Impuls Akademie: „Wieso sollte Bildung nicht Teil der Bewegung sein!?“

Fäuste ballen auf der Impuls Akademie

Anfang April fand in Zöbern bei Wiener Neustadt die Impuls Akademie statt – ein einwöchiges Trainingsformat für politische Arbeit und Aktivismus. mosaik-Redakteur Hannes Grohs hat Laura Grossmann und Emily Laquer aus dem Organisations- und Trainer*innenteam getroffen. Er sprach mit ihnen über eine ungewöhnliche Woche.

Aktionsdesign, Organizing, Diversität. Macht. Konflikte., Kampagnenstrategie und Radikale Medienarbeit – in einem dieser fünf Kurse konnten sich die über 60 Teilnehmer*innen der diesjährigen Impuls Akademie vertiefen. Vom 30. März bis zum 06. April hatten sie dafür Zeit. Mit dabei: Laura Grossmann und Emily Laquer. Laura war Teil des rund zehnköpfigen Organisationsteams und leitete gemeinsam mit Adrian Sina Vollmer den Kurs Diversität. Macht. Konflikte.. Emily begleitete den Strang Radikale Medienarbeit als Trainerin. Was sie dafür mitbrachte? Jede Menge Erfahrung als Medien-Coach und Gründerin der Aktivistinnen-Agentur hartaberlinks. Im mosaik-Gespräch erzählen Laura und Emily von einer intensiven Woche, schönen Momenten und welche Kritik weh tut.

mosaik: Emily und Laura, hinter euch liegt eine intensive Woche auf der Impuls Akademie. Was war das anstrengendste?

Laura: Das Zusammensein mit insgesamt 70 Personen für eine ganze Woche.

Emily: Das instabile WLAN (lacht). Ganz ehrlich: Von mir aus hätten wir noch Wochen weitertrainieren können.

mosaik: Das deutet darauf hin, dass es auch viel Schönes gab. Was waren für euch Highlights?

Laura: Das Zusammensein mit insgesamt 70 Personen für eine ganze Woche! Ich erlebe selten so viele so motivierte und inspirierende Menschen an einem Fleck, die noch dazu aus ganz unterschiedlichen Kontexten kommen. Die Teilnehmenden sind in über 45 Organisationen aktiv; von Zürich bis Wien, von Hamburg bis Kärnten. Sie sind aktiv für Feminismus, Klima, Anti-Speziesismus, Anarchismus, leistbares Wohnen, Anti-Faschismus, linke Medien, …

Emily: Safe, die Aktivist*innen. Es gab das Gerücht, dass mein Kurs nur noch feiert, weil wir nach den Pausen so viel (und laut) getanzt haben. Unser Lieblingsspiel war ein Zungenbrecher, bei dem du ein „dichtes Fichtendickicht“ im Kreis weitergibst. Dabei rutscht schnell ein „dickes Fick dich“ raus. Wer lacht verliert. Nach 7 Tagen haben wir uns alle mit einem herzlichen „fick dich!“ verabschiedet. Kursinhalte prägen die Gruppendynamik. Auf die Kacke hauen, laut werden, bloß nicht langweilen: Das ist radikale Medienarbeit.

mosaik: Gehen wir von der radikalen Medienarbeit noch einmal einen Schritt zurück: Laura, was ist die Impuls Akademie? Wer steht dahinter und warum habt ihr sie dieses Jahr bereits zum zweiten Mal organisiert?

Laura: Die Impuls Akademie ist eine einwöchige tiefgehende Fortbildung für Aktivist*innen. Teilnehmende entscheiden sich für einen von mehreren Kursen und steigen die ganze Woche lang tief in das Thema ein. Dabei geht es nicht um theoretisches Wissen zu Feminismus oder Klimakrise. Es geht um Skills, die soziale Bewegungen brauchen, um erfolgreich arbeiten zu können – „Werkzeuge zum Weltverändern“. Getragen wird die Organisation vom Büro radius und Humus, beides kleine Organisationen aus Wien, die durch Trainings, Beratung und Begleitung soziale Bewegungen unterstützen. Letztes Jahr haben wir das Format ausprobiert und dieses Jahr auf das Feedback aufgebaut.

Laura steht in der Mitte eines Kreises aus Teilnehmer*innen
Laura im Einsatz | (c) Christopher Glanzl/Impuls Akademie
mosaik: Emily, du warst als Trainerin bei der Impuls Akademie dabei. Wie sah das „auf die Kacke hauen“ konkret aus? Wie habt ihr gearbeitet?

