Wie der Auto-Konzern MAN 2300 Jobs den Aktionär*innen opfert

Der Lastwagen-Hersteller MAN will ein Viertel seiner Belegschaft vor die Tür setzen. Allein in Steyr sollen 2.300 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Und das obwohl der Standort profitabel wirtschaftet und der Konzern hohe Dividenden ausschüttet. Danyal Maneka erklärt, was hinter den Kürzungen steckt, welche Auswirkungen sie für die Region haben und was jetzt zu tun ist, damit Beschäftigte und das Klima nicht unter die Räder kommen.

Seit über 100 Jahren werden in Steyr Lastwagen gebaut. 2023 dürfte damit Schluss sein. Das MAN-Werk in Oberösterreichs drittgrößter Stadt, das auf leichte und mittelschwere LKW spezialisiert ist, schließt dann. Die Konzernmutter Traton will die Produktion nach Polen und Türkei verlagern. Es ist nur ein Teil eines viel größeren Sparprogramms: In der Produktion will der Konzern insgesamt 9.500 Stellen streichen. Zusätzlich sollen 50 Service-Niederlassungen geschlossen werden. Weitere 1.300 Menschen dürften dadurch ihren Job verlieren.

Aus heiterem Himmel

Die angekündigte Schließung des Werks in Steyr kommt überraschend. Zwar hing das Damoklesschwert massiver Kürzungen bereits länger über dem Betrieb, mit einer Abwicklung des kompletten Standorts hat aber kaum jemand gerechnet. Nachdem der Betriebsrat des Konzerns kürzlich den Austausch des Top-Managements in München durchsetzen konnte, schien das Schlimmste verhindert. Entsprechend schockiert zeigten sich der Betriebsrat und der Bürgermeister von Steyr. Denn: Aufträge gibt es im Steyrer Werk trotz Corona-Krise genug. Außerdem hat MAN zuletzt noch 60 Millionen Euro investiert, um in Steyr eine Lackiererei für LKW-Kunststoffteile aufzubauen – die größte ihrer Art in Europa. Mehr noch: Erst im letzten Jahr vereinbarte der Konzern mit dem Betriebsrat, dass der Standort bis 2030 gesichert ist. Nun sucht MAN verkrampft nach Möglichkeiten, um aus diesem Vertrag auszusteigen.

Gewinnstreben auf dem Rücken der Beschäftigten

MAN reagiert mit der Schließung des Werkes nicht auf finanzielle Not. Das Gegenteil ist der Fall. Zwar standen wie bei anderen Autoherstellern die Bänder zu Beginn der Corona-Krise über Wochen still. Auch die Gewinne brachen zeitweise ein.

Wirft man einen Blick auf die Investitionsvorhaben von Traton, löst sich das Bild eines krisengebeutelten Konzerns jedoch in Luft auf. Während der Multi in Europa den Rotstift ansetzt, bereitet er gleichzeitig die Übernahme des US-Truckherstellers Navirstar um 3,6 Milliarden US-Dollar vor. Wenig sparsam gibt sich Traton auch bei der Ausschüttung von Dividenden. Ein halbe Milliarde Euro will der Aufsichtsrat den Aktionär*innen in die Tasche stopfen. Besonders freuen dürfte sich der Milliardärsclan Porsche/Piëch. Dessen VW-Konzern hält nämlich die Mehrheit der Traton-Aktien. Trotz Dieselskandal sackte VW 2019 einen Gewinn von 19 Milliarden Euro ein.

Konzerninteressen gegen Beschäftigte und Umwelt

Mit Blick auf die Klimakrise macht der Fall MAN vor allem eines deutlich: Der wesentliche Konflikt besteht nicht zwischen dem Erhalt von Arbeitsplätzen auf der einen Seite und Klimaschutz auf der anderen. Vielmehr leiden Beschäftigte und die Natur oft gleichermaßen unter dem Profitstreben der Konzerne. MAN wird weiterhin klimaschädliche LKW bauen. Nur nicht in Steyr, sondern dort wo die Arbeitsbedingungen noch schlechter sind.

Katastrophe für die Region

Für das industriell geprägte Steyr sind die Kürzungen katastrophal. MAN ist nach dem Motorenwerk von BMW der zweitgrößte Arbeitgeber der Region. Nicht nur die Jobs bei MAN würden verloren gehen. Viele kleine und mittlere Zulieferer in der Region müssten ebenfalls um ihr Überleben bangen – manche von ihnen beliefern ausschließlich MAN.

Auch die MAN-Lehrwerkstätte würde durch den Kahlschlag verloren gehen. Dabei ist sie von großer Bedeutung für die Ausbildung in Steyr und darüber hinaus. Dort werden Fachkräfte über den eigenen Bedarf hinaus ausgebildet. Viele junge Menschen müssten sich anderswo einen Lehrplatz suchen und gingen der Region verloren.

Umbau statt „Zurück zum Normalbetrieb“

Betriebsrat, Gewerkschaften und Landes-SPÖ setzen sich für eine Rettung von MAN in Steyr durch ein Investitionsprogramm ein. In welche Richtung dieses Programm gehen soll, ist bislang unklar. „Zurück zum Normalzustand“ wäre angesichts der Klimakrise eine fatale Devise. Da hilft es wenig, dass in Steyr seit zwei Jahren auch Elektro-LKW vom Band rollen. Der Güterverkehr muss auf das nötigste reduziert und der Rest soweit wie möglich auf die Schiene verlagert werden. Die Produktion muss möglichst rasch auf ökologisch verträgliche und gesellschaftlich sinnvolle Produkte wie etwa Züge, Fahrräder oder Medizintechnologie umgestellt werden.

Wo ein Umbau nicht möglich ist, werden Kapazitäten auch abgewickelt werden müssen. Wichtig ist dabei, dass die Lasten der Umstellung nicht die Beschäftigten tragen. Dafür bräuchte es mehr als eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes, wie es die SPÖ fordert. Neben umfassenden Sozialplänen und Umschulungen wäre auch eine staatliche Garantie für einen nachhaltigen und gut bezahlten Arbeitsplatz sowie eine substanzielle Arbeitszeitverkürzung sinnvoll. Beides würde Arbeitslosigkeit entgegenwirken und dem Klima nutzen.

Den Umbau demokratisch gestalten

Es ist skandalös, dass ein paar Manager*innen, die einzig und allein das Wohlbefinden ihrer Aktionär*innen im Blick haben, über das Schicksal einer ganzen Region entscheiden. Damit das nicht länger möglich ist, muss es einen Plan geben, wie man den Umbau der Industrie demokratisch gestalten kann. Ein überparteilicher Industriegipfel für Oberösterreich, wie ihn die SPÖ-Landesvorsitzende fordert, könnte ein Anfang sein. Neben Gewerkschaften und der (Regional-)politik sollten – über den SPÖ-Vorschlag hinaus – auch Beschäftigte ihr umfassendes Knowhow einbringen und über die Zukunft des Standorts mitentscheiden können. Doch auch Umweltaktivist*innen, Wissenschafter*innen und Anwohner*innen sind betroffen oder bringen wertvolles Wissen mit. Sie sollten ebenfalls einbezogen werden. Anzunehmen, dass das ohne heftige Konflikte mit den Industrieverbänden und der Bundesregierung möglich sei, wäre allerdings naiv.

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