahren, für deren Ende sie gewählt wurde.
Nach fünf Monaten von Druck, Desinformation und Erpressung durch die Troika, die demokratisch nicht legitimierten Institutionen, ist klar, dass sie nie ein Interesse an Verhandlungen hatten. Es war immer nur ein Machtkampf mit den Eliten auf der einen und den Menschen auf der anderen Seite. Die Eliten haben eine klare Warnung an die Menschen ausgesprochen: Hinterfragt das politische und wirtschaftliche System nicht. Wagt ihr es doch, werden wir euch vernichten.
Kein Schritt zurück
Doch trotz allen Drucks und Drohung hat Syriza nicht nachgegeben. Die Angebote der Troika hätten die roten Linien der griechischen Regierung, für die sie gewählt wurden überschritten. Sie final abzulehnen mit den damit verbundenen Auswirkungen und einem möglichen Austritt aus der Eurozone, hätte ihr Mandat ebenfalls überschritten. Die einzig richtige und ehrliche Konsequenz darauf, war das Referendum
Wenn die GriechInnen nach so vielen Jahren des Leidens und der Demütigung sich noch immer nicht stark genug fühlen „Nein“ zu sagen, kann das auch keine Regierung für sie tun. Aber wenn die Menschen alle ihre Ängste für einen Moment zur Seite stellen und nicht mehr bereit sind ihre Wirtschaft und ihre Gesellschaft kaputt zu kürzen, dann kann die Austerität enden. Es wird kein einfacher Weg, aber ist der einzige, bei dem die Zukunft nicht schon vorbestimmt ist.
Am Sonntag werden die GriechInnen ihre Entscheidung treffen. Alle Menschen in Europa, die sich nach Veränderung sehnen, hoffen, dass die GriechInnen den Mut haben, das zu tun, für das wir zu feig sind. Noch.
Fayad Mulla engagiert sich für internationale Entwicklungszusammenarbeit und ist Vorsitzender von Der Wandel. Seine inhaltlichen Schwerpunkte sind Verteilungsgerechtigkeit sowie Fragen zur Zukunft der Arbeit.