Die Sozialdemokratie konnte ihr Ziele bei der Nationalratswahl nicht erreichen. In der Partei gibt es dennoch positive Stimmen. Die Initiative Mitmachen gibt mosaik einen Einblick in ihren SPÖ-Wahlkampf und ihr daraus resultierendes Resümee.
Mit der Kandidatur Andi Bablers am 23. März 2023 für den SPÖ-Parteivorsitz begann eine unwahrscheinliche Entwicklung der Sozialdemokratischen Partei Österreichs. Über 10.000 Menschen traten der SPÖ bei. Im Rahmen des internen Wahlkampfs wurden hunderte Menschen in ganz Österreich aktiv. Sie wollten über schnell und provisorisch aufgezogene Graswurzelstrukturen Andi Babler im Netz, telefonisch und bei Veranstaltungen unterstützen. Diese Graswurzeln trugen dazu bei, dass bei der Mitgliederabstimmung ein Dreier-Patt zwischen Hans Peter Doskozil, Andreas Babler und Pamela Rendi-Wagner entstand. Durch Rendi-Wagners Rückzug konnte sich Babler am Sonderparteitag gegen Doskozil durchsetzen. Der Kandidat der einfachen Mitglieder und der Rückorientierung zu den sozialdemokratischen Grundwerten hatte die Mehrheit erlangt.
Eine Mitgliederpartei – aber wie?
Aus den spontanen Unterstützungsstrukturen, die sich um die Kandidatur von Andi Babler geformt hatten, entwickelte sich ein Teil zu einem langfristigeren Projekt weiter. Die Initiative Mitmachen. Die Herausforderung war klar. Andi Babler hatte tausende Menschen dazu gebracht, neu in die SPÖ einzusteigen und nochmal tausende Alt-Mitglieder wieder aktiviert. Doch was gibt es für Mitglieder eigentlich zu tun?
Neben lokalpolitischen Agenden und Zettel verteilen im Wahlkampf bieten einige Strukturen innerhalb der SPÖ nicht mehr viel an. Für Neumitglieder, die wegen bundespolitischen Themen in die SPÖ eingetreten waren, keine besonders ansprechende Perspektive. Auch Mitglieder, die einen „Babler-Moment“ erlebt hatten – also bei einer seiner Veranstaltungen die Begeisterung spürten, die Andi Babler oft auslöst – waren anschließend häufig mit unflexiblen Strukturen konfrontiert, die den politischen Kampfgeist nicht gerade förderte.
Die Initiative Mitmachen setzte sich also zum Ziel, ein Ort zu sein, wo alle, die wollen, einen Beitrag leisten können, um Andi Babler zum Bundeskanzler zu machen. Dafür musste sie schnell wachsen. In insgesamt fünf Bundesländern konnte die Initiative Mitmachen bis zum Nationalratswahlkampf Aktivitäten setzen und vier Regionalgruppen gründen. Die Hierarchien waren flach, die Aktivist*innen divers. Ob Neumitglied oder schon Jahrzehnte aktiv, Penstionist*in, Arbeitnehmer*in oder Parteifunktionär*in. In der Initiative Mitmachen galt, wer mitarbeiten will, ist herzlichst eingeladen und soll auch mitgestalten. Neben Regionalgruppen bildeten sich schnell Arbeitsgruppen. Ob zur Social Media-Arbeit, Telefonieren oder Ausarbeiten von Konzepten – überall wurde österreichweit zusammengearbeitet.
Wahlkampf: mitgliederzentriert und leicht gemacht
In den letzten Jahren waren die Wahlkämpfe top-down organisiert. Wichtig waren öffentliche Spins, glatte und gecoachte Kandidat*innen, Wahlwerbung und Goodies, die an Mitglieder und Basisfunktionär*innen weitergegeben wurden. Mit dem Auftrag, diese zu verteilen. Für viele Mitglieder wurde es von Jahr zu Jahr schwieriger, mit voller Begeisterung für eine Partei zu laufen, deren Inhalte und Spitzenfunktionär*innen sich immer wieder änderten und auf die niemand so richtig Einfluss hatte. Straßenwahlkämpfe wurden häufig zu Gruppentreffen der Funktionäre, wo kaum Kontakt zur Bevölkerung gesucht wurde.