Emily: Bei uns ging’s um Interviews und Podien, linke Narrative und soziale Medien. Aber vor allem: Ums offensiv Spielen! Radikale Medienarbeit ist wie Fußball: Es sind nicht unsere Regeln und das Spiel ist nicht fair. Wir müssen kritisieren, dass Österreichs Tageszeitungen nur zwölf überreichen Familien und der katholischen Kirche gehören. Die Algorithmen der sozialen Medien liegen in den Händen von skrupellosen Milliardären. Wenn wir uns deswegen weigern, die medialen Spielregeln zu lernen, überlassen wir das Spiel unseren Gegnern. Wie wir das ändern? Üben, üben, üben. Und indem wir einen riesigen Hunger auf’s Gewinnen bekommen.

mosaik: Du hast extrem viel Erfahrung im Medien-Training von Aktivist*innen. Wie gewöhnlich oder ungewöhnlich war für dich die Anfrage der Impuls Akademie, einen einwöchigen Kurs zu leiten?

Ungewöhnlich! Aber jeder Kurs ist anders. Ich habe 3.000 Aktivist*innen trainiert. Manchmal coache ich jemand online für eine Talkshow, mal reise ich für ein Tagestraining durchs Land. Diesmal so viel Zeit zum Trainieren zu haben, war der Hammer. Ab dem ersten Tag hat jede*r von uns täglich eine Instagram-Story von sich gefilmt. Das ist der schnellste Weg, um selbstbewusster vor der Kamera zu sprechen.

mosaik: Wie siehst du das, Laura? Wie ‚ungewöhnlich’ ist das Angebot der Impuls Akademie und was bringt das für Herausforderungen mit sich mit?

Laura: Die Länge ist tatsächlich etwas ungewöhnlich. In Zeiten von Shorts, Micro-Learnings und 1,5h Webinaren ist es tatsächlich selten, dass Fortbildungen eine ganze Woche dauern. Und sich Menschen auch dafür Zeit nehmen. Wir bekommen immer wieder das Feedback, dass die Länge es Menschen erschwert, daran teilzunehmen. Das ist uns bewusst. Wir haben lange darüber diskutiert, die Inhalte auf zwei lange Wochenenden aufzuteilen. Beides hat Vor- und Nachteile. Wir haben uns für eine durchgängige Woche entschieden, weil die Akademie dadurch ganz viel an Tiefe gewinnt; sowohl in dem, was an Inhalten besprochen werden kann und wie gut das landet, als auch in Bezug auf die Beziehungen, die zwischen den Teilnehmenden entstehen. Insofern ist die Bewerbung eine Herausforderung.

Von den Menschen, die dabei waren, hören wir dann aber viel Begeisterung und Verständnis für die Länge. Trotzdem werden wir überlegen, in Zukunft einen Tag weniger zu machen. Denn die Woche ist nicht nur lang, sondern auch sehr intensiv. Rest is resistance! Außerdem ist es bei manchen Kursen tatsächlich nicht so leicht Trainer*innen zu finden, die sich vorstellen können, einen so langen Kurs zu halten. Sie müssen sich nicht nur in der Bewegungslandschaft auskennen, sondern sich auch so ein fortgeschrittenes Training zutrauen. Das ist für uns ein Zeichen, dass wir mit der Impuls Akademie eine wichtige Lücke angehen.

mosaik: Bewegungslandschaft ist ein gutes Stichwort. Seht ihr euch selbst als Teil der „progressiven Bewegungslandschaft“, die ihr als Organisator*innen, aber auch als Trainer*innen mit der Impuls Akademie stärken wollt? Wenn ja, wie würdet ihr konkret eure Rolle beschreiben?

Laura: Definitiv! Ich beschreibe diese Art der politischen Arbeit gerne als „Movement Building“ oder „Skill-Sharing“. Schlagkräftige Bewegungen brauchen nicht nur People Power, sondern auch Fähigkeiten, um diese People Power gut zu nutzen und Erfolge zu erzielen. Das zu fördern, ist genauso wichtig, wie Demos zu organisieren und Pressearbeit zu machen. Derzeit ist auch der allergrößte Teil der Arbeit des Organisationsteams ehrenamtlich.

Emily: Klar bin ich Teil der Bewegung. Als Trainerin bin ich Fußballcoach und Cheerleeaderin. Spielzüge und Strategie durchgehen, trainieren, anfeuern und die Leidenschaft fürs Gewinnen wecken. Und immer wieder daran erinnern, dass mit Zurückhaltung und Vorsicht noch keine Revolution gewonnen wurde.

