Die unendliche Geschichte der Griechenlandkrise

Österreich verdiente an den Griechenlandkrediten hunderte Millionen Euro, wurde kürzlich berichtet. Doch den Gläubigerstaaten geht es nicht um Zinsgewinne, sondern die Rettung ihrer eigenen Banken. Die wahre Krise bleibt ungelöst – solange Griechenlands Schulden nicht verringert werden.

Ins Sommerloch platzte eine Meldung, die die seit Jahren schwelende Debatte über Gut und Böse im europäischen Staatsschuldendrama wieder auf einen Siedepunkt erhitzte. Haben Deutschland und Österreich gar von der Griechenland-Hilfe profitiert? Diese Frage kann man mit Ja oder Nein beantworten – je nachdem, welche Teil-Finanzströme und bestimmter Zeitabschnitte man betrachtet. Ein solcher Fokus auf direkte Zahlungsströme verfehlt aber die zentralen Motive und Nutzen aus den EU-Kreditprogrammen für Griechenland.

Zinsgewinne sind nicht das Ziel

Bei diesen Programmen geht es den Gläubigerstaaten nicht darum, von Griechenland Zinsgewinne zu lukrieren. Um sie zu verstehen, lohnt ein genauerer Blick auf das zentrale Vehikel der EU in diesem Kontext, den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), den sogenannten „Rettungsschirm“. Dieser nimmt derzeit Kredite auf den Finanzmärkten auf und verleiht sie gegen Auflagen an Griechenland weiter. Zinsen, die Griechenland an die Gläubigerstaaten bzw. den ESM zahlt, decken mehr oder weniger die Zins- und Verwaltungskosten. Den verbleibenden Gewinnen stehen Verlustrisiken gegenüber.

Auch an die Europäische Zentralbank (EZB) bezahlt Griechenland Zinsen. Diese hat nämlich im Rahmen ihres Ankaufsprogramms griechische Staatsanleihen erworben. Die Zinsen sollen allerdings bei vereinbarungsgemäßer Durchführung des Kreditprogramms früher oder später an Griechenland zurückfließen. Dass diese Rückflüsse zwischenzeitlich infolge von Streit um die Programmumsetzung teilweise nicht erfolgten, wie für Deutschland und Österreich nachrecherchiert wurde, wird zu Recht kritisiert. Dies darf aber nicht mit dem Programmmotiv verwechselt werden.

Die eigenen Banken gerettet

Die wahren Motive für die Kreditprogramme an Griechenland liegen woanders. Zum einen ging es um übergeordnete politische Gründe, etwa die Stabilisierung von EU und Eurozone. Zum anderen hatten die Gläubigerstaaten handfeste wirtschaftliche Motive: Indem sie Griechenland mittels diesen neuen Kredite in die Lage versetzten, Altschulden zu bedienen, haben sie sich selbst vor einer Verlegenheit bewahrt. Ohne diese Kredite wären nämlich jene heimischen Finanzinstitute, die (ausfallgefährdete) griechische Anleihen hielten, in Schieflage geraten. Eine neuerliche staatliche Bankenrettung hätte gedroht.

Zudem wollten die Gläubigerstaaten verhindern, dass sich unter Staatsanleihen haltenden Finanzinstituten die Sorge ausbreitet, dass auch andere EU-Länder mit prekärer Finanzlage in Schwierigkeiten kommen könnten.

Die griechische Bevölkerung profitiert kaum

Den unmittelbaren Preis dafür trägt die griechische Bevölkerung. Sie wird genötigt, eine überbordende Schuldenlast zu finanzieren. Einen direkten Gegenwartsnutzen im Sinne der Finanzierung laufender Staatsausgaben hat sie kaum. Aus den ersten beiden Kreditprogrammen für Griechenland flossen 54 Prozent in die Bedienung von Auslandsschulden und 21 Prozent in die Rekapitalisierung griechischer Banken.

Streichung von Schulden unvermeidlich

Das Risiko dieser Strategie tragen der öffentliche Sektor in den Gläubigerstaaten, seine Leistungsbeziehenden und Steuerzahlenden, die für die ESM-Kredite haften. Mit langjährigem Aufschub für die Kreditrückzahlungen haben die Gläubigerstaaten versucht, das Risiko zumindest weit von der Gegenwart wegzuschieben. Doch langfristig bleibt das Risiko hoch, wie unter anderem die Stäbe des Internationalen Währungsfonds seit Jahr und Tag betonen. Aus dieser Sicht erscheint eine neue größere Schuldenstreichung deshalb unvermeidlich. Diese wird von Deutschland und anderen Gläubigerstaaten mit allen Mitteln vermieden. Laufzeitverlängerungen und Zinssenkungen auf Kredite waren bislang das einzige, was an Zugeständnissen gemacht wurde.

An Griechenland ein Exempel statuieren

Der Wunsch, ein Exempel zu statuieren und den Schuldner zu disziplinieren, prägen hier seit Jahren die Haltung. Dahinter steht die Angst vor Trittbrettfahrertum durch andere Schuldnerstaaten und vor innenpolitischen Legitimationsproblemen im Fall von einem weiteren Schuldenerlass für Griechenland.

Ende Juli konnte Griechenland erstmals seit längerem erfolgreich ohne Umweg über den ESM direkt Kredite an den Finanzmärkten erhalten. Das bedeutet zwar die Öffnung eines kleinen Kanals zur Staatsfinanzierung ohne Troika-Auflagen. Aber erstens sind der Preis dafür höhere Zinsen als für ESM-Kredite. Und zweitens bleibt die Existenz und Fortführung des ESM/Troika-Programms eine wichtige Voraussetzung für die privaten Anleger, Griechenland Kredite zu gewähren. Schließlich ist der griechische Altschulden-Bestand weiterhin sehr hoch, die Wirtschaftsentwicklung fragil und der Staat notorisch schwach.

Die nächste Krise droht

Es ist eine vergebliche Hoffnung, Griechenland könnte sich durch irgendeinen Zaubertrick der Krise entwinden. An der Notwendigkeit einer besseren Lastenverteilung mit den anderen EU-Staaten wird über kurz oder lang aber kein Weg vorbeiführen. Wenn nicht spätestens im Sommer 2018 die angekündigte neuerliche Überprüfung der Schuldentragfähigkeit zu einem beträchtlichen Schuldenerlass führt, steht statt der viel beschworenen griechischen „Rückkehr an die Kapitalmärkte“ die nächste Krisenepisode im Euroraum in Aussicht.

Pinguin ist Kolumnist bei MALMOE.

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