Wie der Orbán-Sympathisant Janez Janša die slowenische Demokratie aushöhlt

Inmitten der Corona-Krise bekam Slowenien eine neue Regierung. Der Orbán-Sympathisant Janez Janša wurde zum dritten Mal Premierminister – und er fackelte nicht lange. Nur wenige Tage nach seiner Angelobung begann er seine Macht auszubauen. Zentrales, staatliches Personal tauschte er aus. Wie es Janša immer wieder an die Macht schafft und was er vor hat, hat Ana Podvršič aufgeschrieben.

Die SDS (Slowenische Demokratische Partei) ist wieder einmal an der Regierung, ihr Vorsitzender Janez Janša wieder Premierminister. Er, der das Amt schon von 2004 bis 2002 und 2012 bis 2013 inne hatte, stützt sich auf drei andere Parteien. Zwei von ihnen saßen bis vor einem Monat noch in einer anderen Regierung und gingen vor den Nationalratswahlen 2018 mit einer klaren Anti-SDS-Haltung auf Stimmenfang. Die Episode verdeutlicht in aller Klarheit die Krise des politischen Systems in Slowenien – und sie brachte eine Rechtsaußen-Partei an die Macht.

Nur zehn Tage nachdem Janša am 3. März 2020 als Premier angelobt wurde, nutzte er die Corona-Krise für den Ausbau seiner Macht. Er setzte einen Krisenstab mit weitreichenden Kompetenzen ein, ohne dass er dafür die notwendigen Rechte besaß. Und er setzte den Polizeichef, den der Streitkräfte und den Chef des Militär-Geheimdienstes ab.

My Name is Janez Janša

Dabei waren Janša und die SDS schon davor stark umstritten. Er gilt in der Europäischen Volkspartei als einer der stärksten Unterstützer Viktor Orbáns. Janša teilt mit Orbáns Fidesz viel mehr als nur die Idee eines neoliberalen, anti-migrantischen und autokratischen Staatsprojekts. Ähnlich wie Fidesz formte sich Janšas‘ SDS in den 1980ern und stützt sich auf ein weitreichendes Netzwerk von Aktivist*innen aus verschiedenen Generationen und Regionen. Weitere Unterstützung erfährt die SDS von einflussreichen Medien, die teilweise von Orbán nahestehenden Personen kofinanziert werden.

Janšas wiederholter Aufstieg auf den Thron ist die Folge einer Krise des politischen System Sloweniens, die seit 2008 andauert. Seit 2009 waren sechs verschiedene Regierungen im Amt, die jeweils vor Ende der Wahlperiode zurücktreten mussten. Dennoch nutzen seither Regierungszusammensetzungen aller Couleur die Krise, um Privatisierungen, Marktliberalisierung und Rückbau des Wohlfahrtsstaates voranzutreiben – oft mit autoritären Mitteln. Die Großparteien – Liberaldemokrat*innen und die Sozialdemokrat*innen – erlitten einen erheblichen Imageschaden. Dadurch entstand Raum für Newcomer-Parteien, meistens Bündnisse pro-kapitalistische politischer Opportunist*innen.

Diese oft stark personenzentrierten Parteien gewannen zu Beginn rasch Wähler*innenstimmen, verloren diese aber genauso schnell wieder, nachdem sie in die Regierung kamen und verstärkt neoliberale Politiken mit Rechtsaußen-Rhetorik verbanden. Zu den „Haupterrungeschaften“ der vergangenen Regierungen, die sich als neue Gesichter mit mitte-links Affinität inszenieren, zählen: die anhaltende, restriktive Fiskal- und Austeritätspolitik, weiträumige Privatisierungen von Unternehmen und Banken, das Errichten von Grenzzäunen und die Installierung eines offen rassistischen und chauvinistischen Sicherheitsexperten als Staatssekretär.

Aufstieg…

Das jüngste Beispiel für die zerrüttete politische Landschaft waren die Wahlen 2018. Nur knapp 53 Prozent Wahlbeteiligung, eine enorme Streuung der Stimmen und einen Wahlsieger, der lediglich 13 Prozent bekam. Es war Marjan Šarec, mit seiner 2014 gegründeten Liste LMŠ, erreichte damit den zweiten Platz. Nur die SDS mit fast 25 Prozent schnitt besser ab. Mit Hilfe von sechs anderen Parteien konnte Šarec aber gegen sie eine Minderheitenregierung durchsetzen. Er schaffte das auch, weil er versprach, nicht mit Janša zu koalieren.

Dazu zählte auch Levica, eine linksradikale parteiförmige Initiative. Sie gründete sich 2014 und war ein Ergebnis der Massenproteste gegen die Janša-Regierung in den Jahren 2012 und 2013. Gemeinsam mit zwei anderen Parteien und kleineren zivilgesellschaftlichen Initiativen verhinderte Levica während der Jahre der Proteste weitere Gewinne der extremen Rechten in Slowenien.

