Die LINKE feierte bei der Bundestagswahl in Deutschland ein von Vielen nicht erwartetes Comeback. Eines der Erfolgsrezepte: Sie hat nicht die Heimat-Agenda der AfD verfolgt, sondern eigene Themen gesetzt. Das sollten KPÖ und Co auch in Österreich beherzigen, meint Barbara Steiner.
Die Parteien AfD und CDU/CSU, über die bisherigen Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP bis hin zum Bündnis Sahra Wagenknecht hatten in deutschen Wahlkampf eines gemeinsam: Sie alle forderten die verstärkte Einschränkung von Migration und vermehrte Abschiebungen. Nur die LINKE machte bei diesem Spiel, die AfD-Wähler*innen durch Übernahme von AfD-Themen für sich zu gewinnen, nicht mit. Die Partei kehrt Migration aber auch nicht unter den Teppich. Die Solidarität mit Geflüchteten und migrantischen Ausgebeuteten gehört zu ihrer Politik.
Fulminantes Comeback
Die LINKE in Deutschland hat gezeigt, dass bei einer Fokussierung auf soziale Themen – Wohnen, Energie, Mieten und Inflation –, die Frage der Menschenrechte nicht hintangestellt werden muss. Schon gar nicht müssen rechte Positionen übernommen werden. Dass „Identität und Klasse“ keine Gegensätze sind und Linke sie auch nicht als solche erzeugen müssen, hat die Partei eindrücklich gezeigt.
Das fulminante Comeback der vor einem halben Jahr totgesagten LINKEN gelang durch verschiedenen Mittel: Mit souveränen und pointierten Auftritten der Kandidat*innen wie der berühmt gewordenen Brandrede von Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek gegen das Packeln von der CDU mit der AfD. Mit der konkreten und praktischen Unterstützung wie der Mietwucherapp und dem Heizkostencheck. Auch zum Erfolg beigetragen haben 600.000 Haustürgespräche, wo der Fokus aufs Zuhören gelegt wurde, und eine humorvolle, gute und leichtfüßigen Social Media-Kampagne. Sie verband soziale Fragen, Antirassismus und Feminismus auf ganz natürliche Weise und hat sich auf großartige Weise verselbstständigt.
„Die Arbeiter haben kein Vaterland“
Es gibt in Österreich Linke, die Themen, Bildsprache und den Stil der FPÖ aufgreifen. Dazu gehören ein Bekenntnis zur Heimatliebe oder die Forderung nach patrouillierenden Wachpersonen zur Steigerung des Sicherheitsgefühls.
Es weisen Marx und Engels schon im Kommunistischen Manifest darauf hin, dass nicht der Bezug auf die Nation das Wichtige ist für die Kämpfe der Arbeiter*innenklasse. „Die Arbeiter haben kein Vaterland“: In den Kämpfen der Proletarier*innen – von der Nationalität unabhängig – sind die gemeinsamen Klasseninteressen entscheidend. Marx und Engels verweisen auf den Gegensatz der herrschenden und der unterdrückten Klassen im Innern einer Nation. Gleichzeitig gibt es die feindliche Stellung der Nationen gegeneinander. In dem Moment, wo die Bourgeoisie die Arbeiter*innen überzeugt hatte, sich anstatt hinter ihre Klasse doch hinter die Nation zu stellen, brach der Krieg aus. Dieser wiederum nützt nur der herrschenden Klasse.
Multikulti-Nation aufbauen
Es kann und soll und wird in einer besseren Welt ein multiethnisches, multireligiöses und multikulturelles Konzept und Verständnis von Nation geben. Die Linke muss diese Multikulti-Nation erst mitaufbauen. Linken soll gesagt sein, dass die rot-weiß-rote Fahne heute kein Symbol dafür ist. Wenn austrosyrische Demonstrant*innen in einem Meer aus Österreich-Fahnen gegen islamistischen Terror und Rassismus demonstrieren, ist das eine Verwendung der Nationalflagge, die nicht unter dem Verdacht der Anbiederung an Rechts steht. Anders verhält es sich aber, wenn österreichische Linke dies in ihrer alltäglichen politischen Kommunikation tun.
