Bei der Nationalratswahl hat die Wiener Partei LINKS die KPÖ in ihrem Wahlkampf unterstützt. Die LINKS-Sprecher*innen Anna Svec und Angelika Adensamer standen dabei nicht nur auf der Bundes- und Landesliste, sondern auch viel auf der Straße. Im Interview mit mosaik erzählen sie von ihren Erfahrungen aus dem Wahlkampf und darüber, was das Ergebnis für die Zukunft der Linken bedeutet.
mosaik: Wie habt ihr diesen Wahlkampf von LINKS und KPÖ wahrgenommen und wie war es für euch persönlich?
Svec: Ich habe den Wahlkampf als sehr aktiv und motiviert wahrgenommen. Es war ein Vorzugsstimmenwahlkampf in Unterstützung der KPÖ, weil wir der Meinung sind, dass Zusammenarbeit wichtig ist und dass es wichtig war, jetzt zusammen für eine linke Alternative im Nationalrat zu laufen. Und es sind bei uns wirklich sehr viele Leute gelaufen, haben insgesamt 150.000 Flyer verteilt, Infostände gemacht und sich sehr intensiv rein gehaut. Wahlkämpfe sind ja Phasen intensiver Aktivität und es war sehr schön zu sehen, dass da so viele Leute dabei sind und es wichtig finden, auf der Straße präsent zu sein und mit den Menschen in Kontakt zu kommen.
Wahlkämpfe sind außerdem auch einfach sehr politisierte Zeiten, wo es insgesamt gesellschaftlich viel um Politik geht. Da ist es besonders wichtig aber auch besonders spannend, mit Leuten in Kontakt zu kommen. Wir haben auch selbst als Kandidat*innen viel geflyert. Ich habe das Gefühl, dass das auch was bringt. Also selbst viel auf der Straße zu sein und Gespräche zu führen. Es gab auch sehr viele positive Reaktionen auf die KPÖ und auf LINKS. Wir sind inzwischen doch schon bekannt und das war schön zu sehen.
Adensamer: Ich kann viele Sachen unterstreichen. Es hat sehr viel Spaß gemacht, auf der Straße zu sein, besonders auch an verschiedene Orte in Wien zu kommen. Ich habe das Gefühl gehabt, viel mehr verschiedene Leute zu treffen und auch mit mehr Aktivist*innen von LINKS zu tun gehabt als im Alltag. Also es war auf vielen Ebenen cool da zu sein und mit den Leuten zu reden und zu diskutieren. Auch auf Social Media merkt man, dass mehr Leute interagieren oder einem schreiben.
Eines meiner Highlights waren die Events. Wir hatten zum Beispiel das Wahlrechts-Fest am Urban-Loritz-Platz, wo es um das Wahlrecht für alle ging. Da haben viele Aktivist*innen von uns gesprochen, die politisch aktiv sind aber nicht wählen dürfen. Dazwischen hatten wir Acts und viele Leute sind vorbeigekommen und stehen geblieben und haben mit uns diskutiert. Oder auch das Event mit Katharina Mückstein, die den Film „Feminism WTF“ gemacht hat. Da hatten wir eine Diskussion und anschließend ein Filmscreening vor dem Parlament. Da bleiben die Leute einfach stehen oder setzen sich kurz dazu. Das ist einfach schön.
mosaik: Wenn man diesen Wahlkampf mit den bisherigen Wahlkämpfen von LINKS vergleicht, also der Wien-Wahl und der AK-Wahl, was waren da die Unterschiede oder Herausforderungen?
Adensamer: Dadurch dass wir den Wahlkampf der KPÖ unterstützt haben, war es mehr wie eine Kampagne, um den Wahlkampf zu unterstützen. 2020 (Anm. letzte Wiener Gemeinderatswahl) haben wir den Wahlkampf mehr mit der KPÖ gemeinsam gestaltet. Der AK-Wahlkampf war nur von LINKS. Jetzt waren wir eher unterstützend dabei. Wir haben natürlich schon auch Dinge gemeinsam mit der KPÖ gemacht, zum Beispiel Plakatsujets oder auch die Grätzltour. Aber vom Ausmaß war es für uns eher weniger als die anderen Wahlkämpfe.
