Sexuelle Belästigung ist in Österreich schon länger strafbar. Darunter fallen aber nur unerwünschte „geschlechtliche Handlungen“. Da der Hintern nicht als „geschlechtlich“ angesehen wird, fällt auch das Po-Grapschen nicht darunter. Angelika Adensamer antwortet auf fünf Fragen, die in dem Zusammenhang immer wieder auftauchen.
In einer von Justizminister Brandstetter am 13. März 2015 präsentierten Strafrechtsreform wäre die Erweiterung auf „vergleichbare, der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige körperliche Handlungen“ vorgesehen gewesen, und damit auch das Po-Grapschen strafbar geworden. Am 30. Mai verkündete Brandstetter jedoch, diese Änderung solle doch nicht kommen. Ihm zufolge sei es „nicht möglich“ im Strafrecht zwischen akzeptablen und nicht akzeptablen Berührungen zu unterschieden. Frauenministerin Heinisch-Hosek besteht allerdings weiterhin auf der Reform. Auch die Grünen, die SPÖ Frauen, die Sektion 8, die Kampagne Gewaltfrei Leben, die Österreichische Frauenring, etc. unterstützen die Reform und kämpfen nun dafür, dass die Ausweitung der „sexuellen Belästigung“ bleibt.
Wieso soll das Po-Grapschen jetzt wieder doch nicht in die Reform?
Gute Frage. War es der Abgeordnete einer Kleinpartei, der mit absurd sexistischen Aussagen, Sendezeit im öffentlichen Fernsehen bekommen hat? Waren es die Strafrechtsprofessoren (ja, in dem Fall nur Männer), die glauben, beim Walzer gehört die Hand auf den Hintern? Oder die Juristen*, die in den parlamentarischen Stellungnahmen so stichhaltige Argumente brachten, wie, dass Frauen* doch gerne von „wildgewordenen Penissen überfallen“ werden würden („Völlig gewaltfreie Sexualität zu fordern, ist die Forderung nach Lustlosigkeit“)? Dass die Stellungnahmen überwiegend negativ ausgefallen wären, wie von Brandstetter behauptet, ist jedenfalls falsch. Viele Expert*innen haben sich für die Änderung ausgesprochen, wie die Strafrechtsprofessorin Katharina Beclin, deren Schwerpunkt unter anderem auf Sexualkriminalität liegt und die Gleichbehandlungsanwaltschaft, die unter anderem eine Anlaufstelle für Belästigungsopfer ist.
Ist es wirklich unmöglich diesen Paragraphen so zu formulieren, dass er verständlich und vorhersehbar ist?
Nein. Das behauptet zwar der Justizminister, stimmt aber nicht. Tatsächlich gibt es die sexuelle Belästigung als juristischen Begriff schon, und zwar im Arbeitsrecht. Was darunter verstanden wird, ist eindeutig und hier nachzulesen. Diese Definition ins Strafrecht zu übernehmen, wäre nur eine von vielen Möglichkeiten. Auch eine deutlichere Formulierung wäre eine Option, daran zu feilen wäre auch eigentlich die Aufgabe der Legist*innen im Ministerium. Abgesehen davon stören undeutliche und unvorhersehbare Strafparagraphen oft auch niemanden. Dass plötzlich Aktivist_innen als kriminelle Organisation gelten? Dass eine Wurstsemmel herschenken als Schlepperei gilt? Das Trommeln in der Samba-Gruppe als Störung einer Versammlung? Unvorhersehbarkeiten, über die sich die, die heute laut schreien, nicht beschwert haben. Sind Flüchtlinge oder linke Aktivist_innen von Kriminalisierungsexperimenten betroffen, scheinen die Vorhersehbarkeit und Bestimmtheit plötzlich keine Rolle mehr zu spielen.
Wäre es nicht ein Problem, wenn Männer völlig unschuldig Strafen bekommen würden, obwohl sie nur flirten wollten?
Nein, denn es ist eine falsche Annahme, dass Männer* nicht wissen, wo Grenzen sind. Männer* sind mündige Bürger, die soziale Normen sehr gut verstehen und sich daran auch halten können – wenn sie nur wollen. Es gibt auch psychologische Studien, die das in Bezug auf unerwünschte Annäherungsversuche beweisen. Dass in dieser Debatte von Männern* so getan wird, als wären sie dazu nicht fähig, liegt daran, dass diese Männer* darum kämpfen, weiterhin ungestraft grapschen zu dürfen. Dies ist ein Kampf um körperliche Autonomie und sexuelle Selbstbestimmung, insbesondere die von Frauen*.
Ist Österreich nicht eigentlich international verpflichtet die sexuelle Belästigung unter Strafe zu stellen?
Ja und nein. Die Istanbul-Konvention, die Österreich ratifiziert hat und auch schon seit 1. August 2014 in Kraft ist, sieht vor, dass jede Form der sexuellen Belästigung geahndet werden kann. Das inkludiert jede Art von belästigendem Verhalten, sogar rein verbales, wovon bis jetzt noch nicht einmal die Rede war. Das bedeutet, auch der ursprünglich vorgeschlagene erweiterte Tatbestand wäre bei weitem noch nicht umfassend genug, um internationale Verpflichtungen einzuhalten. Allerdings muss die Belästigung nicht unbedingt im Strafrecht geregelt werden, auch Verwaltungsstrafen oder zivilrechtliche Sanktionen sind rechtlich möglich. Kommt die Bestimmung nicht ins Strafrecht, könnte man sie z. B. als Verwaltungsstrafe fassen, ähnlich wie die Verwaltungsstrafe für Diskriminierungen, die es seit 2012 gibt, aber nicht besonders bekannt ist. Auch kann man schon heute Schadenersatz für eine erlittene sexuelle Belästigung verlangen (und das inkl. Griffe aufs Gesäß und z.B. auch verbale Belästigungen) – allerdings nur wenn die Belästigung am Arbeitsplatz stattgefunden hat. Wie die Regierung nun genau vorhat, diese selbst eingegangenen internationalen Verträge zu erfüllen, ist noch unklar.
Ich bin eigentlich dagegen, dass der Staat alles mögliche bestraft. Ich bin auch gegen Gefängnisse und gegen die Polizei. Warum soll ich dann für die Ausweitung von Strafbestimmungen sein?
Diese Frage ist ein bisschen schwieriger zu beantworten. In vielerlei Hinsicht lässt unser heutiges Strafsystem viel zu Wünschen übrig und dient hauptsächlich der Repression. Das Versprechen der „Besserung“ und „Re-Sozialisierung“ durch Strafe wurde nie eingelöst. Dennoch stellt unser heutiges Strafgesetzbuch einen wichtigen Normenkatalog dar, an dem sich akzeptable Verhaltensweisen orientieren. Ein Teil dieser Orientierung liegt auch im Vergleich, z. B. zwischen Vermögensdelikten und Delikten gegen Leib und Leben. Hier fällt eine Entscheidung, was als schlimmer angesehen wird. Und diese Wertungen sind, so schwierig sie auch manchmal zu treffen sind, für eine Gesellschaft wichtig. Es ist wichtig, klar zu stellen, das Grapschen am Hintern genau so unerwünscht ist, wie am Busen. Auch wenn sich irgendwann vielleicht etwas an Polizeirepression und Strafen ändert, kann diese Wertung bestehen bleiben.
Angelika Adensamer ist Juristin, Redaktionsmitglied der Zeitschrift juridikum, aktiv im rechtsinfokollektiv und auf Twitter unter @herrangelika zu finden.