Moria: Die Brandstifter sind die Regierungen

Seit Mittwoch brennt es in Moria. Es ist irrelevant, wer das Feuer genau gelegt hat. Wichtig ist, dass die Zustände in dem Geflüchtetenlager schon seit Jahren nicht mehr hinnehmbar sind. Und die EU und ihre Mitgliedsstaaten dafür die Verantwortung tragen, schreibt Katerina Anastasiou.

Es ist nicht klar, wer das Feuer in Moria gelegt hat. Es gibt Aufnahmen, die nahe legen, dass es die Folge von Aufständen der Geflüchteten waren. Andere glauben, dass es Nazis waren, die das Lager in Brand stecken wollten. Es wird Monate dauern, bis der Fall aufgeklärt ist, vielleicht sogar Jahre.

Ein Viertel mit Suizidgedanken

Aber es ist eigentlich egal, wer das Feuer gelegt hat. Die wahren Brandstifter waren die Herrschenden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Situation völlig eskaliert. Und es muss allen Beteiligten, allen voran der EU und den Regierungen, klar gewesen sein, dass sich in Moria eine humanitäre Katastrophe abspielt. Seit März fordern Internationale Organisationen zum Beispiel Ärzte ohne Grenzen, vehement die komplette Evakuierung des Lagers. Es ist Irrsinn, dass das trotz der Corona-Pandemie nicht passiert ist. Doch schon davor war die Situation nicht hinnehmbar. Ein Team von Ärzte ohne Grenzen erklärte im September 2018, dass ein Viertel der von ihnen beobachteten Jugendlichen im Lager, sich selbst verletzt hatte, Suizidgedanken hatte oder bereits einen Suizidversuch hinter sich hatten.

Trotzdem die Regierungen taten nichts, niemand wurde evakuiert. Sie entschieden sich für einen anderen Weg. Während der Lockdown für die griechische Bevölkerung im Mai aufgehoben wurden, verlängerte die griechische Regierung ihn für die Geflüchteten in Moria immer länger – und das unter den vollkommen menschenunwürdigen Bedingungen des Lagers. Sie durften das Lager, anders als davor, gar nicht mehr verlassen. Auch das machte einen Ausbruch von Corona unvermeidlich. Auf eine Toilette kommen im Lager 210 Geflüchtete, auf eine Dusche 630, berichtete der Guardian Ende Mai. „Social Distancing“ war schlicht und ergreifend nicht möglich.

Isolationshaft

In den Tagen vor dem Brand haben die Fälle nun dramatisch zugenommen. Zu besseren Schutzmaßnahmen führte das nicht. Jene 35 Infizierte, die zuletzt positiv getestet wurden, mussten sich gemeinsam mit ihren Familien isolieren. Sie wurden in einen eigenen Trakt gesperrt. Die Familienmitglieder waren nicht positiv getestet.

Die Angst im Lager hat eine Qualität, sie ist keineswegs neu. Schon im Februar gab es Proteste gegen ein neues Lager auf der Insel Lesbos. Während auch linke InselbewohnerInnen damals demonstrierten, gegen die Lager und die Situation der Menschen in ihnen, gingen Rechtsextreme auf die Straße, um ihrem Rassismus freien Lauf zu lassen. Auch Identitäre aus Österreich und Deutschland waren vor Ort. Sie attackierten Geflüchtete und Menschen, die in Soli-Gruppen in Lager arbeiteten. Sie alle fürchten sich seit Februar, dass sich diese Geschehnisse wiederholen.

Öl ins Feuer

Damals schritt die Polizei ein, um die Rechten vom Lager fernzuhalten. Doch sie hat die Zustände im Lager nicht verbessert. Es ist lediglich ihre Aufgabe, die Situation im Griff zu behalten und den Status Quo abzusichern. Als es im Winter zu Protesten der Geflüchteten kam und sie außerhalb des Lagers demonstrierten, drängte sie eine Sondereinheit aus Athen wieder zurück dorthin, mit Tränengas und Schlagstöcken. Und in den vergangenen Nächten, als die Feuer ausbrachen und sich Geflüchtete daran machten zu fliehen, war es die Polizei, die mit Tränengas und Barrikaden versuchte, sie wieder zurück in Richtung Lager zu treiben.

Die Worte der europäischen Regierungen, die die Vorgänge in Moria bedauern, sind zynisch und vollkommen leer und sie gießen wortwörtlich Öl ins Feuer. Solange das Lager nicht evakuiert wird, wird es dort weiterbrennen.

Veranstaltungshinweis: Am Freitag, dem 11. September, findet um 17:00 in Wien die Demo „Das ist Moria. Das ist Mord“ statt. Sie beginnt am Ballhausplatz und zieht zum Haus der Europäischen Union.

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