Der Kultursektor gibt sich auch in Österreich gerne gesellschaftlich fortschrittlich. Er lässt sich aber von dreckigen Konzernen wie der OMV sponsern. Ein Interview mit Ex-Letzte Generation Mitglied Florian Wagner anlässlich einer Podiumsdiskussion.
Anfang August 2024 haben die Klimaaktivist*innen der Letzten Generation ihre Aktivitäten in Österreich eingestellt. Medial wie auch bewegungsintern wurde viel über Sinn und Unsinn ihrer Aktionen diskutiert. Dabei standen vor allem die Blockadeaktionen im Frühverkehr im Fokus. Doch das Repertoire der Aktionen der Letzten Generation war breiter – genauso wie die Akteur*innen, die dadurch konfrontiert wurden. Am 15. November 2022 schütteten zwei Klimaaktivisten eine nach Öl aussehende Flüssigkeit auf das Glas vor Gustav Klimts Gemälde „Tod und Leben“. Sie thematisierten damit auch das Sponsoring des Leopold Museums durch die OMV. Mittlerweile sponsert der Ölkonzern das Museum nicht mehr. Florian Wagner war damals an der Aktion beteiligt. Er schaut zurück und thematisiert die anhaltende Doppelmoral des Kultursektors.
Ein Interview von Leonhard Rabensteiner im Vorfeld der Podiumsdiskussion „Gekauftes Image – Das schmutzige Geschäft mit dem Kultursponsoring“ am 07. Mai 2025 veranstaltet vom Verein werbefrei und System Change not Climate Change.
Leonhard Rabensteiner: Florian, wieso habt ihr euch damals für so eine provokante Aktion entschieden?
Florian Wagner: Unser Ziel [als Letzte Generation, Anm.] war immer, die Klimakatastrophe in die Medien zu bringen. Wir denken, dass das häufige Ins-Bewusstsein-rufen dazu führt, dass Menschen ins Handeln kommen. Und hier war das spezifische Ziel auch, quasi vom Boulevard ins Feuilleton zu kommen, da die Aktion in einem Raum der Intellektuellen stattfand. Und nicht der Hackler auf der Straße betroffen war.
Unter Kunst- und Kulturschaffenden gibt es doch grundsätzlich eine größere Sensibilisierung für das Thema, zumindest größer als in anderen Bereichen. So gab es auch eine Solidarisierungskampagne mit Klimaaktivismus. Es gibt vermehrt Vermittlungsangebote und thematische Ausstellungen. Wie siehst du das Engagement des Kultursektors?
Florian Wagner: Nach der Aktion hatte ich mit vielen Menschen aus dem Bereich Kontakt und habe gesehen, wie eine Clique an Personen – meist dem Stereotyp entsprechende, alte, weiße Männer – den Betrieb der großen Häuser aufrecht erhält. Sie vermittelt einen Kunstbegriff, der so was von von gestern ist. Da gibt es die Genies wie Klimt oder Schiele, deren Meisterwerke bestaunt und ikonisiert werden. Das führt dazu, dass Menschen durch die Welt fliegen, um ein Selfie vor Gustav Klimts Kuss im Belvedere zu machen. Und Museumsdirektor*innen erzählen stolz, wie sie Photovoltaik am Dach installieren, LED-Lampen einbauen und mit dem Fahrrad ins Museum fahren. Das ist verlogen: Sie lügen nicht nur uns an, sondern auch sich selbst. Das gehört viel stärker öffentlich angeklagt. Diese Personen tragen eine hohe Verantwortung dafür, wie sie ihre Kulturbetriebe gestalten.
Das Leopold Museum hat 2023 die Aktion „A few degrees more“ gestartet. Dabei wurden Bilder um ein paar Grad schief gehängt und die Klimaerwärmung thematisiert.
Florian Wagner: Es hat geheißen, dass diese Aktion viele Menschen erreicht und zum Nachdenken gebracht hat. Wie man durch ein etwas schief hängendes Bild wirklich irritiert werden kann, kann ich selbst nicht ganz nachvollziehen. Hans-Peter Wipplinger, der Direktor des Leopold Museums, meinte jedenfalls, dass das viel smarter sei, um Bewusstsein für die Klimakrise zu schaffen, als die Aktionen der Letzten Generation.
Aus der Logik eines Museumsdirektors ist das nachvollziehbar. Die Werke sind ja quasi seine Schutzbefohlenen.
