Klimakrise: Schiffbruch oder Wandel

Nun, da das Abkommen der Pariser Klimakonferenz (schön langsam) analysiert wird, können wir vielleicht zufrieden sein, dass überhaupt ein globales Abkommen zustande gekommen ist. Aber während große Reden geschwungen werden, setzt die konservative Regierung Großbritanniens auf Fracking und in Deutschland stellt sich die SPD-Spitze hinter TTIP. Das untergräbt jegliche Glaubwürdigkeit im Kampf gegen die Klimaerwärmung. Wie groß wird die Kluft sein zwischen Worten und Taten?

Gemessen an der Übersetzung des 1,5-Grad-Ziels auf konkrete Taten ist das Ergebnis mangelhaft. Dies liegt an der Angst und Borniertheit der Entscheidenden, die in ihren Denkweisen gefangen sind und sich weiterhin einbilden, dass Klimaschutz mit dem Verlust von Arbeitsplätzen und Weiterstottern des Wachstums einhergehe. Auf manche Länder, deren Budgets stark von den Einnahmen aus fossilen Brennstoffen abhängig sind, sollte man nicht allzu große Hoffnungen setzen. Aber das größte Hindernis im Kampf für eine intakte Natur und lebenswerte Welt ist wohl die ungeheuerlich ungleiche Verteilung von Macht und Eigentum bzw. Besitz. Laut Zahlen der EZB verfügt das reichste Prozent in Österreich über 41 Prozent der geschaffenen Vermögenswerte. Im Gegensatz dazu verfügen die ärmsten 75 Prozent der Menschen in Österreich, also du und ich, über 14,22 Prozent des gesamten Vermögens.

Global gesehen ist die ungerechte Verteilung von Vermögenswerten noch krasser. Die Elite, das eine Prozent, hat gar kein Interesse an radikaler Veränderung; sie will den Status quo beibehalten und die heilige Kuh des Geldes weitermelken. Aber immer noch ist eine intakte Natur Voraussetzung für Leben. Die Zerstörung unserer Lebensgrundlage betrifft jeden einzelnen Menschen auf diesem Planeten, ob dieser nun von den Fluten des Meeres aus seiner Heimat vertrieben wird, er aufgrund von Dürren Hunger leiden muss oder nie gesehene Hochwasser und Stürme die Häuser der Menschen zerstören, ist einerlei. Klimawandel betrifft uns alle. Daher sind Lösungen notwendig.

Alle Wege radikal

Naomi Klein, kanadische Globalisierungskritikerin und Autorin des vielbeachteten Buches „This Changes Everything: Capitalism vs. The Climate“ zeigt auf, „dass wir völlig ohne Optionen dastehen, die nicht radikal sind.“ Die erste Option, ‚business as usual‘, also Weiterwirtschaften mit der Ideologie des freien Marktes, dem Raubbau an den Ressourcen der Natur und der Verbrennung fossiler Brennstoffe, erscheint auf den ersten Blick nicht sehr radikal. Wenn wir uns jedoch die Konsequenzen anhand von Klimamodellen vor Augen führen und in Betracht ziehen, welche Auswirkungen ein Temperaturanstieg von vier bis sechs Grad, verglichen mit den vorindustriellen Wärmegraden der Erdatmosphäre, hätte, dann ist schon aus Gründen der Selbsterhaltung der Menschheit ‚business as usual‘ eben keine Option.

Der zweite Weg könnte Geo-Engineering sein. Idee der VerfechterInnen des Geo-Engineering ist es, die Klimaerwärmung mit Hilfe von massiven technischen Eingriffen in unsere Ökosysteme aufzuhalten. Die Vorschläge zielen unter anderem darauf ab, die Sonneneinstrahlung auf die Erde zu beeinflussen, etwa durch Beförderung von Schwefeldioxid in die Stratosphäre. Andere Ideen peilen eine Reduktion der CO2-Emissionen an, beispielsweise durch Abscheidung von CO2 bei Kraftwerken, im Bergbau und bei Industrieprozessen und Lagerung des CO2s tief unter der Erdoberfläche.

Wer kontrolliert, wer profitiert?

Manch eine Idee der Geo-Engineers wird vielleicht in Zukunft Realität sein. Wir sollten uns aber den Risiken bewusst sein und auch den im besten Fall aufschiebenden und niemals lösungsorientierten Charakter des Geo-Engineering sehen. Denn ist es nicht so, dass hier genau die gleiche Denkweise vorherrscht, die etwa auch in der industriellen Landwirtschaft Anwendung findet? Ganz nach dem Motto: Wenn der Acker schon mal kaputt ist, dann spritz’ ma nochmal g’scheit Gift drauf, dann wird’s schon irgendwie recht werden.

