Kein Ende der Repression: Maja T. bleibt in Haft, der Staat schaut weg

Maja T. vor Gericht in Budapest

Im Rahmen des „Budapest-Komplex“ geht der politische Schauprozess gegen Antifaschist*in Maja T. in die nächste Runde. Maja befindet sich inzwischen seit 19 Tagen im Hungerstreik. Währenddessen schweigt die Bundesregierung weiterhin. Bjarne Duckert war bei den Verhandlungstagen vor Ort und berichtet über die jüngsten Entwicklungen des Justizskandals.

Seit fast einem Jahr sitzt die non-binäre antifaschistische Aktivist*in Maja T. in einem ungarischen Gefängnis in Isolationshaft, angeklagt wegen angeblicher Beteiligung an Angriffen auf Neonazis rund um den „Tag der Ehre“ 2023 in Budapest. Der Fall ist Teil des sogenannten „Budapest-Komplex“ und gilt vielen als politisch motivierter Schauprozess der autokratischen, queerfeindlichen Regierung Ungarns. Maja wurde im Juni 2024 rechtswidrig aus Deutschland ausgeliefert – trotz eines laufenden Eilantrags beim Bundesverfassungsgericht. Seither sind die Haftbedingungen menschenunwürdig. Die andauernde Isolationshaft und unzumutbare hygienische Zustände erhöhen den psychischen Druck auf Maja. Während Neonazis bei den Prozesstagen teils unbehelligt auftreten, wird Antifaschismus weiter kriminalisiert. Nun, im Juni 2025, fanden fünf weitere Verhandlungstage statt. Mit ihnen zeigen sich neue erschütternde Einblicke in ein Verfahren, das mit einem fairen, rechtsstaatlichen Prozess wenig zu tun hat.

Hausarrest verweigert – trotz fehlender Beweise

Am 5. Juni trat Maja T. aus Protest gegen die andauernde Isolationshaft und die menschenunwürdigen Haftbedingungen in den Hungerstreik – ein Schritt, den das Gericht zunächst teils ignorierte oder sogar offen in Zweifel zog. Die fünf angesetzten Prozesstage verliefen chaotisch: mangelhaft organisiert, teils sehr schlechte Übersetzungen und haufenweise technische Probleme. Zusätzlich wurde im gesamten Prozess bislang kein Beweis vorgelegt, der Maja belastet. Kein einziger Zeuge, der Maja erkennt, keine einzige Videoaufnahme, auf der Maja zu identifizieren ist. Trotzdem endeten die Verhandlungstage schließlich mit der Entscheidung, Maja weiterhin keine Haftverschonung zu gewähren: Der Antrag auf Hausarrest wurde abgelehnt. Maja bleibt also in Isolation und im Hungerstreik, der nun bereits den 19. Tag andauert. Während sich inzwischen auch Stimmen aus den Reihen der Grünen und der Linken für eine Rücküberstellung aussprechen, schweigt die Bundesregierung.

Maja T. im Gerichtssaal

Verfahrenschaos und Hungerstreik

In den Verhandlungstagen im Juni verdichtete sich das Bild eines Prozesses, der von Repression, Ignoranz gegenüber medizinischer Realität und einer strukturellen Missachtung grundlegender Rechtsprinzipien geprägt ist. Seit dem Beginn von Majas Hungerstreik vergeht kein Prozesstag ohne sichtbare Spuren dieser extremen Form des Widerstands: Maja wirkt zunehmend geschwächt, hat Probleme, sich zu konzentrieren , Kopfschmerzen und verliert rapide an Gewicht. Dennoch erklären Gefängnis und Gericht Maja regelmäßig für „verhandlungsfähig“, während Maja zwischenzeitlich kaum mehr den Ausführungen folgen kann. Der Hungerstreik wurde teils infrage gestellt oder lächerlich gemacht – etwa mit der absurden Behauptung, Maja würde heimlich essen. Dafür gibt es jedoch keinerlei Belege und die letzte Essensbestellung lag nachweislich Tage vor Beginn des Hungerstreiks. Das Gericht versucht ganz klar Maja den medialen und politischen Hebel zu nehmen, indem sie den Hungerstreik negieren.

Auch inhaltlich liefern die Prozesstage wenig, was die gegen Maja erhobenen Vorwürfe stützen könnte: Weder auf den gezeigten Videos noch in den Aussagen der rechtsextremen angeblichen Opfer ist Maja identifizierbar. Die Zeug*innen widersprechen sich, Kleidungsbeschreibungen wirken konstruiert. Ein medizinischer Sachverständiger bestätigte zwar, dass Verletzungen vorliegen – diese seien aber größtenteils leicht bis mittel und keinesfalls lebensgefährlich. Der Versuch der Staatsanwaltschaft, daraus ein dramatisches Gewaltbild zu konstruieren, scheiterte an der Einschätzung des Experten.

Gleichzeitig zeigen sich massive Verfahrensmängel: fehlerhafte Übersetzungen, nicht übersetzte Dokumente, technische Probleme, Missachtung internationaler Standards im Umgang mit hungerstreikenden Gefangenen – darunter auch die sogenannten Mandela Rules der UN. Majas Gesundheitszustand verschlechtert sich kontinuierlich. Dass die Verhandlung am 18. Juni erneut stattfand, obwohl Maja zu dem Zeitpunkt fast zwei Wochen keine Nahrung zu sich genommen hat, zeigt die Härte und Kälte dieses Prozesses. Der Verhandlungstag wurde ebenso wie der am 12. Juni verfrüht abgebrochen, da Maja gesundheitlich nicht mehr imstande war dem Prozess zu folgen.

