Die KPÖ bleibt zweitstärkste Kraft in Graz. Ihr Erfolgsrezept ist die starke Präsenz im Gemeindebau wie auf der Hundewiese, die es ihr ermöglicht, die BürgerInnen in ihre Poiltik einzubinden, erklärt Leo Kühberger.
In Graz gehen die Uhren bekanntlich anders. Am Uhrturm, dem Wahrzeichen der Stadt, sind die Zeiger vertauscht, der kleine zeigt die Minuten und der große zeigt die Stunden an. Was andernorts groß ist, ist in der steirischen Landeshauptstadt klein, und umgekehrt. Die ÖVP, die sich in urbanen Räumen vielerorts zur Kleinpartei geschrumpft hat, ist mit einem Zugewinn von vier Prozent und einem vorläufigen Endergebnis von rund 38 Prozent der strahlende Sieger des Wahlabends. Die SPÖ hat weitere sechs Prozent eingebüßt und fliegt mit einem Stimmenanteil von nur mehr zehn Prozent voraussichtlich sogar aus dem Stadtsenat. Die FPÖ, der in Umfragen nachgesagt wird bundesweit stimmenstärkste Partei werden zu können, gewinnt zwei Prozent dazu und kommt in Graz gerade mal auf sechzehn Prozent. Und die Grünen, die sich vor wenigen Wochen noch darüber freuen konnten, dass Alexander van der Bellen in Graz das beste Ergebnis aller Landeshauptstädte erzielt hat, verlieren zwei Prozent und landen bei knapp über zehn Prozent. Die KPÖ wiederum konnte ihr Überraschungsergebnis der letzten Wahl bestätigen und kommt mit leichten Zugewinnen auf über 20 Prozent. Das wird ihr voraussichtlich auch einen zweiten Platz im Stadtsenat bringen.
Vom Arbeitsübereinkommen zu Neuwahlen
Die Grazer*innen wurden früher als geplant an die Urnen gerufen, da es der ÖVP mit dem seit 2003 regierenden Bürgermeister Siegfried Nagl an der Spitze letzten Herbst nicht gelungen war, eine Mehrheit für das Budget zustande zu bringen. Nach der Wahl 2012 hatte die ÖVP noch ein “Arbeitsübereinkommen” mit SPÖ und FPÖ geschlossen, das aber von letzterer in der Hoffnung auf Neuwahlen schon nach zwei Jahren aufgekündigt wurde. Da die ÖVP diese damals jedoch unter allen Umständen vermeiden wollte, war sie sogar bereit mit der KPÖ zu verhandeln. Die KPÖ stimmte dem Doppelbudget schlussendlich zu, ließ sich diese Zustimmung jedoch „teuer“ abkaufen und konnte eine ganze Liste von Forderungen, wie den Bau neuer Gemeindewohnungen, günstigere Öffi-Tickets und vieles mehr, durchsetzen. Im zweiten Anlauf scheiterte diese Zusammenarbeit aber an der Frage des Murkraftwerks und der dafür notwendigen städtischen Investitionen, beziehungsweise der Weigerung der ÖVP die Grazer*innen über dieses Megaprojekt in einer Volksbefragung entscheiden zu lassen.
Kommt jetzt Schwarz-Blau?
Die wenigsten haben erwartet, dass die ÖVP ihren Stimmenanteil halten kann. Es war der ÖVP zwar meisterhaft gelungen, Siegfried Nagl als den strahlenden Bürgermeister aller Grazer*innen zu inszenieren, aber die Korruptionsfälle in seinem direkten Umfeld, die steigende Erwerbslosigkeit in der Stadt, die Untätigkeit im Hinblick auf die Feinstaubbelastung und vor allem die Weigerung eine Volksbefragung zum Murkraftwerk durchzuführen, machten eine Wahlniederlage wahrscheinlich. Vor allem die Bürger*inneninitiative “Rettet die Mur” versuchte die Wahl zu einer Abstimmung über dieses ökologisch katastrophale und ökonomisch unsinnige Projekt hochzustilisieren. Am Tag vor dem Urnengang waren noch mehr als viertausend Menschen auf der Straße, um gegen das Kraftwerksprojekt zu demonstrieren. Nicht unbedeutend in diesem Zusammenhang war wohl die mediale Unterstützung, der sich die ÖVP sicher sein konnte. Während überregionale Medien kritisch und differenziert über das Kraftwerksprojekt berichteten, haben die beiden meinungsführenden Medien der Stadt, die “Steirerkrone” und die “Kleine Zeitung”, die sich über zahlreiche Inserate der zukünftigen Kraftwerksbetreiber freuen durften, gerade dieses Thema außen vor gelassen. Eine schwarz-blaue Koalition ist nun nicht die einzige mögliche Konstellation, aber wohl die wahrscheinlichste. Ihr gegenüber steht aber eine gestärkte KPÖ.