Bei den Wahlen 2014 erreichte die damals noch unter dem Namen Vereinigte Linke antretende Linkspartei fast sechs Prozent der Stimmen. Die Linke punktete bei dieser Wahl in der linksgerichteten intelligentsia und in der traditionell antifaschistischen Küstenregion. Sie konnte zudem mit einer klaren Haltung gegen Privatisierungen auch die breitere Bevölkerung ansprechen.

…und Fall der Linkspartei

Einmal ins Parlament gewählt, fokussierte sich die Linke jedoch auf parlamentarische Aktivitäten. Es ging auf Kosten von Basisaktivismus und dem Austausch mit Gewerkschaftsaktivist*innen. 2016 erschütterte ein interner Konflikt die Partei. In Folge trat fast ein Drittel der aktiven Mitglieder aus der Partei aus.

Grund dafür war die Unzufriedenheit mit dem politischen Machthunger des Parteikerns. Die Linke, die sich ursprünglich gegen die Unterdrückung der Arbeiter*innenklasse und den neoliberalen Slogan „There is no Alternative“ einsetzte, wandelte sich zunehmend in eine Repräsentantin der urbanen, gut gebildeten Mittelklasse. Im Hinblick auf die Wähler*innenstimmen stellte sich diese Strategie als zweischneidiges Schwert heraus.

Die Linke verlor einerseits einen beträchtlichen Teil an Unterstützung aus linksradikalen Kreisen und Bewegungen. Gleichzeitig begann sie aber Sympathien bei jenen Wähler*innen zu gewinnen, die von den „Gesichtern der neuen Mitte“ enttäuscht worden waren und sich mit ihrem Wunsch nach ehrlicher Sozialpolitik bei der Linken aufgehoben fühlten. Der Linken gelang es, ihre Wähler*innenstimmen 2018 noch einmal leicht zu erhöhen und Šarec‘ Minderheitsregierung zu stützen. Als Bedingung für die Unterstützung der Minderheitenregierung setzte die Linke die Unterzeichnung eines Memorandums voraus, das die Umsetzung verschiedener sozialpolitischer Maßnahmen vorsah.

Der Gipfel der aktuellen Regierungskrise

Nach kurzer Zeit wurde jedoch klar, dass die regierende Koalition keinerlei Intention zeigte, die Versprechungen gegenüber Levica einzuhalten. Nach harten, aber erfolgreichen Verhandlungen für eine Erhöhung des Mindestlohns kündigte die Linke ihre Unterstützung der Minderheitsregierung auf. Weitere Abdankungen folgten, bis die Regierungskrise im Zuge der Verhandlungen zur Gesundheitsreform im Januar 2020 ihren Höhepunkt erreichte. Premier Šarec musste zurücktreten. Zu diesem Zeitpunkt war die Regierung bereits von internen Disputen, politischen Alleingängen und gegenseitigem Misstrauen stark angeschlagen.

Šarec hoffte in dieser Situation, dass seine Koalitionspartner*innen – allen voran die Partei des modernen Zentrums und die Demokratische Pensionisten Partei Sloweniens  ihre Wahlversprechen halten und sich nicht auf eine Koalition mit der Rechtsaußen-Partei SDS einlassen würden. Šarec irrte und unterschätzte die Angst beider Parteien vor einem möglichen Machtverlust. Keine der beiden Parteien würde im Zuge einer neuen Vorwahl wieder den Weg ins Parlament finden. So kam es dazu, dass die beiden Parteien bereits drei Wochen nach Šarec‘ Rücktritt einen neuen Koalitionsvertrag mit der SDS unterschrieben, gemeinsam mit der rechtskonservativen und als ultra-katholisch geltenden Partei Neues Slowenien.

Triste Ausblicke

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwer, Prognosen über die neue slowenische Regierung anzustellen. Nicht nur macht der Corona-Virus jeder Vorhersage schwer, das neue Koalitionspapier enthält ohnehin nur unklar formulierte Vorschläge. Die neue Koalition stellt eher eine neue Aneinanderbindung politischer Player dar als ein klares politisches Projekt. Das Koalitionsabkommen beinhaltet nichtsdestotrotz bereits weitere Einschränkungen des Sozialssytems, die Ausbreitung von privaten Akteur*innen im Sozial- und Bildungsbereich, die Stärkung von Grenzkontrollen und die Wiedereinführung des in den frühen 2000ern abgeschaffte Wehrpflicht. Dahingehend zeigt sich klar und deutlich, welche Antwort die neue Koalition auf soziale Unsicherheiten, vor allem an junge Menschen, zu geben gedenkt. Autoritäre Militarisierung, legitimiert durch eine Kombination aus anti-migrantischen Erzählungen und der Stärkung traditioneller Werte. Auch wenn diese Vorhaben nur teilweise umgesetzt werden, würden sie ein weiteres Erstarken von rechts-außen Kräften in der post-sozialistischen Peripherie Europas bedeuten.

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