Muttertag: Blumen und Gedichte sind zu wenig

Damit der Muttertag seinem Namen gerecht werden könnte, müsste man über patriarchale Ungerechtigkeiten und alternative Familienkonzepte reden. So lang das nicht passiert, bringt der Tag nichts, schreibt Julia Prassl. Einmal im Jahr nett zur Mama sein reicht eben nicht. 

Männer bringen Frühstück ans Bett, die Kinder basteln in der Schule fleißig und sagen selbstgeschriebene Gedichte auf: Am zweiten Sonntag im Mai ist in Österreich Muttertag. Oft nehmen Kinder den Müttern auch „ihre“ Aufgaben ab – vom Kochen bis hin zum Planen von Familienausflügen. Das mag nett gemeint sein. Mehr Wertschätzung für die Arbeit von Müttern ist auch notwendig. Aber reichen tut all das noch lange nicht.

Gleichzeitig wird damit nämlich die Vorstellung bestärkt, dass die Arbeit im Haushalt und für die Familie eigentlich die Aufgabe der Mutter sei – und die Beteiligung von anderen Familienmitgliedern ein bloßer Gefallen.

Am Muttertag andere Mutter-Rollen ansprechen

Müttern werden in unserer Gesellschaft viele Probleme bereitet. Doppelbelastung durch unbezahlte Arbeit, Abhängigkeit vom Partner und Altersarmut von Frauen – all diese Ungerechtigkeiten bleiben oft unsichtbar. Gerade am Muttertag müssen sie benannt und bekämpft werden.

Das „Danke“ und die Blumen sind zu wenig. Was es heißt, Mutter zu sein, und welche Erwartungen damit einhergehen, ist nichts Natürliches. Es hängt von den gesellschaftlichen Kämpfen ab, die wir führen. Je nachdem, ob und wie stark sich Frauen und Mütter organisieren und für ihre Rechte einstehen, kann sich die Rolle von Müttern verändern. Wir sollten den Muttertag als Linke weder ignorieren noch verteufeln. Vielmehr sollten wir ihn als Anlass begreifen, um die realen Ungerechtigkeiten klar zu benennen und darüber zu sprechen, wie Mutter-Sein anders sein könnte.

Mehr unbezahlte, weniger bezahlte Arbeit

Anstatt Mütter am Muttertag zu Heiligen zu erklären, sollten wir über die tatsächlichen Belastungen sprechen, denen sie ausgesetzt sind. In Österreich verrichten Frauen – egal ob sie Kinder haben oder nicht – mit vier Stunden täglich doppelt so viel unbezahlte Hausarbeit wie Männer. Unter dieser Belastung zuhause kann die Erwerbsarbeit leiden. Wenn Hausarbeit, Pflege oder Kinderbetreuung zu viel Zeit in Anspruch nehmen, geht sich eine Vollzeitanstellung einfach nicht mehr aus. 47 Prozent aller Frauen arbeiteten in Österreich laut Statistik Austria 2019 in Teilzeit.

Bei Frauen, die betreuungspflichtige Kinder haben, ist die Zahl noch höher – es arbeiten fast drei Viertel (73,6 Prozent) der Mütter in Teilzeit. Im Vergleich dazu waren es im selben Jahr nur knapp elf Prozent aller erwerbstätigen Männer. Die meisten Frauen gaben als Grund für ihre Teilzeitanstellung tatsächlich an, sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern zu müssen. Bei Männern waren häufige Gründe hingegen der Wunsch nach mehr Freizeit oder einem zweiten wirtschaftlichen Standbein.

Das heikle K-Wort

Frauen arbeiten nicht weniger. Ein großer Teil der Arbeit, die sie leisten, ist unbezahlt und dadurch unsichtbar. Für durchschnittlich längere Arbeitstage bekommen Frauen am Ende weniger Geld. Jene Frauen, die in (heterosexuellen) Beziehungen leben, werden damit häufig in die finanzielle Abhängigkeit vom Partner gedrängt. Für alleinerziehende Mütter führt die Doppelbelastung häufig zu finanziell prekären Lebenslagen und einem größeren Armutsrisiko.

Eine Politik, die Sozialleistungen kürzt, trägt Mitschuld daran, wenn jede vierte Frau im Alter in die Armut abrutscht. Und: auch wenn wir das Wort „Karriere“ ungern in den Mund nehmen, müssen wir auch thematisieren, dass Frauenkarrieren stark vom gängigen Mutter-Bild beeinflusst werden. Die Erwartung, dass Frauen Kinder bekommen und sie über längere Zeit zuhause betreuen, geht so weit, dass sie in Bewerbungsgesprächen über die Einstellung oder Nicht-Einstellung entscheiden kann. Und das, obwohl zu jedem Kind irgendwo auch ein Miterzeuger gehört – an den aber nicht die gleichen Erwartungen gerichtet werden.

Nur halb so viel Pension wie Männer

Anstatt Frauen nicht mit der Geburt des ersten Kindes in ihrer Selbstbestimmtheit einzuschränken, hält man sie von der Lohnarbeit fern und stellt sie damit im Alter vor die Wahl: finanzielle Abhängigkeit vom Mann oder Armut. In unserem leistungsbezogenen Pensionssystem sind Frauen ganz klar benachteiligt. Im Durchschnitt erhalten sie nur halb so hohe Pensionen wie Männer. 2018 erhielten Männer im Median laut Statistik Austria monatlich 1.953 brutto, Frauen hingegen nur 982 Euro.