Emily leitete den Kurs Radikale Medienarbeit | (c) Christopher Glanzl/Impuls Akademie

Laura: Ehrlich gesagt sehe ich diese Frage sehr kritisch. Wieso sollte Bildung und Training der Bewegung nicht Teil der Bewegung sein!? Warum sollten wir diese Arbeit machen, wenn uns das Vorankommen der Linken nicht am Herzen läge? Erfolgreich sind wir dann, wenn wir alle unser Stärken ausspielen. Für manche heißt das, eine Demo organisieren, für andere Wissensweitergabe und Empowerment.

mosaik: Wobei unterschiedlichen Rollen und Stärken auch mit unterschiedlichen Sichtbarkeiten verknüpft sind. Ein nicht vermeidbares Spannungsverhältnis zwischen kollektiver Aushandlung und Personen bzw. Initiativen, die einen notwendigen Schritt nach vorne machen, entsteht. Das kann zu Missverständnissen und Kritik führen. Wie habt ihr das bislang in eurer Arbeit erlebt?

Laura: Dafür, dass wir diese Arbeit machen, bekommen wir keine Kritik. Soweit ich weiß. Wo wir leider manchmal auf Unverständnis stoßen, ist die Finanzierung: Also die Tatsache, dass wir um Teilnahmebeiträge bitten sowie deren Höhe. Viele Aktivist*innen sind es gewöhnt, dass alles gratis ist. Wir fänden es natürlich auch toll, wenn wir total ausfinanziert wären. Doch das ist im Moment in Österreich gar nicht einfach. Gleichzeitig wollen wir uns – aber vor allem den Trainer*innen, wie Emily, ein annähernd angemessenes Honorar für ihre wunderbare Arbeit zahlen. Und du darfst nicht vergessen: die Teilnehmenden bekommen nicht nur hoch qualitative Fortbildungen, sondern auch eine Woche Unterkunft mit Vollpension an einem schönen Ort abseits des Alltags. Am Geld soll eine Teilnahme aber wirklich nicht scheitern! Das ist uns wichtig. Wir haben Beitragsempfehlungen je nach finanzieller Situation. Und diesmal gab es drei vollfinanzierte Plätze für migrantisierte und/oder BIPoC Aktivist*innen.

Das ist eine andere Sache, an der wir unabhängig der Finanzen, kontinuierlich arbeiten: das Reduzieren von Barrieren für Menschen, die keine weißen, akademischen Aktivist*innen sind, Behinderungen haben oder Alleinerziehend sind. Denn, wie schon gesagt, sich eine Woche lang Zeit nehmen zu können, ist natürlich auch ein Privileg!

Emily: Aktivist*innen, die selbstbewusst Interviews geben oder ihr Gesicht auf Instagram zeigen, werden ständig kritisiert. Von unseren politischen Gegnern und – was noch mehr weh tut – von unseren eigenen Leuten. Offensive Medienarbeit muss deswegen auch in unseren Bewegungen immer wieder verteidigt werden. Klar, wer öffentlich spricht, macht Fehler. Der größere Fehler ist, Zeitungen, Radio, Fernsehen und die sozialen Medien den Faschisten zu überlassen.

mosaik: Das klingt nach ausreichend Gründen, den eingeschlagenen Weg gemeinsam weiterzugehen. Wird es 2026 wieder eine Impuls Akademie geben?

Laura: Wir wünschen uns das sehr und an uns soll es nicht scheitern. Allerdings braucht es eine Änderung im Finanzkonzept. Wir brauchen Förderungen und/oder Großspender*innen, um das Angebot weiter so niederschwellig organisieren zu können.

Emily: Wenn’s klappt: Ich hab Bock!

Ihr wollt helfen, dass die Impuls Akademie auch 2026 stattfinden kann? Unter diesem Link findet ihr alle Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung.

Interview: Hannes Grohs
Titelbild: Christopher Glanzl/Impuls Akademie

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Autoren

  • Emily Laquer

    Emily Laquer ist Medien-Coach und Gründerin der Aktivistinnen-Agentur hartaberlinks, wo sie über 3.000 Aktivistinnen für Interviews, Talkshows, politische Reden und Social Media trainiert hat. Darunter: Streikende Pflegekräfte und Busfahrer, Klimawissenschaftler*innen, Seenotretter*innen, Flüchtlingsräte, Obdachlose, Politiker*innen und Gewerkschaften. Sie lebt in Hamburg St. Pauli, auf Instagram und TikTok.

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  • Laura Grossmann

    Laura Grossmann ist Aktivistin für Klimagerechtigkeit. Mit dem Verein "Humus - Nährboden für Veränderung" unterstützt sie Organisationen aus unterschiedlichen Bewegungen durch Bildung, Beratung und Begleitung.

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