Mindestsicherung Neu: Rassistische Politik gegen die Armen

Am Mittwoch stellten ÖVP und FPÖ die „Mindestsicherung Neu“ vor. Die geplante Neuregelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) findet ganz im Sinne der Unternehmer statt. Erklärtes Ziel von Schwarz-Blau ist, durch das neue Modell eine größere „Treffsicherheit“ und damit für mehr „Arbeitsanreize“ zu sorgen. Ein Kommentar von Rainer Hackauf.

Wenn man kürzt, dann treibt man die Leute wieder auf den Arbeitsmarkt. So lautet die Denkweise der Bundesregierung bei der Reform der Mindestsicherung. Bei der Umsetzung verfolgt Schwarz-Blau eine bekannte Strategie der Spaltung, wie sie etwa auch bei der Arbeitsmarktpolitik  sichtbar wurde. Durch gezielte Kürzungen bei ausgewählten Gruppen sollen größere Proteste vermieden werden. Große VerliererInnen der neuen Mindestsicherung werden Mehrkindfamilien sein und Menschen mit geringen Deutschkenntnissen.

Rassismus treibender Motor der neuen BMS

Für Einzelpersonen sieht die BMS nunmehr einen Höchstbetrag von 863 Euro vor, bei Paaren maximal 1.208 Euro. BezieherInnen mit schlechten Deutschkenntnissen sollen ein Drittel weniger bekommen.

Durch Gerichtsurteile aus der jüngeren Vergangenheit wurde zwar festgestellt, dass ÖsterreicherInnen und Asylberechtigte gleich behandelt werden müssen. Da die Regierung in Fragen rassistischer Ausschlüsse recht kreativ ist, hat sich Schwarz-Blau nun etwas Neues einfallen lassen. Personen die nicht ausreichend Deutsch sprechen, werden in Zukunft mit Kürzungen von 300 Euro rechnen müssen. Klar ist, dass man davon in Österreich nicht leben kann, diese Leute also in die Kriminalität oder undokumentierte Arbeit getrieben werden. Zynisch ist zudem, dass Schwarz-Blau bei Sprachkursen massiv gekürzt hat. Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, bringt es auf den Punkt: „Die Regierung will mit dem Thema Mindestsicherung offensichtlich Stimmung gegen Geflüchtete machen.“

Steigende Kinderarmut

Rund ein Drittel – 81.300 an der Zahl – der Mindestsicherungsbezieher_innen sind Kinder. Besonders starke Einschnitte bedeuten die Regierungspläne für Mehrkindfamilien. Für das erste Kind gibt es künftig rund 215 Euro monatlich, für das zweite 173 und ab dem dritten nur noch 43 Euro, wie die Volkshilfe vorrechnet. Die Regierung will damit Anreize schaffen, um Eltern aus der „sozialen Hängematte“ wieder in die Arbeit zu zwingen. Treffen wird es real aber die Kinder. Die Kinderarmut wird steigen, das ist absehbar. Dies hat auch langfristige Konsequenzen, zeigen Studien doch, welche Folgen damit verbunden sind: weniger Chancen bei Bildung und in Folge bei der Berufswahl.

„Auch das dritte, vierte und fünfte Kind geht in die Schule und braucht eventuelle Nachhilfe, hat ein Recht auf Freizeitaktivitäten und ausgewogene Ernährung. Es entsteht eine Abwärtsspirale und die armen Kinder von heute werden zu den arbeitslosen, armen, obdachlosen Erwachsenen von morgen“, schreibt Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich, in einer aktuellen Stellungnahme.

Vermeintliche Zugeständnisse

Zu der aktuellen Strategie der Spaltung gehört für Schwarz-Blau, dass einzelne Gruppen mit Verbesserungen rechnen können, wenngleich hier ein genauer Blick lohnt. So werden die Kürzungen bei Alleinerziehenden abgefedert. Das kommt nicht von ungefähr, sondern ist dem Druck zu verdanken, den Alleinerziehende in den letzten Monaten erfolgreich aufgebaut haben. Schwarz-Blau ist hier in die Defensive gekommen. Die nun vorgelegten Maßnahmen sind trotzdem symbolischer Natur, Alleinerziehende entkommen dadurch nicht der Armutsfalle.

Menschen mit Behinderung erhalten 155 Euro mehr. Diese Verbesserung hat allerdings einen bitteren Beigeschmack, verfolgt die Bundesregierung doch auf Zuruf der Unternehmer arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen aus dem Arbeitsmarkt zu drängen. Auch der Vermögenszugriff in der BMS wird reformiert. Auf selbst benutztes Wohneigentum soll erst nach drei Jahren (statt bisher sechs Monate) zugegriffen werden. Außerdem dürfen 5.200 Euro in bar (900 Euro mehr als bisher) behalten werden. Davon profitieren freilich nur die wenigsten MindestsicherungsbezieherInnen, da die meisten BMS-BezieherInnen keinen solchen Besitz haben. Überdies wird weiterhin auch bei „Aufstockern“ (Personen die trotz bezahltem Job oder Pension auf die Höhe der BMS aufstocken) auf das Vermögen zugegriffen.

Gescheitertes Prestigeprojekt

Die BMS hat 2010 auf Initiative der SPÖ das alte System der Sozialhilfe abgelöst. Ursprünglicher Gedanke war, damit Menschen zu unterstützen, die aus dem Versicherungssystem herausgefallen sind, nie Teil davon waren oder von ihrer Erwerbsarbeit nicht leben können. „Die bedarfsorientierte Mindestsicherung ist ein entscheidender Beitrag zur Bekämpfung der Armut in Österreich”, sagte SP-Sozialminister Erwin Buchinger, der die BMS auf Schiene brachte, 2008. Die alte Sozialhilfe war Ländersache, zwischen einzelnen Bundesländern gab es mitunter sehr große Unterschiede was Leistungen und deren Höhe betraf.

Das Prestigeprojekt der SPÖ ist im Wesentlichen aber gescheitert. Einerseits konnte die tatsächliche Einheitlichkeit der Leistungen nie hergestellt werden, andererseits war die Höhe niedriger als von der SPÖ erhofft: In letzter Minute erwirkte die ÖVP bei der Einführung 2010, dass die BMS nur zwölf- und nicht 14 Mal im Jahr ausbezahlt wird. Die Reform von Schwarz-Blau ist der letzte Sargnagel in das Projekt Mindestsicherung.

…und dann die Notstandshilfe

Die Regierung wird es dabei wohl nicht belassen. Weiterhin im Raum stehen durch Schwarz-Blau massive Kürzungen bei der Notstandshilfe. Genaue Maßnahmen sind noch nicht bekannt, der Umbau der BMS im Sinne der Unternehmer lässt aber erahnen, in welche Richtung es gehen wird. Absehbar ist aber auch, dass es nicht alle NotstandshilfebezieherInnen gleichermaßen treffen wird. Die Strategie der Spaltung von Schwarz-Blau wird wohl auch hier wieder zum Einsatz kommen.

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