Svec: Die Zusammenarbeit war auf jeden Fall eine spezielle. Wir sind ja auch unter dem Namen KPÖ gelaufen. Aber insgesamt sind alle Wahlkämpfe immer ein bisschen anders und schwer vergleichbar.
mosaik: Seid ihr mit dem Wahlkampf an sich und dem Ergebnis jetzt zufrieden, auch wenn es für den Einzug in den Nationalrat schlussendlich nicht gereicht hat?
Adensamer: Also wir haben uns schon wirklich mehr erhofft und erwartet. Dass der Einzug unsicher ist, war vorhersehbar aber ich habe insgesamt mit einem besseren Ergebnis gerechnet. Ich finde trotzdem, dass es ein wirklich guter Erfolg für die KPÖ war. Eine Verdreifachung des Ergebnisses und fast 4% in Wien, das ist trotzdem ein gutes Ergebnis. Es zeigt aber auch, dass sich die Schritte, in den Gemeinden und Ländern einzuziehen und dort Organisationen aufzubauen, nicht überspringen lassen. Wir brauchen diese Basis und müssen Schritt für Schritt arbeiten. Für diesen Weg sind wir aber gut aufgestellt und auch wenn es länger dauert, können wir trotzdem erfolgreich sein.
Svec: Es zeigt einfach, dass man noch weiter aufbauen muss und dass man geduldig sein muss mit linker Arbeit. Ich glaube das ist einfach so. Linke Arbeit braucht einfach Geduld und Kontinuität und Standhaftigkeit. Man muss das Vertrauen der Leute gewinnen. Natürlich gab es den Moment, wo wir sehr traurig waren, dass es diesmal nicht funktioniert hat. Es bedeutet gar nicht nur, im Nationalrat zu sitzen, um drin zu sitzen, sondern um eine laute Oppositionsstimme zu sein und mehr Ressourcen zu haben. Für Sozialberatung, für politische Projekte, also einfach mehr Ressourcen für die Linke.
Aber wir dürfen uns nicht entmutigen lassen. Der Wahlkampf war wahnsinnig aktiv. Und man sieht, dort wo viel gemacht wurde, in den Grätzln, in den Bezirken, da waren die Ergebnisse auch gut. Also diese Arbeit und Präsenz zahlt sich einfach aus. Das ist eine ganz wichtige Bestätigung. Wir sind gut verankert und dürfen nicht nachlassen, auch wenn wir uns natürlich ein besseres Ergebnis gewünscht hätten.
mosaik: Gibt es was, woran es euch gefehlt hat oder was ihr besser machen hättet können?
Adensamer: Die alte Aufgabe, in den Flächenbezirken präsenter zu sein. Im 21. und 22. vor allem, wo einfach viele Leute leben, die sehr ins Gewicht fallen. Floridsdorf hat die KPÖ besser bespielt, als in den letzten Jahren aber da ist auf jeden Fall noch viel Luft nach oben. Das sind aber einfach Ressourcenfragen. Es sind Bezirke, wo es nicht so viele Aktivist*innen gibt, dafür wie groß sie sind. Das ist dann eine Frage des Aufbaus, die man nicht mit Ressourcen, die nur für den Wahlkampf da sind, wettmachen kann. Natürlich können wir Aktivist*innen hinschicken oder Briefsendungen finanzieren. Aber ganz ausgleichen, dass man dort nicht flächendeckend Präsenz zeigt, ist schwierig. Da muss man sich andere Strategien überlegen.
