Die Herbstlohnrunde in der Metallindustrie steht im Zeichen von Schwarz-Blau. Die Aussicht auf eine Regierung, die ganz ihren Interessen verpflichtet ist, gibt den Industriellen Rückenwind. In vier Verhandlungsrunden provozierten sie die Gewerkschaften mit Null-Angeboten und stellten grundsätzliche Arbeitsrechte in Frage. Warum uns das alle angeht und die Gewerkschaften nicht zur Routine übergehen dürfen, erklärt mosaik-Redakteur Gernot Trausmuth.
Traditionell eröffnen die Gewerkschaften der Metallindustrie, die PRO-GE und die GPA-djp, die Herbstlohnrunde. Der Abschluss „der Metaller“ ist wegweisend für alle Branchenkollektivverträge, in denen die Entlohnung, Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) und die Arbeitszeit geregelt sind. Deshalb ist der Kollektivvertrag in dieser Branche seit Jahren besonders heiß umkämpft.
Die Metallindustrie ist ein Schlüsselsektor der österreichischen Wirtschaft. Hier hat die Gewerkschaftsbewegung noch immer einen sehr beachtlichen Organisationsgrad und kann in Verhandlungen entsprechend stark auftreten. Die UnternehmerInnenseite versucht diese Verhandlungsmacht der Gewerkschaft schon lange zurückzudrängen. Auf der Wunschliste der UnternehmerInnen stehen ganz oben: Der 12-Stunden-Tag und eine Schwächung des Kollektivvertrags zugunsten von vermehrten Verhandlungen auf Betriebsebene. Doch bisher konnte die Gewerkschaft die Angriffe abwehren.
Rückkehr zur Sozialpartnerschaft?
Von 2011 bis 2013 setzte die Gewerkschaft dafür gezielt auf die Mobilisierung der BetriebsrätInnen und Belegschaften, um die Kampfstärke zu erhöhen. Angesichts ökonomisch geringerer Spielräume ist sie aber seither wieder zur klassischen sozialpartnerschaftlichen Verhandlungstaktik zurückgekehrt. Dementsprechend enttäuschend waren auch die Lohnrunden, die in vielen Betrieben für Frustration gesorgt haben, wie wir aus Gesprächen mit Kollegen in Vorarlberg und Niederösterreich wissen.
Bei den Kollektivvertragsverhandlungen 2015 stimmte die Gewerkschaft sogar dem teilweisen Wegfall der Überstundenzuschläge zu. Die Strategie der Gewerkschaftsführung war offenbar, das Schlimmste zu verhindern. Dafür wurde in Kauf genommen, dass die eigene Organisationsmacht spürbar geschwächt wird. Umgekehrt bestimmen auf UnternehmerInnenseite eindeutig die HardlinerInnen rund um Verhandlungsführer Knill. Diese Leute wollen, dass Kollektivverträge und starke Gewerkschaften der Vergangenheit angehören.
Industrielle bereit zum Angriff
Vor dem Sommer freuten sich die Industriellen schon. Kanzler Kern erklärte sich in seinem Plan A, den er der SPÖ von oben als neues Programm verordnete, zur Umsetzung des 12-Stunden-Tages bereit. Im Gegenzug forderte er aber einen Mindestlohn von 1500 Euro. Die konkrete Umsetzung wollte die SPÖ-ÖVP-Koalition den „Sozialpartnern“ überlassen. Während der Mindestlohn beschlossen wurde, konnte die Gewerkschaft die Arbeitszeitflexibilisierung abwehren.
Kurz vor den Wahlen, als die Parteien nicht mehr an Koalitionsvereinbarungen gebunden waren, setzte die SPÖ dann mit den Stimmen von Grünen und FPÖ die alte gewerkschaftliche Forderung nach arbeitsrechtlicher Gleichstellung von ArbeiterInnen und Angestellten durch. Der UnternehmerInnenseite reichte es danach endgültig. Der Tiroler Industrielle Hörl, der auch für die ÖVP bei den Wahlen kandidierte, drohte sogar damit, alle aktuellen Kollektivvertragsverhandlungen abzubrechen.
