Traditionelle Leitmedien verlieren an Bedeutung, Algorithmen und kommerzielle Interessen haben immer mehr Einfluss auf die öffentliche Meinung. Gleichzeitig greifen rechte Regierungen in ganz Europa den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an. Über diese neuen Herausforderungen diskutierten letzte Woche widerständige Medienmenacher*innen bei der #mediana18 in Linz. mosaik war bei der Konferenz zu Gast, Sophie Hochedlinger hat sich mit den VeranstalterInnen Fanja Haybach und Alexander Baratsits unterhalten.
mosaik: Was sind die großen Veränderungen im Medienbereich, die ihr mit der #mediana18 zur Diskussion stellen wollt?
Alexander Baratsits: Ein großer Teil der Mediennutzer*innen geht weg von linearen Medien und hin zu non-linearer Nutzung, und dabei überwiegend zu proprietären Plattformen wie Youtube, Facebook etc. Die funktionieren aber nach anderen Logiken als das im öffentlich-rechtlichen System vorgesehen war. Darüber wollen wir diskutieren.
Wie kann man eine Plattform in die Welt setzen, auf der Algorithmen so eingesetzt werden, das sie den Bedürfnissen einer demokratischen Diskussionskultur entgegenzukommen? Welche Plattformen baucht es, damit auch Inhalte, die wir produzieren, irgendwie unterkommen?
Fanja Haybach: Uns ist es sehr wichtig, einen Blick auf die Medienlandschaft als Ganzes zu werfen. Also einerseits zu schauen: Was ist im öffentlich-rechtlichen Sektor gerade los? Welche Diskussionen finden statt, welcher Auftrag wird an den Journalismus gerichtet? Anderseits aber auch: Was bedeutet das für privat-kommerzielle Medien und nicht zuletzt den freien nicht-kommerziellen Mediensektor? Wie müsste ein zukünftiger Journalismus-Auftrag ausschauen und welche für Regulierungen und Finanzierungsmodelle braucht es dafür zukünftig?
Die Mediana findet heuer zum zweiten Mal statt. Was wollt ihr mit der Konferenz erreichen, was ist eure Motivation?
Alexander Baratsits: Ich habe vor allem während des Wahlkampfs zur Bundespräsidentschaftswahl gesehen, dass in der Mediennutzung und in sozialen Medien gerade etwas Großes passiert. Da sind drastische Änderungen im Gange. Als zivilgesellschaftlicher Aktivist finde ich es wichtig, diese Fragen zu diskutieren. Die Mediana ist ein Versuch, diesen Wandel zu verstehen und in der freien Medienszene, aus der ich komme, die Aufmerksamkeit darauf lenken.
Fanja Haybach: Ein Ziel der Konferenz ist auch, die zivilgesellschaftlichen und kulturpolitischen Positionen zu schärfen, und das über die Sektorengrenzen der Medien hinweg. Und natürlich auch neue Allianzen und Netzwerke zu schaffen, aus denen heraus wir gemeinsam stark agieren können.
Alexander Baratsits: Wir wollen in der freien Medienszene stärker thematisieren, dass für jüngere Menschen der Rundfunk nicht mehr das Leitmedium ist, und dass man sich in andere Bereiche bewegen muss, in Richtung Podcasts, Videos etc. Wir müssen den Medienbegriff neu diskutieren.
Welche Verantwortung haben freie Medien in der gegenwärtigen politischen Situation?
Alexander Baratsits: Wir haben heute bei der Konferenz gehört: 35 bis 38 Prozent der Menschen in Österreich haben ein partizipatives Politikverständnis. Das heißt, sie wollen sich beteiligen. Freie Medien können da etwas anbieten. Durch ihren offenen Zugang, der jede*r Bürger*in ermöglicht, ihre eigenen Inhalte aufzusetzen. Die medienpädagogische Arbeit, die von den freien Medien geleistet wird ist enorm wichtig, auch für die Demokratie. Weil eine Demokratie ohne Medien funktioniert nicht.
Der Unmut der vielerorts zu hören ist, der sich in Wörtern wie „Lügenpresse“ äußert, ist sicherlich auch ein Ausdruck dafür, dass sich Menschen in der Medienlandschaft nicht repräsentiert sehen.
Fanja Haybach: Vanessa Spannbauer vom Magazin fresh hat hier in einem Vortrag erzählt, dass sie oft den Vorwurf hört, sie wären ein „schwarzes Magazin“. Ihre Antwort darauf war: Ja, das stimmt, aber alle anderen Magazine sind weiß. Darüber habe ich viel nachgedacht. Es geht darum, diese Vielfalt mehr zu repräsentieren und unterschiedlichen Gruppen und Positionen Stimme und Gehör zu bieten. Das ist der Auftrag, den freie Medien seit 20 Jahren umzusetzen versuchen.
Das hängt meiner Meinung nach auch ganz wesentlich mit dem aktuell viel diskutieren Public Value- Begriff zusammen. Die Definition von „Public Value“ beinhaltet, dass eine Institution, die von öffentlicher Hand finanziert wird, einem demokratiepolitischen Interesse dienen muss und Bürger*innen auch dazu befähigen soll, sich am Diskurs zu beteiligen. Das tun freie Medien seit zwei Jahrzehnten. Wenn aktuell viel über den Auftrag an Journalismus im öffentlichen Interesse diskutiert wird, so finde ist es wichtig, das deutlich zu machen.
Welche Strategien schlagt ihr also vor?
Alexander Baratsits: Ich glaube, es gibt gerade ein Zeitfenster, wo sich etwas bewegen könnte. Die Bundesregierung hat zu einer Enquete eingeladen um medienpolitische Fragen zu diskutieren. Da sollte man sich zu Wort melden.
Zum Beispiel gibt es eine Forderung nach einer gemeinsamen Plattform des ORF mit privaten Medien, also einer Art Vermarktungsplattform. Ich sage: Das ist einfach zu wenig. Ich möchte als Gebührenzahler*in selbst direkten Zugriff auf das Archiv haben. Die Inhalte sind ja durch meinen Beitrag bezahlt worden.
In diesem Sinne verstehe ich auch den Begriff „Public Open Spaces“: Als Öffnung der Archive, um als Bürger*in die Möglichkeit zu bekommen, die Inhalte neu zu diskutieren.
Interview: Sophia Hochedlinger