Svec: Das geht ja auch damit einher, dass wir als Linke auf Organisierung setzen. Auch unabhängig von Wahlen ist das das zentrale Anliegen, Leute zu organisieren und die Aktivität zu bringen. Ich glaube, dass wir in den großen Wiener Bezirken, wobei man das auch in Österreich aufs Land ummünzen kann, noch mehr Leute brauchen. Es geht halt darum, dass Leute laufen und mit anderen ins Gespräch kommen. Dieser Aufbau muss einfach noch stärker passieren.
mosaik: Wie geht es euch mit dem Gesamtergebnis der Wahl und was bedeutet es aus eurer Sicht für die Politik generell und die Linke in Österreich?
Svec: Also natürlich war es insgesamt kein schönes Ergebnis. Dass Schwarz-Blau so viele Stimmen für sich gewinnen konnte ist bedrückend. Ich hätte mir für linke Kräfte ein besseres Ergebnis gewünscht. Aber auch dafür müssen wir Geduld haben, Vertrauen gewinnen, Schritt für Schritt Leute überzeugen. Überzeugen, dass Spaltung und Rassismus keine Lösungen für soziale Probleme sind, dass es keine Antworten auf Krisen sind. Es braucht linke Antworten auf Krisen. Antworten die für alle Leute ein besseres Leben wollen. Wir müssen Leute davon überzeugen, dass das notwendig ist, aber auch davon, dass das möglich ist. Und das dauert. Da müssen wir dahinter bleiben.
Adensamer: Man sieht auch die Misere, dass in den Fragen, mit denen die Rechten mobilisieren können, also Rassismus in Verbindung mit Migration und Asyl, die liberalen Parteien immer mehr mitziehen und sich darauf einlassen, dass das legitime Argumente sind. Diese Strategie hilt nur den Rechten. Alles verschiebt sich nach Rechts. Die Aufgabe der Linken ist, bei den eigenen Positionen zu bleiben und darauf zu beharren. Wir müssen für diese Positionen argumentieren und Leute tatsächlich davon überzeugen. Wir dürfen uns nicht mitreißen lassen und in diesen Fragen dann Kompromisse schließen. Das hilft uns nicht und das bringt nur den Rechtsruck voran.
Svec: Es gibt auf rechter Seite einfach ein riesiges Angebot. Da müssen wir dagegen halten und zeigen, dass wir Konzepte und Lösungen haben. Dass die verschiedenen Ungerechtigkeiten und Spaltungen zusammen hängen. Und dass man gegen die gemeinsam auftreten muss und auch nur gemeinsam dagegen auftreten kann.
mosaik: Im letzten Jahr ist es immer wieder zur Sprache gekommen, dass die KPÖ mit den jüngsten Erfolgen jetzt auch auf Nationalratsebene zum ersten Mal seit Langem eine wählbare Option für die autonome Linke darstellt. Es sei nötig, diese Gruppen abzuholen und zu mobiliseren um auf deren Erfahrungswerte und personelle Kraft zugreifen zu können. Habt ihr den Eindruck, dass das gelungen ist und war das für euch ein Thema im Wahlkampf?
Adensamer: Es gab am Donnerstag vor der Wahl eine Demo, wo die Reden sehr parteikritisch waren. Also ich glaube nicht, dass da näher an Parteien gerückt wurde. Wir sind in vielen Organisierungen aktiv, wo Parteien kritisch gegenüber gestanden wird. Es ist oft Thema, ob wir als LINKS sichtbar auftreten, weil das nicht gewollt wird. Das sind Kontexte in denen wir solidarisch zusammenarbeiten und die wir unterstützen. Die Themen sind uns ja auch wichtig. Das sind dann aber Leute, die nicht bei LINKS aktiv werden, sondern in anderen Betätigungsfeldern. Die sind aber auch wichtig, für die Linke generell.