Die Initiative Mitmachen stellte den Wahlkampf auf den Kopf. Ein mitgliederzentrierter Wahlkampf wurde entwickelt. Das bedeutete, nicht die Spitzenpolitik, nicht die aktuellen Medieninszenierungen oder Skandale, sondern die Person selbst ist Mittelpunkt der Botschaft. Wir alle sind politische Wesen mit Meinungen, Haltungen und Überzeugung. Die Aktivist*innen der Initiative Mitmachen waren in dem Moment, in dem sie mit Wähler*innen in Kontakt traten, alle Vertreter*innen der SPÖ.
Darauf wurde der Schwerpunkt gelegt. Im Gespräch mit Bekannten, aber auch fremden Personen zu kommunizieren, warum man selbst überzeugt ist, die SPÖ zu wählen und sogar dabei mitzumachen. Kritische Meinungen zur SPÖ waren herzlichst willkommen. Alle Wahlkämpfer*innen und Wähler*innen hatten guten Grund, die SPÖ in ihrer Vergangenheit kritisch zu betrachten. Ein ehrlicher Umgang mit der eigenen Vergangenheit bedeutet Respekt. Sowohl Aktivist*innen als auch Wähler*innen können ehrlich und authentisch kommunizieren, statt sich hinter Wahlslogans zu verstecken bzw. damit konfrontiert zu sein.
Ein weiterer Vorteil mitgliederzentrierten Wahlkampfs: Man muss nicht alle SPÖ-Positionen kennen (und schon gar nicht mit ihnen übereinstimmen), um Wahlkämpfen zu können. Wichtig ist es, dem Gegenüber zuzuhören und die eigenen Überzeugungen kommunizieren zu können. Um den Einstieg in den Aktivismus so leicht wie möglich zu gestalten, gab es vor jeder größeren Aktion spezifische Kurztrainings um innerhalb von 15 Minuten alles zu vermitteln, was dafür notwendig war.
Bewährtes aus dem internationalen Raum
Durch enge Zusammenarbeit mit kanadischen und britischen Genoss*innen konnte die Initiative Mitmachen viel internationales Know-How in die Aktionsformen einfließen lassen, die sie für die Nationalratswahl entwickelte. Dabei entstanden die inhaltlichen Herzstücke: die Mitmachpakete. Mit der methodischen Grundlage von bewährten Wahlkampfmethoden entwickelte die Initiative Mitmachen Hausbesuchsaktionen und Methoden zum Wahlkampf im persönlichen Umfeld, die zusammengefasst in Aktionstagen in ganz Österreich umgesetzt wurden. Diese Aktionsformen waren dort besonders erfolgreich, wo es eine enge Zusammenarbeit mit den lokalen SPÖ-Strukturen gab. Dort, wo es bereits hohe Motivation gab und schon vieles selbst ausprobiert wurde, konnten sich die Konzepte der Initiative Mitmachen voll entfalten.
Der nächste Schritt: Mitmachpartei
Mit der geschlagenen Wahl konnte das erste Ziel der Initiative Mitmachen, Andi Babler zum Bundeskanzler zu machen, nicht erreicht werden. Dennoch hat sie das Versprechen, das Andi Babler zu seinem Antritt gemacht hatte, nicht vergessen. Eine Sozialdemokratie, die wieder selbstbewusst, offen und breit aufgestellt ist. Dort, wo die Initiative Mitmachen gemeinsam mit den Lokalstrukturen wahlkämpfte, konnten regionale Gewinne verzeichnet werden. Der mitgliederzentrierte Wahlkampf hat funktioniert. Um eine österreichweite Trendwende zu erreichen, hat die SPÖ aber noch einiges zu tun.
Dafür muss sie sich zu einer Mitmach-Partei weiterentwickeln. Der Drang nach einer offenen, respektvollen und inhaltlich mit den Werten Andi Bablers übereinstimmenden SPÖ wird von Woche zu Woche größer. Nun gilt es, die Vision weiter zu bauen, Mitmachen auch außerhalb von Wahlkämpfen in der SPÖ aber auch im Austausch mit der Bevölkerung zu leben. Und zu guter Letzt nachhaltig wieder Mehrheiten gegen Schwarz-Blau zu erkämpfen.
Mehr über die Initiative Mitmachen erfährst du hier.
Titelbild: Initiative Mitmachen