Neue Studie: Autolobby bremst mit Handelsabkommen Verkehrswende aus

Zollsenkungen und Ressourcen für die Autolobby: Die Autoindustrie setzt ihre Profitinteressen mit Handelsabkommen durch und blockiert so die Verkehrswende. Das zeigt eine neue Studie zum EU-Mercosur-Abkommen. Deswegen verlangt eine andere Verkehrspolitik auch eine andere Handelspolitik, schreibt Theresa Kofler.

Die europäische Autoindustrie ist maximal vom globalen Handel abhängig. In Europa gibt es einerseits nur sehr wenige Rohstoffe wie Kupfer, Lithium oder Nickel, die in der Autoproduktion gebraucht werden. Andererseits haben schon fast alle ein Auto, die eines möchten. Deswegen wird etwa die Hälfte der in der EU produzierten Autos exportiert. Und diese Expansion soll voranschreiten: Ganz vorne auf der Liste der gewünschten neuen Handelspartner der EU stehen die sogenannten Zukunftsmärkte China, Brasilien und Indien. Wie erfolgreich die Autolobby ihre Interessen in der Handelspolitik durchsetzt, zeigt eine Studie der Universität Kopenhagen. In 19 untersuchten Handelsabkommen zwischen der EU und Partnerländern hat die Autoindustrie profitiert und konnte Produktion und Absatz stärken. 

Handelsverträge werden so als Mittel genutzt, ein fossiles und rückwärtsgewandtes Mobilitätssystem für Jahrzehnte festzuschreiben. Über diese rechtlich gut abgesicherten Verträge schreibt die Autoindustrie den Handel von Rohstoffen und Produkten für den motorisierten Individualverkehr fest. So wird der notwendige Umbau unserer Verkehrssystem von unten immer schwerer. 

Die Durchsetzung der Interessen der Autolobby in Handelsverträgen bedeutet dabei zugleich Menschenrechtsverletzungen im globalen Süden, eine Verschärfung der Klimakrise und die Vertiefung kolonialer Verhältnisse. Denn der globale Norden sichert Ressourcen aus dem globalen Süden und exportiert im Gegenzug verarbeitete Produkte wie Autos.

Neue Erkenntnisse zum Fall EU-Mercosur 

Eine neue Studie zum EU-Mercosur-Abkommen (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) verdeutlicht die Lobbyarbeit der Autoindustrie. Mithilfe von E-Mails und öffentlichen Statements rekonstruiert die Studie die Kooperation zwischen dem deutschen Wirtschaftsministerium und der Autolobby. Sie kommt zum Schluss:

„Dank einer engen Abstimmung mit der deutschen Bundesregierung und der EU-Kommission konnte die Autoindustrie einen Großteil ihrer Forderungen in den seit Mitte 2019 vorliegenden Teilen des Vertragstextes durchsetzen.“

Nicht nur die deutsche, sondern auch die österreichische Autolobby zeigt sich höchst erfreut über das Abkommen und kritisiert die österreichische Regierung für ihre Ablehnung. Die österreichische Autoindustrie liefert nur einen kleinen Anteil ihrer Produkte direkt in den Mercosur. Trotzdem profitieren allen voran Firmen wie Magna, Miba und AVL von den neuen Chancen der deutschen Autobranche. Denn Österreich exportiert über 50 Prozent seiner Autoteile nach Deutschland. Und von dort weiter in die Welt. 

Einbetonieren von Benzinern und Sicherung von Rohstoffen 

Die Autolobby versucht mit dem EU-Mercosur-Abkommen einerseits Zollsenkungen auf Autos- und Autoteile und andererseits den Zugang zu Ressourcen wie Eisen, Stahl, Kupfer und Lithium für die Hardware und Zuckerrohr und Soja für Biotreibstoffe, durchzusetzen. Das Abkommen wird für Jahrzehnte geschlossen, dabei soll in der EU bis 2040 das Ende der Verbrenner gekommen sein. 

Den Zugang zu zentralen Rohstoffen wie Kupfer und Lithium versucht sich die Autoindustrie durch bestehende und neue Handelsabkommen zu sichern. Kupfer und Lithium sind wesentliche Bausteine für E-Batterien. Mit anderen zentralen Importländern dieser Rohstoffe (Peru, Chile und Mexiko) gibt es entweder schon Abkommen oder es liegen neue am Verhandlungstisch. Auch die Versorgung mit einem weiteren zentralen Rohstoff, Nickel, will die Autolobby über Abkommen mit Kanada und Australien durchsetzen. 

Besonders problematisch ist auch der Hunger der Autoindustrie nach Agrotreibstoffen. Durch (Export)-Zollsenkungen von Soja und Zuckerrohr soll der Zugang zu mehr schein-grünen Agrotreibstoffen in der EU gesichert werden. Dabei wäre es selbst ohne die Folgen des Ukrainekriegs schon absurd, fruchtbare Böden für Sprit statt Nahrungsmittel zu nutzen und durch neue Anbauflächen weitere Wälder abzuholzen. 

Profite für Konzerne statt Mobilität als Grundbedürfnis 

Die Verhandlungsergebnisse zum EU-Mercosur aber auch anderen Abkommen machen also klar, wer hier seine Interessen durchgesetzt hat. Es geht um Profite für global agierende Konzerne, die ihre Sitze nicht in Österreich haben. Verkehrspolitik wird somit indirekt von Lobbyist*innen und neoliberalen Politiker*innen statt den betroffenen Menschen gemacht. Dabei ist Mobilität ein Grundbedürfnis aller Menschen. Sie sollte von den Betroffenen, im Rahmen planetarer Grenzen und globaler Solidarität, mitbestimmt werden. Die Debatte um eine Verkehrswende in Österreich geht weit über die Frage von billigeren Öffis, mehr Fahrradwegen und teureren Parkplätzen hinaus. Sie ist aufs engste verzahnt mit der Expansion des neoliberalen Handelssystems, über das Autokonzerne versuchen, ihr schädliches Geschäftsmodell über weitere Jahrzehnte festzuschreiben. Daher müssen eine Mobilitätswende und eine Kehrtwende in der Handelspolitik Hand in Hand gehen, um nicht bei kosmetischen Veränderungen in Europa stecken zu bleiben und im Rest der Welt weiter Ausbeutung von Menschen und Klima voranzutreiben. 

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