Leb’ doch wo du willst! – Warum „Asyl auf Zeit“ eine Scheiß-Idee ist

Rechtzeitig vor den Wahlen in Oberösterreich und Wien präsentiert die ÖVP eine zündende“ Idee: „Asyl auf Zeit“. Dass österreichische Politiker_innen sich gerne auf Kosten von Flüchtlingen profilieren ist ja nichts Neues. Dieser neue Vorschlag spielt aber selbst im österreichischen Asyl-Gruselkabinett in der Oberliga.

Menschen wird in Österreich Asyl gewährt. Wenn einem am eigenen Image als mitteleuropäischer Staat mit gewisser Nähe zum Menschenrechtsbekenntnis noch etwas liegt, geht das eben nicht anders. Und weil man sich daran einfach nicht ganz vorbeischummeln kann, muss eben eine andere Lösung her. An Menschenverachtung mangelt es der aber auch nicht. Denn was die ÖVP vorschlägt und die SPÖ in gewohnt rückgratloser Manier beklatscht, bringt bei tatsächlicher Umsetzung eine Situation mit sich, in der Menschen im dauernden Schwebezustand verharren: unterbrochene Biographien, die Unmöglichkeit zu planen und das eigene Leben zu gestalten.

Was ist eigentlich geplant?

Asyl auf Zeit bedeutet, dass Geflüchtete, die bereits einen positiven Asylbescheid in Österreich erhalten – also schon ein langwieriges und oft zermürbendes Asylverfahren hinter sich haben – mit neuen Unsicherheiten zu rechnen haben. Drei bzw. fünf Jahre nach Zuerkennung von Asyl sollen staatliche Behörden automatisch überprüfen müssen, ob der Asylstatus verlängert oder aberkannt wird. Stufen die Behörden das jeweilige Herkunftsland als sicher ein, werden Flüchtlinge sofort in dieses abgeschoben. Traumatisierte Menschen, die aus Kriegsgebieten geflüchtet sind, wollen ÖVP und SPÖ also zugunsten eines kleinen Wahlkampf-Gags erneut aus ihrem gewohnten Lebensumfeld reißen. Klingt irgendwie erschreckend nach österreichischer Asylpolitik.

Klingt ziemlich österreichisch, ist es auch!

Wenn es nach der ÖVP und ihrem koalitionären Schoßhund geht, dann soll damit künftig neben der bereits bestehenden Option des subsidiären Schutzes noch eine weitere Möglichkeit treten, Menschen einer dauerhaften und stabilen Lebensperspektive zu berauben.

Subsidiärer Schutz wird Menschen gewährt, deren Asylantrag zwar mangels Verfolgung abgewiesen wurde, aber deren Leben oder Unversehrtheit im Herkunftsstaat bedroht wird. Es handelt sich dabei lediglich um befristeten Schutz vor Abschiebung, der zunächst für die Dauer von einem, bei Verlängerung für jeweils zwei Jahre erteilt wird.

Was die ÖVP fordert, existiert also eigentlich bereits unter anderem Titel in Österreich. Bei allen Forderungen, die momentan an die Asylpolitik gestellt werden müssten, rufen SPÖVP also nach einer bestehenden Rechtslage, die schon jetzt die offenbar herbeigesehnte Unsicherheit für viele Geflüchtete beinhaltet. Sorge, dass das österreichische Asyl- und Fremdenrecht einer Maßnahme entbehrt, die es den nach Österreich Fliehenden erschwert, braucht man nun wirklich nicht zu haben. Dafür haben zahllose Novellierungen mit immer neuen perfiden Hürden für Asylsuchende in den letzten Jahrzehnten gesorgt.

Publicity fürs österreichische Asyl-Gruselkabinett

Die Regierung lässt es sich trotzdem nicht nehmen, noch mal ein bisschen Publicity für ihr Gruselkabinett von Asylrecht zu machen und die Lage für Flüchtlinge noch zu verschärfen: Denn hinzutreten soll nun, dass wirklich alle Flüchtlinge – also auch jene, die vom Staat als solche anerkannt wurden – der neuerlichen Prüfung unterzogen werden. Menschenrechtsexpert_innen warnen schon jetzt davor, dass sich die Lebenssituation von Asylberechtigten massiv verschlechtern und noch stärker von Unsicherheiten geprägt sein wird. Vermieter_innen, die Geflüchteten keinen Mietvertrag geben oder Arbeitgeber_innen, die es sich zweimal überlegen, jemanden im Betrieb einzustellen, den der Staat nach kurzer Zeit wieder zurück in sein Herkunftsland abschieben kann, werden damit zur Normalität.

Wann ist es wieder „schön“ im Kriegsgebiet?

Offen ist neben der Frage, welche Beamt_innen den Verwaltungsaufwand tragen sollen, wo doch der österreichische Staat schon lange die (offiziellen und nicht-prekarisierten) Türen in den öffentlichen Dienst verschlossen hat, auch, zu welchem Zeitpunkt und nach wessen Ansicht die Lage im Heimatland „sich entspannt“ haben soll. Wenn die Bombenhagel seltener geworden sind? Wenn nur noch wirtschaftliches Elend, ein völlig verwüstetes Land, fehlende Infrastruktur und völlige Perspektivlosigkeit die Zukunft der Menschen bedrohen, aber keine Minensplitter mehr?

Den Kriterien zur Gewährung für Asyl muss schon jetzt zutiefst misstraut werden, erst recht, wenn durch sie der Schutz auch wieder aberkannt, das Leben der Menschen wieder völlig zerrissen werden kann.

Leben ist mehr als Überleben

Interessant ist auch, dass jene Partei, die immer wieder „Integration“ beschwört, nun der gesellschaftlichen Teilhabe und dem Aufbau einer Lebensgrundlage von Flüchtlingen massiv entgegenwirken will. Die ÖVP lässt offen, wie Flüchtlinge eine menschenwürdige Existenz aufbauen sollen, wenn sie sich nicht darauf verlassen können, in ein paar Jahren noch in ihrer Stadt zu wohnen, ihre Arbeitskolleg_innen wiederzusehen und ihre Kinder auf die selbe Schule zu schicken.

Zu einem Leben in Würde bedarf es mehr als nur Nahrung, Kleidung und dem akuten Schutz vor Bomben. Auch Information, Stabilität, Planbarkeit, Perspektiven, soziale Strukturen, Geborgenheit, die Möglichkeit zur Entfaltung und zur Gestaltung der eigenen Zukunft sind das Recht jedes Menschen zu jeder Zeit.

Das ist es, was unsere Gesetze gewährleisten sollen. Das Herumschieben von Menschen wie Figuren auf einem Spielbrett wollen wir nicht. Wir wollen ein gutes Leben für alle. Und zwar auf unbeschränkte Zeit.

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