Anfang dieser Woche wurde der junge Antifaschist Jahn B. wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und damit zusammenhängend wegen schwerer Körperverletzung (nicht rechtskräftig) verurteilt. Neben der strafrechtlichen Anzeige, wurde Jahn von dem Polizisten, den er angeblich verletzt haben soll, auch zivilrechtlich belangt und zur Zahlung von Schmerzensgeld und der Übernahme der Anwaltskosten des Nebenklägers verpflichtet. Jahn schritt ein, als ein anderer Antifaschist von der Polizei nach einer Demonstration der Offensive gegen Rechts gegen den Aufmarsch deutschnationaler Burschenschafter verletzt wurde. Seine Zivilcourage kostet ihn nun knapp 15000 Euro und den letzten Rest Vertrauen in die Justiz. Über den Prozess und die Schlüsse, die er daraus zieht, sprach Jahn mit der mosaik-Redakteurin Natascha Strobl.
Natascha Strobl: Du hast nach der Demonstration am 4. Juni gegen den Aufmarsch von deutschnationalen Burschenschaftern die Verhaftung des Antifaschisten Hüseyin beobachtet. Was hast Du gesehen?
Jahn: Nach der Demonstration gegen das “Fest der Freiheit” der Burschenschafter, welche vollkommen friedlich abgelaufen ist, sind 30 schwer gepanzerte Polizisten in die U-Bahnstation Schottentor gestartet. ich war gerade in der Nähe weil ich auch heimfahren wollte. Jedenfalls bahnten sich diese 30 Polizisten ihren Weg durch die Menge an Demonstrant_innen und normalen Fahrgästen der U-Bahn Linien. Dabei gingen sie sehr rabiat vor und kümmerten sich nicht darum, dass Menschen auf die Gleise hätten fallen können. Sie nahmen dann Hüseyin fest, den ich damals noch nicht kannte.
Warum hast Du Dich entschieden nicht nur zu Beobachten? Was hast Du gemacht?
Ich war zutiefst erschrocken wie skrupelos und sinnbefreit die Polizei bei dieser Festnahme vorging. Aber der Moment, in dem ich zu mir sagte, ich muss da jetzt eingreifen, war als ich Hüseyin blutend im Schwitzkasten eines Polizeibeamten sah und daneben weinend seine jungen Verwandten standen. Daraufhin stellte ich mich vor die Polizisten, die Hüseyin abführten und schrie sie an, dass sie ihn sofort in ein Krankenhaus bringen sollen. Doch sie stießen mich einfach weg. Dann lief ich neben ihnen her und als ein Polizeibeamter grinsend rief, dass sich Hüseyin fallen lassen würde, obwohl dass nach meiner Einschätzung einfach nicht der Fall war, intensivierte er noch seinen Schwitzkastengriff. Daraufhin griff ich auf die Hand des Polizisten und versuchte den Griff zu lockern. Es gelang mir nicht, ich stolperte auf der Treppe und daraufhin war Hüseyin auch schon außer Sichtweite.
Der Prozess hat nun über ein Jahr gedauert. Warum?
Weil Gutachten eingeholt werden mussten, sieben Polizisten gegen mich aussagten und es zwei Videos gibt, die analysiert werden mussten. Aber der Hauptgrund war wahrscheinlich, dass das Gericht sehr großzügig mit der Länge der Intervalle zwischen den drei Prozesstagen war.
Wenn Du an den Prozessverlauf denkst, was hat dich am meisten schockiert?
Am meisten schockiert hat mich die Skrupellosigkeit der Polizei und ihre Macht auf die Judikative. Zum Beispiel der Polizist, der mir bei vor meiner Festnahme und während meiner Festnahme die Hoden gedrückt hat, hatte auch noch die Skrupel gegen mich auszusagen. Zu dem Hodengriff wurde er nicht einmal befragt. Der Richter hatte sein Urteil schon vor dem letzten Prozesstag geschrieben, es war ihm also egal, wie dieser ablief. Auch schockiert hat mich, dass ich in den Augen des Gerichts das Gefühl bekam, dass von Beginn an feststand, dass ich schuldig sei. Aufrechte und linke Menschen sollten keine Hoffnung in die Rechtsstaatlichkeit setzen, das hat mir der Prozessverlauf gezeigt.
Dein Prozess war nicht der erste gegen Antifaschist_innen. Siehst du hier eine Zunahme an Repression?
Antifaschistische und antirassistische Organisierungen in Österreich hatten die letzten Jahre viele Erfolge zu verzeichnen. Durch Demonstrationen, Aktionen usw. drängen immer mehr Menschen welche sich nicht durch die herrschende rassistische Politik vertreten fühlen auf die Straße und üben so Demokratie in ihrer reinsten Form.
Demokratie lebt von Teilhabe und die Machtzentren wollen diese Teilhabe nicht. Sie wollen das Monopol auf alles behalten. Auf Gewalt, auf Richtig und Falsch. Ganz einfach gesagt, für sie ist es nur Zivilcourage solange es nicht gegen sie geht und ihre Monopole nicht in Zweifel gezogen werden. Doch gleichzeitig habe ich hunderte von aufrechten und solidarischen Menschen kennengelernt, denen es um die Sache geht und ohne diese Menschen hätten die Machtzentren nicht solche Angst bekommen und das ist gut. Wir müssen sie überall wo es nur geht stressen und Risse in den Machtzentren erzeugen.
Wie kann man dich unterstützen? Wie geht es für Dich weiter?
Ich bin psychisch am Limit und jetzt bankrott. Darum hoffe ich natürlich auf Spenden, weil ich eigentlich nicht vorgehabt habe mit 22 auf 18.000 Euro Schulden zu sitzen und da ich keine reiche Familie habe bin ich auf Solidarität angewiesen. Andererseits kann dies auch gut sein denn je bekannter der Fall, mit seinen ganzen Widersprüchlichkeiten wird, desto mehr Leute wollen etwas gegen solche Ungerechtigkeiten tun. Denn solche Ungerechtigkeiten sind Alltag in unserem Land. Und wer will schon so in einem Land leben? Deswegen müssen wir etwas verändern.
Natascha Strobl ist Antifaschistin, bei Offensive gegen Rechts aktiv und betreibt den Blog schmetterlingssammlung.net.
Jahn B. studiert Politikwissenschaft an der Universität Wien und ist aktiver Antifaschist.
Solidarität ist eine Waffe! Wer Jahn unterstützen will, kann das hier tun:
Kontoinhaberin: Bündnis Linz gegen Rechts, IBAN: AT93 5400 0002 0065 9688, BIC: OBLAAT2L, Verwendungszweck: „Spende für Prozesskosten“