Zertifizierte Zerstörung. Was hinter den „Gütesiegeln“ im Supermarkt steckt

Von A wie „AMA“ bis Z wie „Zurück zum Ursprung“: Über 100 Gütesiegel, Gütezeichen und Qualitätszeichen finden sich in österreichischen Supermärkten. Greenpeace hat die wichtigsten davon unter die Lupe genommen und kommt zu einem alarmierenden Ergebnis, berichtet Alexander Egit.

Viele KonsumentInnen wissen nicht mehr, welchen Kennzeichnungen sie vertrauen können. Dabei ist Skepsis durchaus angebracht. Ein Drittel der von Greenpeace untersuchten Gütezeichen ist nicht vertrauenswürdig oder sogar kontraproduktiv für die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen.

Es ist aber nicht nur für KonsumentInnen schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen. Auch für den österreichischen Lebensmittelhandel ist die Herausforderung vor allem bei internationalen Gütezeichen und Zertifizierungssystemen enorm. Es ist nahezu unmöglich nachzuprüfen, ob die Nachhaltigkeitsversprechen großer, globaler Nahrungsmittelkonzerne auch tatsächlich eingelöst werden. Es ist also eine Frage des Vertrauens – und genau dieses Vertrauen wird immer wieder missbraucht.

Konzerne geben sich selbst Regeln

Die Nahrungsmittelindustrie hat gute Gründe, auf Gütezeichen zu setzen. Sie sind neben dem Preis der stärkste Verkaufsförderer. „Kritische KonsumentInnen“ wurden längst als einflussreiche und kaufkräftige Zielgruppe identifiziert.

Doch anstatt verbindlichen Regelungen wie im Biobereich zu folgen, neue bahnbrechende Umweltstandards zu setzen oder gesetzliche Regelungen zu unterstützen, erfinden große Unternehmen gerne eigene Qualitätszeichen, um mit selbst geschriebenen, zumeist schwachen Regeln ihre selbst definierten „Nachhaltigkeitsziele“ zu erreichen.

Beispiel Palmöl

Ein Beispiel für viele ist der Lebensmittel-Multi Unilever: Der Konzern ist Mitbegründer des „Runden Tisches für nachhaltiges Palmöl“ (RSPO). Der weltweit größte Nutzer von Palmöl hat also selbst entscheidenden Einfluss auf die Regeln für sein eigenes – scheinbar nachhaltiges – Agieren. Produkte, in denen das angeblich nachhaltige Palmöl enthalten ist, können sich mit dem RSPO-Siegel schmücken.

Doch das führt zu keinen ökologisch nachhaltigen Verbesserungen. Im Gegenteil:  Auch für RSPO-zertifizierte Produkte werden Regenwälder niedergebrannt, um Raum für Ölpalmen zu schaffen und Monokulturen hochzuziehen. Und der RSPO ist nur einer von unzähligen sogenannten „Runden Tischen“ oder anderen derartigen „Nachhaltigkeitsinitiativen“, mit denen sich die Agrar- und Nahrungsmittelindustrie ihre eigenen Standards setzt.

Nachhaltiger Etikettenschwindel

Nur selten haben Gütezeichen nachhaltig positive Auswirkungen auf Natur und Umwelt. Im Gegenteil: Viele davon dienen dem alleinigen Ziel, noch mehr oder teurer zu verkaufen. Gleichzeitig versuchen sie der Kritik von UmweltschützerInnen den Wind aus den Segeln nehmen.

In Anbetracht der katastrophalen ökologischen Situation der Regenwälder und der Weltmeere müssten etwa der Konsum von Meeresfischen, der Einsatz von Agrotreibstoffen aus Palmöl oder Soja-Futtermitteln deutlich sinken. Der Nachhaltigkeits-Etikettenschwindel, mit dem das Gewissen beruhigt wird, trägt aber dazu bei, dass der Konsum ungebremst weiter steigt und ein zusätzliches Kaufargument geschaffen wird.

Meeresfisch und heimische Schweine

So verdrängt etwa angeblich nachhaltiger Meeresfisch den ökologisch weniger bedenklichen heimischen Süßwasserfisch. Dahinter steht der Marketing-Clou des Meeresfisch-Gütesiegels „Marine Stewardship Council“, kurz MSC. MSC-zertifizierte Fischereien setzen Grundschleppnetze ein, die große und langanhaltende Schäden am Meeresboden verursachen, und bieten auch Fisch aus überfischten Beständen an. Das Siegel MSC ist ein von der Industrie dominiertes Zeichen, das kritische KonsumentInnen in die Irre führt.

Und auch das in Österreich so präsente „AMA-Gütesiegel“ für Fleisch erfüllt nur das Mittelmaß. Besonderer Kritikpunkt ist die immer noch erlaubte Fütterung von Schweinen mit gentechnisch veränderten Futtermitteln in der Rinder- und Schweinehaltung. Auch der Einsatz von Antibiotika ist bei AMA-Schweinen weiterhin ungebremst hoch.

Kein Platz für Zeichen-Tricks

Gute und effiziente Gütesiegel sind wichtig. Sie können KonsumentInnen in einer globalisierten Produktionswelt Orientierung verschaffen. Aber zu oft werden Zertifizierungs-Systeme von Konzernen eingesetzt, um nationale und internationale staatliche Regulierungen zu unterlaufen – wo diese nicht ohnehin schon durch Freihandelsabkommen außer Kraft gesetzt worden sind.

Mittlerweile hat sich eine milliardenschwere globale Gütezeichen-Industrie entwickelt, die stark korruptionsgefährdet ist.

Gesetzliche Regelungen sind nötig

Solche Zeichen-Tricks, die lediglich zur Verkaufsförderung eingesetzt werden und wohlmeinende KonsumentInnen und die Umwelt korrumpieren, haben im Lebensmittelhandel nichts mehr verloren.

Um dem herrschenden Missbrauch bei sogenannten Nachhaltigkeits-Gütezeichen einen Riegel vorzuschieben, braucht es klare gesetzliche Regelungen, die hohe Qualitäts- und Produktionsstandards vorschreiben und durch unabhängige Stellen prüfen – in Österreich und der EU.

Alexander Egit ist Geschäftsführer von Greenpeace Österreich.

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