Nicht nur leisten viele Frauen also ein Leben lang anstrengende, unbezahlte Arbeit, sie müssen im Alter um ihre Existenz kämpfen: Weil sie lange in Teilzeit gearbeitet haben, Frauengehälter geringer sind oder es sogenannte „Lücken“ in der Erwerbsbiographie aufgrund von Kinderbetreuungszeiten gibt. 26 Prozent der alleinlebenden Pensionistinnen sind armutsgefährdet – bei den alleinlebenden Pensionisten sind es 15 Prozent.

Kleine Verbesserungen und große Utopien

Erste Forderungen, die die Schieflage lindern könnten, sind höhere Berechnungsgrundlagen für Kinderbetreuungszeiten („Versicherungszeiten“), damit Kindererziehung keine „Lücke“ im Pensionskonto darstellt. Gleichzeitig braucht es endlich gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Auch wenn es viele Entscheidungskriterien dafür gibt, wer nach der Geburt eines Kindes in Karenz geht, wird die Entscheidung oft aufgrund des niedrigeren Einkommens der Frauen getroffen, um finanzielle Einbußen so gering wie möglich zu halten. Damit Frauen nach der Karenz nicht in die Teilzeit gedrängt werden, weil auch ältere Kinder noch Betreuung brauchen, müssen Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen ausgebaut werden – vor allem am Land, wo die Verfügbarkeit von Kinderbetreuung extrem zu wünschen übrig lässt, und insbesondere Alleinerzieherinnen oft vor enorme Schwierigkeiten stellt.

Gleichzeitig ist klar: Gesamtgesellschaftlich kann es uns nicht darum gehen, dass Frauen so schnell wie möglich wieder dem Arbeitsmarkt unterworfen werden. Es kann als Feministinnen (und als Linke) nicht unser Ziel sein, dass Frauen sich genauso viel ausbeuten lassen dürfen wie Männer. Damit gäbe es zwar eine gewisse Gleichheit, die es jetzt nicht gibt. Wir wollen aber nicht darauf hinarbeiten, dass die bestehende Ausbeutung etwas gerechter verteilt wird. Stattdessen muss es darum gehen, die Gesellschaft grundlegend zu verändern und Utopien zu entwickeln, wie wir das Leben für alle verbessern können. Ein Schritt dazu könnte eine Arbeitszeitverkürzung für alle sein, die auch die Voraussetzungen für eine gerechtere Verteilung von Hausarbeit und Kinderbetreuung erleichtern würde.

Von Kinderläden und kollektivierter Hausarbeit

All das ist keineswegs ein neues Thema. Der Sozialist August Bebel kritisierte die unfaire Verteilung von unbezahlter Arbeit schon 1879 in seinem Buch „Die Frau und der Sozialismus“ und schlägt als Antwort darauf die Kollektivierung der Hausarbeit in Form von Zentralküchen, Wäschereien und Putzereien vor. Statt die Verteilung der Arbeit im Haushalt zu einem privaten, innerfamiliären Problem zu erklären, wäre sie eine gesellschaftliche Aufgabe und würde einiges der Last, die Frauen tragen, wegnehmen.

Andere Vorstellungen von Kinderbetreuung entstanden auch in der 68er-Bewegung. Statt Eltern nur für Erwerbstätigkeit freizuspielen, sollten die sogenannten „Kinderläden“ auch ein Mittel zur Veränderung von Gesellschaft sein. Erziehungsfragen wurden damit nicht mehr nur als Frauenpolitik begriffen. Die gemeinsame Kindererziehung sollte einzelne Mütter entlasten, um ihnen die Möglichkeit zu bieten, sich an politischen Debatten beteiligen zu können. Und die Kinder sollten in Kinderläden zu freieren und selbstbestimmteren Menschen erzogen werden. Die Frauen, die damals die Kinderläden aufgebaut haben, haben einiges ausprobiert. Am Ende müssen wir heute sagen: Trotz der guten Grundidee reichte das nicht, um Gesellschaft nachhaltig zu verändern.

Zum feministischen Kampftag

Was bleibt ist die Vision einer befreiten Gesellschaft, in der es keine Hürden für Frauen gibt, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. In der Mutter-Sein keine Nachteile bringt und auch nicht bedeutet, sich selbstlos aufopfern zu müssen. In der Kindererziehung eine gemeinsame Aufgabe ist. Und in der das nötige Übel der Hausarbeit weitgehend gesellschaftlich gelöst, und die Reste fair verteilt sind.

Am Muttertag müssen wir über ungleiche Bezahlung, unfaire Verteilung von Hausarbeit und Altersarmut von Frauen sprechen. Wir müssen das gesellschaftliche Ideal der Mutter hinterfragen und selbst mit alternativen Vorschlägen vorangehen. Als Linke sollten wir den Muttertag zu einem feministischen Kampftag machen. Wir wollen die beste aller möglichen Welten für unsere Mütter. Dafür braucht es mehr als ein „Danke“ oder gönnerhafte Gesten von RegierungspolitikerInnen. Es braucht Kritik an den bestehenden Geschlechterverhältnissen und der kapitalistischen Ausbeutung.

Hörhinweis: In der aktuellen Folge des Podcasts „Kein Katzenjammer“ der Jungen Linken steht der Muttertag auch im Mittelpunkt.

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