„I bin ned dei Puppal!“ – sexualisierte Belästigung an Hochschulen

Seit mehreren Wochen ist immer wieder vom „WU-Grapscher“ zu lesen, ein Professor der Wirtschaftsuniversität Wien, der mehrere Frauen* über Jahre hinweg sexuell belästigt hat. Leider ist dieser Fall kein Einzelfall. Sexualisierte Belästigung ist an den Unis ebenso wie in der Gesellschaft immer noch stark tabuisiert. Gleichzeitig aber etwas, dass fast alle Frauen* zumindest einmal in ihrem Leben erfahren. Sandra Hochmayr und Katrin Anna Walch über sexualisierte Belästigung an Hochschulen und in der Gesellschaft. 

„Hübsche Bluse im Übrigen… ich mag transparente Sachen“, schrieb ein WU-Professor einer seiner Studentinnen* per Mail kurz vor der Prüfungswoche. Einer anderen schickte er ein Foto von seinem Penis mit der Frage: „Wo hast du Platz für mich, wo ich ihn reinrammen kann?“. Diese beiden Mails stehen exemplarisch für eine Fülle von sexistischen Vorfällen und Übergriffen, welche allesamt von einem Professor an der Wiener Wirtschaftsuni begangen wurden. Schließlich fassten einige der Betroffenen den Mut und wendeten sich an den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (AKG) der WU. Eine Disziplinarkommission wurde durch das Wissenschaftsministerium eingerichtet, um den Professor zur Verantwortung zu ziehen. Doch statt der erhofften und angebrachten Kündigung, wurde der „WU Grapscher“ lediglich zu einer Strafe in der Höhe von vier Monatsbezügen verurteilt – lehren und forschen durfte er weiterhin an der WU. Nachdem die Medien den Fall Anfang September aufgriffen, wurde der Professor für vier Jahre karenziert, danach darf er aber wieder zurückkehren und ganz normal „weiter machen“.

Sexuelle Belästigung an den Hochschulen

Sexuelle Belästigung wird an Hochschulen noch immer stark tabuisiert. So geben beispielsweise 81 Prozent der Studentinnen in Deutschland an, dass sie bereits sexuelle Belästigung erlebt haben, 50 Prozent der Studentinnen auch direkt an den Hochschulen. Auch wenn es in Österreich keine vergleichbare Studie gibt, ist davon auszugehen, dass die Zahl hier nicht deutlich niedriger liegt. Gerade die Ereignisse an der WU zeigen, dass solche Vorfälle auch an den österreichischen Unis geschehen.

Das Problem dabei: Studierende stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Professor*innen, genau wie junge Wissenschafter*innen auch. Einen Professor anzuzeigen erfordert also oft viel Mut von den Betroffenen, gerade wenn bedacht wird, wie mit den Betroffenen an der WU jahrelang umgegangen wurde: In einigen Fällen wurden Vorwürfe lange Zeit hindurch ignoriert. Dabei gäbe es sie sogar, die Stellen an Universitäten, die für solche Fälle zuständig sind. Sowohl an den öffentlichen Universitäten als auch an Pädagogischen Hochschulen muss ein Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen eingerichtet werden. Dieser Arbeitskreis ist theoretisch dazu da, gegen Diskriminierung und sexualisierte Gewalt an den Universitäten vorzugehen. Das Problem dabei: die Kompetenzen des AKGs sind meist beschränkt. Kontakte zum AKG sind schwer zu finden und oft nicht bekannt.

An Fachhochschulen und Privatuniversitäten ist die Situation noch prekärer. Hier muss gar kein AKG eingerichtet werden. Ob es Ansprechstellen gibt, ist von der jeweiligen Hochschule und dem guten Willen der Rektorate oder Hochschulleitung abhängig.

Diese Situation muss sich ändern: Studierende dürfen nicht von der Willkür der Hochschulen abhängig sein, wenn sie von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Es braucht eine Gesetzesänderung, die alle Hochschulen dazu verpflichtet, einen AKG einzurichten, mit Kompetenzen und Durchgriffsrecht bei sexualisierter Gewalt. Außerdem müssen die AKGs bekannter gemacht werden. Alle Angehörigen einer Hochschule müssen, wenn sie neu hinzustoßen, über den AKG informiert werden. Eine Möglichkeit der besseren Bekanntmachung besteht darin, dass die AKGs in allen Einführungslehrveranstaltungen vorgestellt werden müssen, oder die Möglichkeit erhalten, sich selbst vorzustellen.