Florian Wagner: Klaus Albrecht Schröder [Direktor der Albertina, Anm.] hat uns einmal zu einem Gespräch eingeladen – vermutlich auch mit dem Gedanken, seine Werke zu schützen. Auch er hat uns gesagt, dass Museen nur in einem kleinen Rahmen agieren können. Das sehe ich aber anders: Direktor*innen könnten sich zusammentun. Sie können Einfluss auf die Politik nehmen, in welche Richtung sich der Kulturbetrieb mittelfristig entwickelt. Es gibt ja auch Häuser, in denen nicht nur hohe Besucher*innenzahlen und Tourist*innenströme im Vordergrund stehen, sondern wo z.B. auf ein qualitatives Vermittlungsangebot geschaut wird.
Mit eurer Schüttaktion habt ihr auch das Sponsoring des Leopold Museums durch die OMV thematisiert. Wie seid ihr darauf gekommen?
Florian Wagner: Das war quasi aufgelegt. Wir haben gesehen, dass Aktionen von Kolleginnen und Kollegen in Museen in Deutschland, Dänemark und England erfolgreich Reichweite erzielten. Das gesamte Leopold Museum war am Leopoldi-Tag in die Farben der OMV gehüllt. Es wurde für einen Tag mit gratis Eintritt komplett für Werbung an die Firma verkauft. „Tod und Leben“ ist ja auch thematisch passend.
Es gab in den letzten Jahren international viele Beispiele von Aktionen wie z.B. Flashmobs im British Museum gegen die BP als Sponsor, die das Sponsoring durch Ölkonzerne thematisierten. Meist führten sie zu deren Einstellung – und das in Ländern, in denen Kultur viel stärker auf nichtstaatliche Gelder angewiesen ist als in Österreich.
Florian Wagner: Museen eignen sich für die Imagepflege ideal. Um das zu sehen, braucht man nicht Werbung studiert zu haben.
Das Leopold Museum wird seit einem Jahr nicht mehr von der OMV gesponsert. Auch im Kunsthistorischen Museum soll sie nicht mehr als Generalsponsorin auftreten. Ist das ein Erfolg eurer Aktion oder Zufall? Ein öffentliches Statement gab es ja nicht.
Florian Wagner: Wir werden nie wissen, was im Büro des Direktors besprochen wurde. Öffentlich wird vermutlich immer abgestritten werden, dass die Aktionen einen Einfluss darauf hatten. International gibt es aber auch den Trend, dass sich Museen von dieser Art der Sponsorings lösen, auch weil sie intern umstritten sind. Wenn wir zu dem Entscheidungsprozess beigetragen haben, freut mich das.
Wie sollten Institutionen oder auch Festivals mit Sponsor*innen umgehen? Ethische Grundsätze gibt es ja offensichtlich. So sieht man etwa nur in Ausnahmen Tabak- oder Rüstungskonzerne in dieser Rolle. Sollte es Ausschlusskriterien geben, von wem öffentliche Häuser Geld annehmen dürfen?
Florian Wagner: Ich denke, dass es erst einmal Sinn macht, darüber zu reden, was mit den Geldern passiert. Wenn es nur darum geht, Besucher*innenzahlen und das internationale Prestige zu erhöhen, dann müssen erst einmal die Werte und gesellschaftliche Position der Institution hinterfragt werden. Das beantwortet dann auch die Frage, ob Geld von der OMV oder einem Rüstungskonzern angenommen werden soll. Ein gutes Beispiel ist Milo Rau, der nun die Wiener Festwochen leitet. Er hat im „Rat der Republik“ im letzten Jahr Menschen aus unterschiedlichen Bereichen in einen demokratischen Diskurs eingebunden. Der Rat diskutierte auch darüber, welche Regeln es für die Festwochen in den nächsten Jahren geben soll – auch beim Sponsoring. Da gab es manche, die sich für eine maximale Summe aus egal welchen Quellen aussprachen, da es ja für etwas Gutes genutzt wird. Andere widersprachen dem, weil es gegen ihre Überzeugungen ging.
Die Letzte Generation hat sich letzten Sommer aufgelöst. Wie geht es bei dir jetzt weiter?
Florian Wagner: Für die Letzte Generation war ich schon ein Jahr vor ihrer Auflösung nicht mehr aktiv. Mich beschäftigen gerade zwei Projekte: Das eine, Heimspiel, dreht sich um selbstorganisierte Versammlungen in Nachbarschaften – oder anders gesagt, um gutes Zuhören. Das andere ist das Kollaps-Café, in dem sich Menschen regelmäßig über ihre Gefühle angesichts der nicht mehr aufhaltbar scheinenden Krise austauschen können. Dieser Austausch ist sehr heilsam.
Die Podiumsdiskussion „Gekauftes Image – Das schmutzige Geschäft mit dem Kultursponsoring“ mit Florian Wagner, Darren Sutton und Anna Fras findet am 07. Mai 2025 um 18.00 Uhr im Kulturzentrum 4lthangrund, Augasse 2-6, 1080 Wien. werbefrei und System Change not Climate Change.
Interview & Foto: Leonhard Rabensteiner

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