Ich wünsche mir natürlich, dass wir mehr werden aber ich freue mich auch, wenn Leute in anderen Kontexten aktiv sind. Das bringt der Linken ja auch viel. Wichtig wäre mir, dass Leute, die noch gar nicht aktiv sind, auch aktiv werden. Dafür würde ich gerne ein Angebot schaffen. Wir müssen nicht alle Leute in die Partei holen. Ich habe auf jeden Fall nicht den Eindruck, dass die Leute aus Parteikritik nicht wählen gehen. Mein Gefühl ist, dass trotz Parteikritik und autonomen Aktivismus, dann LINKS oder KPÖ gewählt wird.
Svec: Mein Gefühl ist, dass auch Leute, die sehr parteikritisch waren, dann in Parteien aktiv geworden sind. Nicht alle aber das ist auch nicht unser Anspruch. Es ist uns wichtig, solidarisch mit Organisationen zusammenzuarbeiten und mit ihnen in Kontakt zu stehen. Zum anderen ist es schon auch wichtig zu zeigen, dass Parteien nicht mit der Zeit verbürgerlichen oder zum Establishment werden müssen. Wir müssen nicht Positionen aufgeben, weil wir eine Partei sind. Eine Partei kann auch vereinbaren, Politik auf der Straße zu machen, bei Positionen zu bleiben und gute Oppositionsarbeit zu machen. Wir können auch mit Protesten und Bewegungen in Kontakt stehen und Ressourcen zur Verfügung stellen, was ja auch helfen kann. So entsteht ein Vertrauen, aus dem heraus sich dann manche vielleicht doch entscheiden, zumindest unter anderem in einer Partei aktiv zu werden.
mosaik: In gut einem Jahr steht die nächste Wien-Wahl an. Die KPÖ hat nicht ganz 4% in Wien geschafft. Was bedeutet das Ergebnis für euch in Hinblick auf die Wahl nächstes Jahr?
Adensamer: Ich glaube, es ist durchaus möglich bei einem guten gemeinsamen Antritt von KPÖ und LINKS, den Einzug in den Gemeinderat zu schaffen. Wir haben sehr viele Ressourcen dafür, weil wir seit 2020 darauf eingestellt sind, dass das der Wahlkampf ist, auf den hingearbeitet wird. Wir sind als Organisation stark darauf vorbereitet, diesen Wahlkampf cool zu gestalten. Das Ergebnis zeigt, dass das auf jeden Fall im Rahmen des Möglichen liegt, bei dieser Wahl einzuziehen.
Svec: Unser Vorzugsstimmenergebnis war ja auch gut. Daran sieht man auch, dass wir mit LINKS in Wien sehr viel Arbeit gemacht haben und die Leute auch erreichen. Insgesamt war das Wiener Ergebnis gut und lässt hoffen, dass sich das bei der Wien-Wahl gut ausgehen kann. Das ist für uns natürlich wichtig, weil wir uns seit 2020 sehr gut verankert haben. In Bezirksvertretungsarbeit aber auch mit Demos oder der Teilnahme an Protesten. Mit Unterstützung von Arbeitskämpfen oder auch Sozialberatung. Es war uns sehr wichtig, uns in Wien gut zu verankern und wir freuen uns sehr auf den nächsten Wahlkampf. Wir wollen dort darauf aufbauen, was wir die letzten Jahre geschaffen haben.
mosaik: Ist ein Antritt gemeinsam mit der KPÖ nächstes Jahr also schon fix?
Adensamer: Nein aber wir gehen natürlich in Gespräche und fänden es weiterhin gut, Kräfte zu bündeln. Ich glaube nicht, dass die KPÖ oder LINKS alleine einziehen würden. Der Einzug ist wohl nur bei einer guten Zusammenarbeit, wie bei dieser Wahl, möglich.
Svec: Wenn sich bei den Gesprächen eine gute Einigung erzielen lässt, sind wir auf aber jeden Fall weiterhin für die Zusammenarbeit, die uns ja auch in den letzten Jahren ein Anliegen war.
Fotos: Benjamin Traugott