Sexualisierte Gewalt in der Gesellschaft

Die Rechte und Möglichkeiten des Arbeitskreise auszuweiten, ist jedoch nur Symptombekämpfung in einem kleinen, elitären Bereich der Gesellschaft und löst das Grundproblem nicht. Das Grundproblem besteht darin, dass unsere Gesellschaft noch immer eine „Rape Culture“ ist. Was bedeutet das?

„Man stelle sich vor, in einer Wohnung fängt der Weihnachtsbaum Feuer, bald steht das ganze Wohnzimmer in Flammen. Jemand ruft die Feuerwehr. Aber statt loszufahren, fragt diese erst mal nach: Sind Sie ganz sicher, dass es brennt? Gibt es Zeugen? Haben Sie sich fahrlässig verhalten oder das Feuer womöglich absichtlich gelegt? Ach, Sie haben schon Brandwunden? Die können Sie ja auch vom Plätzchenbacken haben. Kann es sein, dass Sie sich einfach wichtig machen wollen? Und finden Sie es nicht vielleicht auch ein bisschen geil, die Flammen zu sehen und die Hitze zu fühlen?“

Was bei einem Wohnungsbrand absurd klingt, ist bei sexualisierter Gewalt und Vergewaltigungen Alltag. Generell wird die Schuld eher bei der Betroffenen* denn beim Täter gesucht. Genau das bedeutet Rape Culture: Eine Gesellschaft, in der sexualisierte Gewalt genauso weit verbreitet ist, wie deren Duldung. Und genau hier muss auch angesetzt werden. Betroffenen* darf nicht länger die Schuld daran gegeben werden, wenn sie von sexualisierter Gewalt betroffen sind, sondern den Tätern. Dazu muss an mehreren Baustellen angesetzt werden.

  1. Die erste Baustelle ist die Bildung. Bereits im Kindergarten müssen Kinder lernen, dass „Nein“-sagen richtig ist und ihre Grenzen akzeptiert werden müssen. Es gibt frühkindpädagogische Ansätze, die sich mit der Frage beschäftigen, wie diese Thematik kindergerecht vermittelt werden kann – sie müssten nur Einzug in unsere Kindergärten finden. Aber auch in der Schule ist es wichtig, im Aufklärungsunterricht über Grenzen zu sprechen – über die eigenen und die von anderen.
  2. Die zweite Baustelle ist das Rechtssystem. Unser Rechtssystem schützt Täter, nicht Betroffene. Lediglich ein Prozent der Vergewaltiger werden in Österreich verurteilt. Dabei gäbe es Möglichkeiten, ein Rechtssystem so zu gestalten, dass Betroffene und nicht Täter unterstützt. Ein Beispiel hierfür ist Schweden.
  3. Die dritte Baustelle sind Medien und Werbung. In Medien und Werbung werden Frauen* nach wie vor objektiviert und sexualisiert. In Serien wird sexualisierte Gewalt oft verharmlost. Als Beispiele seien hier How I Met Your Mother oder Two and a Half Men genannt. Es müssen strengere Regeln gelten, wie Frauen* dargestellt werden.

Auch bei der Sensibilisierung von Menschen, die mit Betroffenen arbeiten, ist Veränderung längst überfällig. Es braucht Schulungen für Polizist*innen, Anwält*innen und medizinisches Personal im Umgang mit betroffenen Personen. Und offenbar, so zeigt uns der aktuelle Fall an der WU, muss das auch für Rektorate und Hochschulleitungen gelten.

Sandra Hochmayr studiert Deutsch und Geschichte auf Lehramt an der Uni Wien. Sie* ist aktiv im Verband Sozialistischer Student_innen und dort Frauen*sprecherin* und koordiniert außerdem die queerpolitische Arbeit.

Katrin Anna Walch ist aktuell Bundesvorsitzende des Verband Sozialistischer Student_innen Österreichs und studiert Sozioökonomie an der WU Wien und Soziologie an der JKU Linz.

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