Mehr Schusswaffen machen Österreich unsicher

Immer mehr Schusswaffen im Privatbesitz, so lautet die beunruhigende Statisik der letzenden Jahre. Wie es dazu kommt und warum Österreich dadurch unsicherer wird, erklärt Rainer Hackauf.

Doch wie schauen die Zahlen genau aus? Mit Stichtag 1. Dezember 2016 gab es in Österreich 977.911 registrierte Waffen – im Vergleich zum Jahr davor ein Plus von rund 10 Prozent. Zum Stichtag 1. Oktober 2017 – die Zahlen wurden dem Mosaik-Blog vom Innenministerium auf Anfrage übermittelt – ist die Anzahl auf 1.021.873 registrierter Waffen weiter leicht angestiegen.

300.000 WaffenbesitzerInnen

Aussagekräftiger als die Anzahl der registrierten Waffen ist die Zahl der WaffenbesitzerInnen. So haben mit 1. Dezember 2016 289.116 Menschen eine Schusswaffe besessen; im Vergleich zum Jahr davor ein Plus von rund 23.000. Mit Stichtag 1. Oktober 2017 gibt es einen weiteren Anstieg auf 299.176 WaffenbesitzerInnen.

Dabei gibt es große regionale Unterschiede, was den Waffenbesitz betrifft. Im Burgenland besitzen knapp 5 Prozent der BewohnerInnen zumindest eine Waffe. In Wien sind es hingegen nur knapp 2 Prozent.

Österreich ein führender Produzent

Die bisher genannten Zahlen sagen freilich nur etwas über „legale“, also registrierte Waffen aus, die zumeist aus dem offiziellen Handel stammen, der europaweit blüht.

Österreich ist einer der weltweit führenden Produzenten von Faustfeuerwaffen, die zwar vor allem für den Export bestimmt sind, zum Teil aber auch auf dem heimischen Markt landen. Darüber hinaus gibt es auch beachtliche Waffenimporte von Faustfeuerwaffen.

Dunkelziffern

Die Dunkelziffer an nicht registrierten Waffen jenseits dieses legalen Handels dürfte jedoch viel höher liegen. Eine Registrierungspflicht für Schusswaffen gibt es in Österreich nämlich erst seit 2012, die Nachfrist lief 2014 aus. ExpertInnen gehen aber davon aus, dass viele ihre Waffen nie registriert haben und diese laufend über den Gebrauchtwarenmarkt „legalisiert“ werden – oder eben auch nicht.

Daneben dürfte es in Österreich auch nicht schwierig sein, an Waffen aus dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien zu kommen. So geht die 2007 erschienene Vergleichsstudie „The Small Arms Survey 2007: Guns and the City“ in ihrem Ländervergleich davon aus, dass Österreich mit 30,4 Schusswaffen pro hundert BewohnerInnen vergleichsweise stark bewaffnet ist.

Gesetzliche Regelungen in Österreich

In Folge des EU-Beitritts verabschiedete Österreich das Waffengesetz von 1996. Dem Gesetz nach gibt es in Österreich drei verschiedene Waffendokumente für genehmigungspflichtige Waffen: den Waffenpass, der zum Führen einer genehmigungspflichtigen Waffe berechtigt; die Waffenbesitzkarte, die zum Besitz nicht aber zum Führen einer Waffe berechtigt; und die Jagdkarte.

Zusätzlich dazu werden Waffen in die vier Kategorien A bis D unterteilt, für die unterschiedliche Regelungen in Bezug auf die Genehmigungspflicht gelten. Unter Kategorie A fallen grundsätzlich verbotenes Kriegsmaterial aber auch Pumpguns. Der Besitz solcher Waffen ist nur mit einer Ausnahmegenehmigung aus dem Innenministerium möglich.

In die Kategorie B fallen vor allem Handfeuerwaffen wie Pistolen und Revolver, aber auch halbautomatische Langwaffen. Seit Mitte 2014 ist eine Registrierung für Waffen dieser Kategorie Pflicht. Zusätzlich braucht man zum Erwerb und Besitz zumindest eine Waffenbesitzkarte, für die auch ein psychologischen Gutachten nötig ist.

Waffen der Kategorien C (Büchsen) und D (Flinten) müssen ebenfalls registriert werden. Personen ab 18 Jahren dürfen Waffen dieser beiden Kategorien grundsätzlich und ohne weiteren Schein besitzen. Um sie mit sich zu führen, braucht es jedoch einen Waffenpass, Jagdschein oder die Mitgliedschaft in einem Schützenverein.

Löchrige Regelungen

Vor allem der Erwerb und Besitz von Waffen der Kategorie B mittels Waffenbesitzkarte wird nicht konsequent geregelt. Rund 10 Prozent der KandidatInnen bestehen etwa den psychologischen Test nicht. Dieser darf aber bei einem der rund 300 Anbieter beliebig oft wiederholt werden. In diversen Internet-Foren werden GutachterInnen empfohlen, bei denen der Test leicht zu bestehen ist.

Ein weiteres Problem sind die Vielzahl an Testverfahren, die die GutachterInnen verwenden. Einen einheitlichen Qualitätsstandard gibt es nicht. Auch die Regelungen für JägerInnen durchlöchern die gesetzlichen Bestimmungen. Seit diesem Jahr ist es PolizistInnen außer Dienst überdies erlaubt, eine Waffe auch in der Freizeit zu tragen.