Abgesehen von der absurden Denkweise hinter Geo-Engineering ist auch zu hinterfragen, wer diese Technologien kontrolliert, über sie verfügt und von ihnen profitiert. Welch erschreckend großen Einfluss große Energie-, Automobil- und Bankkonzerne auf politische Verhandlungen wie die Klimakonferenz in Paris haben, wurde durch ein Video deutlich, in dem UmweltaktivistInnen auf die Klimasünden dieser Konzerne aufmerksam machten und daraufhin von PolizistInnen und Sicherheitspersonal in zivil abgeführt wurden. In meinen Augen ist Geo-Engineering nur eine weitere Spielart von ‚business as usual‘, da es an den Besitz- und Machtverhältnissen nichts ändert. Es stellt keine Lösung dar, da es nicht am Kern des Problems ansetzt, dem Raubbau an der Natur und der Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen, sondern an dessen Konsequenzen.

Klimapolitik auf der Anklagebank

Die dritte Option ist eine Chance. Seit der Neuzeit hat sich der Glaube verbreitet, dass der Mensch die Natur beherrschen und sie seinem Willen unterwerfen kann. Wie ein Schlag ins Gesicht zeigt uns der Klimawandel, dass dem nicht so ist. Ganz im Gegenteil: Wir sind die Natur. Ebenso wie ein Tisch ohne Tischbein nicht stehen und sein kann, kann auch der Mensch ohne Tiere, Erde, Wasser, Luft, Sonne, ja, all die Teile, die das Ganze ausmachen, nicht leben und sein. Ein elementarer Bestandteil der dritten Option ist das Ende der Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen. Ein längst überfälliger Schritt liegt darin, die Subventionen für die Produktion von fossilen Brennstoffen zu streichen und in erneuerbare Energien zu stecken. Es ist unglaublich, dass die Subventionen der G20-Staaten für die Produktion von fossilen Brennstoffen fast viermal so hoch sind wie die Summe, die die ganze Welt in erneuerbare Energien investiert.

Wie die vorherrschende Ideologie des freien Marktes aktive Klimapolitik behindert und sabotiert, kann man anhand eines Beispiels in Ontario, Kanada sehen. Aufgrund der Krise im Jahr 2008 kam die Autoindustrie in Nordamerika ins Schlittern und es wurden großflächig Arbeitsplätze abgebaut. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, kam die Regierung mit dem Plan auf, bis 2015 vollständig auf Kohle zu verzichten. Es wurde ein Einspeisetarif für erneuerbare Energien entwickelt und jeder, der die Vorteile dieses Tarifs nutzen wollte, musste einen gewissen Prozentsatz seiner Sonnenkollektoren, Windturbinen etc. in Ontario produzieren lassen. Das schuf neue Arbeitsplätze und war ein hervorragendes Beispiel, wie man von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien umsteigen könnte. Aber nur solange, bis die EU und Japan Kanada wegen Protektionismus bei der WTO anklagte.

Weg in eine bessere Zukunft

Wenn wir die dritte Option verfolgen wollen, sollten wir der Austeritätspolitik ein Ende setzen, da sie unter anderem die Infrastruktur kaputtspart, anstatt sie auf die Herausforderungen des Klimawandels vorzubereiten. Schlüsselbereiche der Grundversorgung, wie etwa die Energieversorgung oder das Eisenbahnwesen, sollten in den Besitz jener kommen, die sie benützen. Die Verwaltung und Kontrolle dieser Bereiche sollte durch demokratische Wahlen legitimiert und das Ziel eine möglichst klimaneutrale und gute Befriedigung der Grundbedürfnisse sein.

Wir, die BewohnerInnen der westlichen Hemisphäre, haben die sich aus der Geschichte der Industrialisierung ergebende moralische Verpflichtung gegenüber denen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, aber am meisten unter ihm leiden, uns ernsthaft diesem Problem zu widmen. Wir sollten die Krise des Klimawandels als Chance sehen, um uns von der Sucht nach Öl, Gas und Kohle zu befreien. Lösungen sind notwendig und mit Verstand, Herz und Tatkraft auch möglich.

Es ist verständlich, dass wir Angst haben vor einer Zukunft, die so düster ist, dass wir sie uns nicht vorstellen, geschweige mit Modellen berechnen können. Aber wir dürfen nicht in Panik verfallen, denn sie ist ein schlechter Helfer und führt nur zu fahrlässigen, gefährlichen Handlungen. Stellen wir uns unserer Angst und besinnen wir uns der Kraft, die wir aus ihr schöpfen können, um uns auf den Weg in eine bessere Zukunft zu machen. Angst verleiht uns die Kraft, die wir für radikale Veränderung benötigen.

Clemens Brandstetter studiert Politik- und Wirtschaftswissenschaften, interessiert sich für Landwirtschaft, gutes Essen und Trinken und ist beim Wandel engagiert.

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