„Heimat im Herzen, Scheiße im Hirn“ ist ein knackiger und beliebter Slogan bei Demonstrationen gegen Rechte und ihre Heimattümelei – sei sie österreichpatriotisch oder deutschnational. Es ist nicht verwerflich, eine, zwei oder viele Heimaten zu haben oder zu finden. Nicht die Heimat, im Sinne von ‚zu Hause zu sein‘ oder geborgen sein – das wird ja oft als Synonym verwendet –, ist das Problem. Das Problem ist die Ausgrenzung, die damit verbunden wird. Die Heimat Österreich politisch zu lieben, hat immer den bitteren Beigeschmack des Reaktionären. Heimatliebe ist im herrschenden politischen Diskurs Österreichs ausgrenzend. Es gebraucht notwendigerweise ein „Wir“ und „die Anderen“. Die Anderen sind abgewertet und nicht zugehörig – je nach Hautfarbe, Pass, Herkunft, Sprachen, Verhalten etc..
Positionen der Rechten nicht aufgreifen
Die politische Strategie, als Linke die AfD- oder FPÖ-Wähler*innen anzusprechen muss scheitern. Das beste Beispiel ist Sahra Wagenknecht. Sie forderte rechtspopulistisch die radikale Begrenzung der Zuwanderung, die Abschiebung straffälliger Asylwerber*innen und die Kürzung von Sozialleistungen abgelehnter Asylwerber*innen. Ihre Strategie ging nicht auf. Sie zog, wenn auch nur ganz knapp, nicht in den Bundestag ein. Rechte Wähler*innen wählen rechts und nicht ein modifiziertes Abbild. Sie gehen zum Schmied und nicht zum Schmiedl. Das haben auch die Versuche der ÖVP, die FPÖ rechts zu überholen, gezeigt. Jene Linken, die rechte Positionen vertreten, tragen nur zur Normalisierung dieser und zu Rechtsverschiebungen in der Gesellschaft bei. Sie sind längst nicht mehr links.
Wer diesen Pfad einschlägt, kann es auch gleich sein lassen mit linker Politik. Die Strategie, auf die FPÖ-Wähler*innen zu orientieren, ist falsch. Sie lässt die Menschen, die zu den Feindbildern und Opfern der FPÖ gehören im Stich. Aber gerade das ist die Zielgruppe der Linken.
Beispiel Villach: Was soll eine linke Partei tun?
Die Linke oder eine kommunistische Partei muss linke Positionen und die Interessen jener vertreten, die sonst nirgends vorkommen. Die Armen, Frauen, Migrant*innen, Menschen mit Behinderung, LGBTQIA+, Geflüchteten, Prekarisierten, bezahlt und unbezahlt Arbeitenden, Arbeitslosen, Alleinerzieher*innen, Alten, Kranken, die Elenden und Erniedrigten, Verlassenen und verächtlich Gemachten. Sie muss auf prekäre Strukturen des öffentlichen Sektors hinweisen, auf fehlende soziale Infrastrukturen und Wohnungen, auf zu hohe Preise und zunehmende Belastungen. Sie muss konkrete Lösungen dafür finden und immer auch die Demokratie und Menschenrechte im Blick haben.
Das jüngste Beispiel in Österreich für das Vertreten von linken Positionen – wenn alle anderen nach rechts steuern – ist die klare, kluge und parteiische Positionierung der KPÖ Kärnten/Koroška und der Villacher Bezirksleitung der KPÖ zum Amoklauf in Villach. Sie drücken ihr Mitgefühl für die Betroffenen und die Angehörigen des getöteten Jugendlichen aus. Gleichzeitig verurteilen sie sämtliche Instrumentalisierungen der Tat durch die Politik- und Medienlandschaft. Sie machen klar, dass der kriminelle Anschlag nicht ausgenutzt werden darf, um gegen unschuldige Menschen Stimmung zu machen, anlasslose Überprüfungen von ganzen Bevölkerungsgruppen durchzuführen, willkürlich Mitbürger*innen aufgrund ihrer Herkunft unter Generalverdacht zu stellen und Persönlichkeitsrechte zu beschneiden.
Ein stabiles Einstehen für die Rechte von Minderheiten und Frauen widerspricht nicht dem Eintreten für die Interessen der Arbeiter*innenklasse. Um erfolgreich zu sein, darf die Linke die Politik und Themen der Rechten nicht aufgreifen.
Foto: Ilona Frey auf Unsplash

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