Kampftraining im Trend

In einer Grauzone finden Trainingsangebote im Ausland statt. Von einfachen Schießtrainings bis zur paramilitärischen Ausbildung boomen die Angebote. Diese werden von Firmen beispielsweise auf Facebook mitunter sehr aggressiv vermarktet. So preist die slowakische Firma TCAcademy etwa Sniper-, also Scharfschützenkurse nur 50 Kilometer von Wien entfernt in deutscher Sprache an. Hervorgehoben wird auf der Website, dass die Teilnahme auch ohne Waffenschein möglich ist. Voraussetzung ist lediglich ein Mindestalter von 18 Jahren.

Während ein Scharfschützenkurs 390 Euro kostet, beginnen Kurse mit Sturmgewehr ab 220 Euro. Etwas tiefer in die Tasche greifen muss mit 2.490 Euro, wer ein über die slowakische Firma vermitteltes Kampftraining in Britisch-Guayana absolvieren will. Das Training leiten slowakischen britische und slowakische „Instruktoren mit langjähriger Praxiserfahrung im Kampf und Kriegseinsätzen“, etwa in Afghanistan und dem Irak. Dass vermutlich nicht wenige Österreicher diese Trainings absolvieren, wird schnell klar, wenn man durch die Bildergalerie auf der Facebookseite klickt.

Was ist das Problem mit mehr Waffen?

Eine 2013 im The American Journal of Medicine veröffentlichte Studie legt nahe, dass es einen signifikante Zusammenhang zwischen der pro Kopf Anzahl von Schusswaffen und Toten in Zusammenhang mit Schusswaffen gibt. Die Studie kommt daher zum Schluss, dass mehr Schusswaffen ein Land nicht sicherer machen, wie von Lobbyverbänden gerne behauptet, sondern mehr Tote bringen.

Dieser Zusammenhang lässt sich auch in Österreich in den letzten Jahre nachvollziehen. Die Steigerung an Schusswaffenbesitz der letzten beiden Jahre geht Hand in Hand mit einer Steigerung der Straftaten mit Schusswaffen.

Wenngleich es hierzulande mehr als doppelt so viele Straftaten mit nichtregistrierten wie mit registrierten Schusswaffen gibt, ist der Anstieg trotzdem deutlich: 2015 wurden 288 Straftaten mit registrierten Schusswaffen vermerkt, das entspricht einem Zuwachs von 15,3 Prozent. Detaillierte Zahlen liegen für 2016 noch nicht vor. Aus den vom Innenministerium übermittelten Rohdaten liegt aber ein weiterer Anstieg von solchen Straftaten nahe. Auch für Österreich gilt also, ein mehr an Schusswaffen bringt kein mehr an Sicherheit.

Rechte Stimmungsmache

Auch VertreterInnen der Waffenlobby verbreiten gerne die Mär von mehr Sicherheit durch Waffen. Diese wehren sich so gegen Verschärfungen im Waffenrecht. So ließ die „Interessengemeinschaft liberales Waffenrecht in Österreich“ anlässlich der Nationalratswahlen deutliche Sympathien für die Positionen der FPÖ und deren Abspaltung FLÖ erkennen.

Beide Parteien treten für eine Liberalisierung des Waffenrechts ein. Wenig überraschend ist daher, dass die Ex-FPÖ-BZÖ-Stronach-Nationalratsabgeordnete Martina Schenk in der letzten Ausgabe mit einem großen Inserat in der Vereinszeitung der IWÖ um Stimmen der WaffenbesitzerInnen warb.

Geflüchtete zur Angstmache missbraucht

Valide Untersuchungen für die Motive von Waffenbesitz in Österreich gibt es nicht. Rechte PolitikerInnen propagieren aber bewusst die Formel „Freiheit = Bewaffnung = Sicherheit“. Unsicherheit wird daher bewusst und systematisch erzeugt. Das Zusammenspiel zwischen außerparlamentarischer und parlamentarischer Rechter lässt sich gut nachvollziehen.

So wurden ab Oktober 2015 über die sozialen Medien gezielt Gerüchte in die Welt gesetzt, dass es rund um Grenzübergänge zu Massenplünderungen von Supermärkten durch Geflüchtete gekommen wäre. Rechtsextreme nutzten die mediale Aufmerksamkeit rund um diese „Fake-News“, um medial wahrgenommen zu werden. Der den Identitären nahestehende Werner L. sprach von „Bürgerkrieg“ und patrouillierte medienwirksam mit Gewehr vor seinem Lokal.

Die FPÖ macht mit

Die FPÖ wiederum nahm diesen Ball gerne auf. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache postete ein Foto von sich und Werner L., der – mittlerweile verurteilten – „Legende aus der Südsteiermark“. Wenig später versuchten auch andere Politiker auf den Zug aufzuspringen.

So outete sich etwa der Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar, der mittlerweile wieder bei der FPÖ gelandet ist, als Neo-Waffenbesitzer. Seine Ex-Kollegin Martina Schenk schlug in einer Presseaussendung 2016 in dieselbe Kerbe. Auch der FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer versuchte durch den Verweis auf seine Pistole der Marke Glock Wählerstimmen zu gewinnen. Zumindest im vergangenen Präsidentschaftswahlkampf jedoch letztlich ohne Erfolg.

Ob es unter der neuen schwarz-blauen Regierung zu weiteren Liberalisierungen des Waffenrechts und damit mehr Toten kommen wird, bleibt zu sehen.

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