Das Schaulaufen der Rechten

Am letzten Prozesstag des Monats zeigt sich erneut die bedrückende Realität des Verfahrens gegen Maja T.. Vor dem Gerichtsgebäude versammeln sich mehr als 100 Rechte aus diversen ungarischen Neonazi-Gruppierungen. Auf ihren Shirts prangen Slogans wie „Anti-Antifa“ oder „Good Night Left Side“. Sie beleidigen, bedrohen, filmen Maja-Unterstützer*innen gezielt und aggressiv. Auch im Gerichtssaal geht die Einschüchterung weiter: Neonazis fotografieren solidarische Beobachter*innen, der Richter greift nicht ein. Etwa 40 Menschen sind gekommen, um Maja zu unterstützen. Ihre Solidarität ist sichtbar, ihre Rufe und Musik vor dem Gebäude sind immer wieder im Verhandlungssaal zu hören.

Maja selbst ist deutlich geschwächt – nach über zwei Wochen Hungerstreik ist der körperliche Zustand kritisch, doch das Gericht ignoriert weiterhin die Warnzeichen. An diesem Tag sollen zwei angeblich geschädigte deutsche Faschisten aussagen: Sabine B. und Robert F., der sich selbst als Nationalist bezeichnet und offen von seinen Konzertbesuchen bei rechtsextremen Bands spricht. Die geplante Videoschaltung scheitert an technischen Problemen, eine Befragung findet kaum statt. Auch zwei weitere Zeug*innen können Maja nicht identifizieren.

Ein Aufmarsch von Rechten vor dem Gerichtssaal

Hausarrest abgelehnt – Gericht kriminalisiert Solidarität

Dann wird es grotesk: Es geht um die Fortsetzung der Untersuchungshaft. Die Verteidigung fordert, Maja aus der Isolationshaft zu entlassen und in Hausarrest zu überstellen. Majas Vater hat dafür eigens eine Wohnung in Budapest angemietet. Die Staatsanwaltschaft widerspricht mit haltlosen Behauptungen, diffamiert Maja ohne Belege und kriminalisiert selbst alte Ordnungswidrigkeiten wie Ruhestörung oder den Besitz einer Softair-Waffe im Jugendalter. Das Gericht folgt der Argumentation der Staatsanwaltschaft: Die Haft bleibt, unter anderem mit der Begründung, die antifaschistischen Solidaritätsaktionen seien ein Beleg für Majas Zugehörigkeit zu einer angeblich gewaltbereiten linken Struktur – ein absurdes Argument, das Solidarität und antifaschistischen Aktivismus klar kriminalisiert.

Maja antwortet darauf: „Sehen Sie mich als so gefährlich an, mit Fußfessel in einer Wohnung, die ich nicht verlassen darf? So bin ich gezwungen, den Hungerstreik weiter fortzusetzen.“ Der Verhandlungstag endet mit Fassungslosigkeit – und klaren Worten von Martin Schirdewan, Fraktionsvorsitzender von „The Left“ im EU-Parlament, der in Budapest vor Ort war: „Dieser Gerichtssaal fungiert als Kampfplatz zwischen Demokratie und Autokratie. Gerade Konservative, die sonst den Rechtsstaat immer sehr hoch halten stehen nun in der Pflicht für Maja einzusetzen“, sagt er in Richtung des deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz. Auch Stimmen aus der Grünen-Bundestagsfraktion fordern nun öffentlich die Rücküberstellung nach Deutschland. Doch vorerst bleibt Maja in Haft – ohne Schuldbeweis, ohne Perspektive, dafür mit immer bedrohlicherem Gesundheitszustand.

Antifaschistischer Protest vor dem Gerichtssaal

Solidarität auf den Straßen wächst

Am Wochenende vom 20. bis 22. Juni fanden im Rahmen der Antifaschistischen Aktionstage in zahlreichen Städten in Deutschland und Europa Solidaritätsaktionen für Maja T. statt. Menschen gingen auf die Straße, hielten Kundgebungen ab – etwa in Wien direkt vor der deutschen Botschaft. Die Aktionen sendeten ein starkes Signal: Maja ist nicht allein. Der Prozess wird kritisch begleitet, Repression gegen Antifaschist*innen wird nicht hingenommen.

Doch mit dem Beginn der sommerlichen Verhandlungspause droht die öffentliche Aufmerksamkeit abzunehmen. Währenddessen spitzt sich Majas Zustand in der Isolationshaft weiter zu. Der Hungerstreik dauert an, die Haftbedingungen bleiben menschenunwürdig. Die Sorge ist groß, dass das Verfahren aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwindet, sobald keine Prozesstage stattfinden – obwohl Maja weiterhin jeden Tag um körperliche Unversehrtheit und politische Sichtbarkeit kämpft. Die nächsten Verhandlungstage sind auf den 22., 26. und 29. September sowie den 2. und 8. Oktober angesetzt. Am letzten dieser Termine soll nach aktuellem Stand das Urteil fallen. Maja droht eine Freiheitsstrafe zwischen zwei und 24 Jahren.

Fotos: privat

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