In Branchen wie dem graphischen Gewerbe oder der Brauindustrie haben wir bereits einen Zustand, wo die Unternehmen zu keiner Erneuerung des Kollektivvertrags bereit sind. Jetzt sind sie offensichtlich entschlossen, auch in der Metallindustrie den Gewerkschaften zu zeigen, wer der Herr im Haus ist.
Den Fehdehandschuh annehmen?
Die Gewerkschaften argumentieren zurecht mit den guten Wirtschaftsdaten und hohen Unternehmensgewinnen und fordern vier Prozent mehr Lohn und Gehalt. Das „Gegenangebot“ nach vier Verhandlungsrunden ist eine reine Provokation: Nulllohnrunde plus Kürzung der Diäten bei Dienstreisen.
Die UnternehmerInnen haben also den Fehdehandschuh geworfen. Dabei geht es ihnen nicht nur um die Herbstlohnrunde. Nach den Wahlen und angesichts der sich anbahnenden schwarz-blauen Regierung haben die UnternehmerInnen jetzt Oberwasser, wie ein PRO-GE-Funktionär aus Tirol meinte. Sie ahnen, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, auf allen Ebenen mit „den Roten“ Schlitten zu fahren.
Startschuss für den Arbeitskampf
Die UnternehmerInnen wollen den Gewerkschaften eine entscheidende Niederlage beibringen, noch bevor die schwarz-blaue Regierung ihre großen Angriffe auf die Arbeiterkammer und damit das Kollektivvertragssystem startet. Durch das Ende der Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern würde es Unternehmen leichter fallen, aus den Kollektivverträgen auszuscheren und eigene Regelungen mit ihren Belegschaften abzuschließen.
Die Gewerkschaften sind also gefordert. Mit regionalen Betriebsratskonferenzen wurde der Startschuss für den Arbeitskampf gegeben. 1.500 BetriebsrätInnen kamen zu den Versammlungen, die Kolleginnen und Kollegen haben wohl verstanden, um was es jetzt geht.
Keine Chance mit Routine
In den letzten Jahren hat die Gewerkschaftsführung immer den Weg des geringsten Widerstands gesucht, was befürchten ließ, dass viele Betriebsräte ohnedies nicht mehr daran glauben, dass die Gewerkschaft zur einer heißen Auseinandersetzung bereit ist. Die Stimmung in den Betriebsratskonferenzen war aber überraschend kämpferisch. Der nächste Schritt sind Betriebsversammlungen ab dem 31. Oktober, bei denen in vielen Betrieben schon die Produktion stillgelegt wird.
Routine hat in dieser Situation keinen Platz. Die Lage ist ernst, und so muss der Kampf auch geführt werden. Die Betriebsversammlungen müssen den UnternehmerInnen deutlich machen, dass die Belegschaften kampfbereit sind. Die Erfahrung zeigt, dass die Einbindung der Belegschaften in die Planung von Anfang an zentral ist. Auch ist es wichtig, dass die Basis über die Verhandlungsergebnisse entscheiden kann.
Ein Kampf, der uns alle angeht
Nachdem auch bei der vierten Verhandlungsrunde ein vertretbarer Abschluss in weiter Ferne blieb, stehen die Zeichen auf offenen Arbeitskampf. Symbolische Arbeitsniederlegungen von wenigen Stunden mit Medienaktionen sind dann zu wenig. Nur gut vorbereitete Streikaktionen, die auch wirtschaftlich weh tun, können etwas bewirken.
Weil es hier um die Zukunft der Kollektivverträge insgesamt geht, besteht eine Chance, darin von Anfang an offensiv in die Öffentlichkeit zu gehen und andere Branchen miteinzubeziehen. Weil dieser Arbeitskampf uns alle angeht, braucht es breite gesellschaftliche Solidarität.