Hitzewelle und Klimakatastrophe werden in Österreich staatlich gefördert

Wir stöhnen unter der Hitzewelle, in ganz Europa brennen Wälder. Ein Astronaut postet entsetzt Bilder von Europa aus dem All, auf denen fast nichts als braun zu sehen ist. Österreich leistet einen besonderen Beitrag zu Wetterextremen und Rekordhitzen, berichtet Paul Aigner.

In Österreich wird steuerlich gefördert, wer die Umwelt besonders verschmutzt und das Klima zerstört. Zum Beispiel durch das sogenannte Diesel-Privileg.

Aus einer ursprünglich als Wirtschaftsförderung für Klein-LKW gedachten Steuerprivilegierung zu Zeiten, als fast nur Benzin-Autos verkauft worden, hat sich in Österreich eine ausgeprägte Diesel-Übermacht entwickelt, die dramatische Folgen hat. Der Anteil von Dieselantrieben hat sich binnen dreißig Jahren von einem Viertel der Fahrzeuge auf zwei Drittel der Neuanmeldungen vervielfacht.

Die Diesel-Hegemonie hat mit Waldbränden und Wetterextremen zu tun, weil der Schadstoffausstoß von Diesel-PKW deutlich höher ist als von Benzinern. Die Abgase von Diesel sind verbrennungstechnisch deutlich höher, das Reizgas Stickstoffdioxid (NO2) schädigt Lunge und Herz und die Sterblichkeitsrate erhöht sich bei hohem NO2-Anteil in der Luft deutlich. Hier wird staatlich mit 8,5 Cent Steuerprivileg pro Liter gefördert, was Gesundheit und Klima besonders schädigt und letztlich zu brennenden Wäldern führt.

Zwei Drittel mehr Abgase seit 1990

Ein paar Zahlen: Der Verkehr ist noch vor der Industrie Österreichs größter Treibhausgasverursacher mit einem Anteil von 29 Prozent. 62 Prozent der Verkehrsabgase kommen aus dem individuellen Autoverkehr.

In ihrem Klimaschutzbericht 2018 sprechen ExpertInnen von einer Steigerung der verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen um 66 Prozent im Vergleich zu 1990. Weil nur mehr 1,2 statt 1,4 Menschen durchschnittlich in einem Auto sitzen, sind die gefahrenen Personenkilometer um 44 Prozent, die PKW-Kilometer aber gleich um 71 Prozent gestiegen.

Die mit dem besonders klimaschädlichen Diesel gefahrenen PKW-Kilometer haben sich von 1990 bis 2016 versiebenfacht. Und der Verbrauch steigt, weil die Dieselautos immer schwerer werden: Seit 2000 hat das Durchschnittsgewicht des in Österreich zugelassenen Benziners um 12 Prozent, jenes von Diesel-PKW um 19 Prozent zugenommen. Das liegt vor allem daran, dass immer mehr SUVs gekauft werden.

Diesel-Ausnahme Österreich

International ist übrigens nicht selbstverständlich, dass wie in Österreich inzwischen mehr Autos mit dem besonders klimaschädlichen Diesel fahren: In den USA beträgt der Dieselanteil ein Prozent, in China zwei, in den Niederlanden 25. In Österreich sind es 55 Prozent.

Das Diesel-Privileg ist aber nicht nur mitverantwortlich für die Klimakatastrophe, es ist auch eine Umverteilung von den Menschen mit kleineren zu den Menschen mit größeren Autos und Geldtaschen. Der Diesel ist heute das Auto der Wohlhabenden geworden, die zwischen Neubaugasse und Döbling und von den Speckgürteln der Landeshauptstädte in die Innenstädte offenbar nur mit geländetauglichem Wagen fahren können.

Wer leidet unter der Klimakrise?

Die Klimakrise ist keine reine Öko-Diskussion mehr. Sie ist eine soziale Frage. Zwei Gruppen leiden am meisten unter den Hitzewellen: Sozial schlechter gestellte und am Land lebende Menschen.

Laut Armutskonferenz und den WissenschafterInnen des Austrian Panel on Climate Change sind vor allem jene Menschen von den gesundheitsgefährdenden Folgen der Klimakrise betroffen, die körperlich anstrengenden Berufen nachgehen und wenig Geld für Wohnraum zur Verfügung haben. Sie leben in Wohnungen mit schlechterer Bausubstanz und weniger Fläche, können sich in ihren (Miet-)Wohnungen keine Sanierungsmaßnahmen und keine Wochenendausflüge raus aus der überhitzten Stadt leisten.

Die ersten, deren wirtschaftliche Existenz durch die Klimakrise gefährdet ist, sind wiederum Menschen, die am Land wohnen. Dazu gehören Kleinbauern und -bäuerinnen sowie mittelständische touristische Betriebe, die nicht einfach ein paar hundert Höhenmeter weiter oben ein neues Hotel ihrer Kette aufstellen können.

Reiche Verursacher

Ernteausfälle im Sommer und schneearme Winter bringen das landwirtschaftliche und touristische Rückgrat der österreichischen Wirtschaft in ebenso existenzielle Nöte, wie die Hitze die Armen und die StädterInnen gefährdet.

Dabei sind es die Reichen, die deutlich mehr Klimaschäden anrichten, wie ÖkonomInnen der Arbeiterkammer berechnet haben: Der CO2-Ausstoß der reichsten zehnProzent in Österreich ist mehr als doppelt so hoch als jener der ärmsten zehn Prozent.

Wir wissen längst, was getan werden müsste

Das Dieselprivileg ist nicht die einzige staatlich geförderte Umwelt- und Klimazerstörung in Österreich. Das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO hat 2016 die Förderlandschaft nach Förderungen durchsucht, die die Umwelt schädigen. Es ist auf die erstaunliche Summe von 3,8 bis 4,6 Milliarden Euro pro Jahr gekommen. Das entspricht dem Volumen einer großen Steuerreform.

Fast eine Milliarde Euro macht dabei als größter Posten die Steuerprivilegierung von Diesel und Kerosin aus. Weitere vorsätzliche Umweltschädigung betreiben Bund und Länder mit reduzierten Steuern auf fossile Energie in Industrie und Gewerbe. Dazu kommt die Wohnbauförderung und, in erheblichem Ausmaß von über einer halben Milliarde Euro, die Pendlerpauschale, die ebenfalls neben Klimaschädigung auch die Reichen auf Kosten der ärmeren und die Autos auf Kosten der Öffis fördert.

Die WIFO-Studie gibt es seit zweieinhalb Jahren zu lesen, umgesetzt ist noch keine einzige der darin ausgesprochenen Empfehlungen. Aber der Druck jener Menschen, die von der Klimakrise existenziell beeinträchtigt werden, wird steigen.

 

Paul Aigner arbeitet im Innsbrucker Rathaus mit einem grünem Bürgermeister für die Umweltstadträtin, weil die soziale Frage ohne eine ökologische Wende nicht im Sinne der 99% gelöst werden kann.

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