Wahlprojekt LINKS: “Ich bin links. Du nicht?”

Heute hat sich eine neue linke Organisation der Öffentlichkeit präsentiert, die bei den Wiener Gemeinderatswahlen 2020 antreten wird. Der Name ist Programm: „LINKS“, kurz und bündig. Aber wer und was steckt hinter LINKS? Franziska Wallner hat mit Barbara Stefan, eine der Sprecher*innen des Wahlprojekts gesprochen und über die Stadtregierung, den Kapitalismus und ihre Ziele geredet. Stefan ist außerdem Mosaik-Redakteurin.

mosaik: Du bist eine der Sprecher*innen von LINKS. Wer seid ihr und wie kam es zur Entstehung?

Barbara Stefan: LINKS ist ein Zusammenschluss von unterschiedlichen Personen, die unsere Stadt aktiv mitgestalten wollen. Wir alle haben Erfahrungen mit Selbstorganisation in unterschiedlichen linken zivilgesellschaftlichen Gruppen gesammelt und möchten dieses Wissen nun gemeinsam einsetzen. Und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt – in vielerlei Hinsicht ist es 5 nach 12. Daher haben wir uns in den letzten Monaten getroffen und den Entschluss zum Wahlantritt gefasst. Unser Ziel ist es, Wien in eine solidarische Stadt zu verwandeln, die ein gutes Leben für tatsächlich alle ermöglicht.

Was heißt das genau? Was sind eure zentralen Themen und Forderungen?

Wir wollen alte, weiße Männer zur Hausarbeit zwingen [lacht]. Im Ernst: Ein gutes Leben für tatsächlich alle bedeutet, dass wir Arbeit – vor allem Sorge- und Pflegearbeit – gerechter verteilen, dass Wohnraum günstig und für alle Menschen zur Verfügung steht und dass wir öffentliche Verkehrsmittel und Radwege so stark ausbauen, dass Autos für den Privatgebrauch langfristig überflüssig werden. Es geht um nichts weniger als eine radikale Änderung unserer Wirtschafts- und Lebensweise. Der Kapitalismus hat ausgedient. Wir wissen, um der Selbstzerstörung zu entgehen, braucht es große Visionen. Wir müssen uns von Alternativen inspirieren lassen, die es bereits gibt und die uns zeigen, dass es leicht möglich ist, anders zu leben, zu fürsorgen, zu arbeiten, zu pflegen, zu wohnen, zu wirtschaften – ohne dabei unseren Planeten und unseren sozialen Zusammenhalt zu zerstören.

Das klingt ambitioniert, aber von der grundsätzlichen Stoßrichtung gar nicht so anders als das politische Programm der jetzigen Stadtregierung. Warum braucht es deiner Meinung noch einen linken Wahlantritt in Wien?

Die Wiener Stadtregierung betreibt nun mal keine linke Politik. Das soll nicht heißen, dass es nicht einzelne wirklich gute und progressive Politiker*innen gibt, aber das reicht nicht. Die rot-grüne Stadtregierung ist in ihrer Praxis nicht links. Eine linke Regierung müsste in klarer Opposition zu Interessen von Investor*innen zugunsten der Bürger*innen gehen und dafür auch auf eigene Privilegien verzichten – das tut sie aber nicht! Das Fehlen einer konsequenten menschlichen und antirassistischen Politik konnte man zuletzt gut bei Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sehen.

Wir bei LINKS sehen es als unsere Aufgabe, Druck aufzubauen, um den Diskurs nach links zu ziehen, um unsere Themen auf die Tagesordnung zu setzen und um sich rechter Bundespolitik zu widersetzen. Wir wollen zeigen, wie man Wien mit radikaler Solidarität in eine sanctuary city verwandelt, wie man Obdachlosigkeit von Anfang an auslöscht, wie man wohnen wieder günstig macht, wie man Alleinerzieherinnen aus dem Burnout holt, wie man Lebensmittel gerecht verteilt, wie man autofreie Zonen schafft, Bäume pflanzt, die Stadt begrünt und effektiv die Temperatur senkt.

Welche Chancen rechnet ihr euch aus?

Wir wollen natürlich das Rathaus erobern [lacht]. Wenn wir nicht sicher wären, dass wir in Gemeinderat und die Bezirksräte gewählt werden, würden wir nicht antreten. Wir wissen, wir sind Viele und als solche sind wir vielfältig. Wir sind diejenigen, die auf unterschiedliche Arten diskriminiert und ausgegrenzt werden, und diejenigen, die nicht mehr wegsehen wollen. LINKS steht für eine Politik der Vielen, die sich nicht wegreden, wegrationalisieren und wegdenken lassen. Diese Vielen werden immer stärker, mutiger und selbstbewusster. Sie gehen nicht einfach weg, denn sie sind das strukturelle Ergebnis der aktuellen Politik. LINKS bietet diesen Menschen eine Plattform, um sich zu organisieren und die gerechte Gestaltung von Wien gemeinsam voranzutreiben. Es gibt derzeit keine Partei im Gemeinderat, die das soziopolitische System von Grund auf – ohne ökonomische, rassistische und sexistische Ausschlüsse – verändern möchte. Jetzt schon: mit LINKS.

Warum engagierst du dich für LINKS? Was treibt dich persönlich an?

Ich bin links, du nicht? [lacht]. Als langjährige Aktivistin, unter anderem beim Aufstand der Alleinerziehenden und Attac, ist politische Arbeit und Organisierung zu einem selbstverständlichen Teil meines Alltags geworden. Alles ist politisch, auch das Private. In meiner Funktion ist es mir wichtig, Sorge- und Pflegearbeit zu thematisieren, das bislang als typisches Frauen*thema unterrepräsentiert geblieben ist. Ich möchte eine solidarische Stadt, wo Menschen geholfen wird, die Hilfe benötigen, eine Stadt, wo sich alle Menschen willkommen fühlen, eine Stadt, in der Sorgearbeit nicht zur Überlastung wird, eine Stadt, in der es günstigen Wohnraum gibt, eine Stadt, in der wir keine Angst vor Armut, Überarbeitung oder Einsamkeit haben müssen. Für diese Solidarität möchte ich mich einsetzen, das bedeutet für mich LINKS und deswegen bin ich auch dabei.

Veranstaltungshinweis: Am 10. und 11. Jänner 2020 lädt LINKS zur öffentlichen Gründungsversammlung in die VHS Rudolfsheim-Fünfhaus ein

EDITIERT AM 9.12.: Im vorletzten Satz der vierten Frage hieß es in der Erstfassung „Es gibt derzeit keine Partei, die […]“. Die Präzisierung „im Gemeinderat“ erfolgte nachträglich.

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