KPÖ: Die zweitstärkste der Parteien
Wie sehr Graz anders tickt, wurde in den Tagen vor der Wahl deutlich. Während es vor Wahlen europaweit nur eine Erzählung gibt, nämlich die, wie stark die jeweilige rechtsextreme oder rechtspopulistische Partei zulegen wird, diskutierte man im Hinblick auf Graz darüber, wie kommunistisch die Stadt nach den Wahlen sein wird. In den innerstädtischen, proletarisch geprägten, Vierteln links der Mur und in den vom Kraftwerksbau direkt betroffenen Teilen der Stadt konnte die KPÖ zum Teil massiv zulegen und ist in einigen Sprengeln nun, wie es in der Internationale heißt, „die stärkste der Parteien.“ Diese Zugewinne konnten die Verluste in den Randbezirken ausgleichen, insgesamt die Position als zweitstärkste Partei festigen und damit die FPÖ deutlich auf den dritten Platz verweisen. Profitieren konnte die KPÖ zudem davon, dass sich die SPÖ nach unzähligen Wechseln an der Spitze endgültig im freien Fall befindet, und es den Grünen schon bei der Erstellung ihrer Kandidat*innenliste gelungen ist ihre soziale Basis noch weiter zu verengen.
Im Wahlkampf konzentrierte sich die KPÖ – wie gewohnt – auf ihre Kernthemen. Neben der Wohnungspolitik, für die sie seit 1998 die Verantwortung in der Stadtregierung trägt, beispielsweise auf die Forderung nach einer Reduzierung der Politiker*innengehälter. Einer Forderung, der sie selbst seit eh und je durch eine Gehaltsobergrenze von 1.900 Euro nachkommt. Schwerpunktmäßig unterstützte man zudem den Widerstand gegen das Murkraftwerk und hier zeigte die – oft für ihren Traditionalismus gescholtene – KPÖ auch ihre Wandlungs- und Lernfähigkeit. Während die Gewerkschaft und die Sozialdemokratie, von Fortschrittsdenken und dem Versprechen auf Arbeitsplätze erfüllt, das Projekt unterstützen, stellte sich die KPÖ auf Seite der Gegner*innen. Weniger aus ökologischer Überzeugung oder aus wahltaktischem Opportunismus, sondern weil insbesondere Elke Kahr für ein beinahe zapatistisches Politikverständnis, nämlich „fragend voranzugehen“, also gemeinsam mit Betroffenen und Aktiven Politik zu machen, steht. Ein etwas anderer Umgang zeichnete sich auch im Hinblick auf die direkte Konfrontation mit der FPÖ ab. Das Wahlprogramm der KPÖ mit dem Titel „Wir alle sind Graz“ und der Slogan „Haltung zeigen. Hoffnung geben“ sind als klare Statements gegen den gewohnt rassistischen Wahlkampf der FPÖ zu verstehen. Eine dezidiert antirassistische Praxis ist aber nach wie vor schwer auszumachen und spielte im Wahlkampf trotz allem eine nur untergeordnete Rolle.
Auf Hundewiese und Gemeindebau kommt es an
Besonders im Fall der KPÖ sollten jedoch Plakate und Wahlprogramme nicht überbewertet werden. Der Erfolg der KPÖ ist nun mal nicht Ergebnis erfolgreicher Wahlkämpfe, sondern das Ergebnis der jahrelangen, kontinuierlichen Arbeit vor Ort, auf der Hundewiese und im Gemeindebau, und gegen diese starke Verankerung und die unzähligen direkten Kontakte findet erfreulicherweise auch die FPÖ kein Rezept. Der KPÖ ist es in all den Jahren nicht unbedingt gelungen sich organisatorisch besser in den einzelnen Stadtteilen zu verankern, aber die Mandatar*innen bestechen durch ihre unermüdliche Präsenz. Das ist keine besonders originelle Feststellung, aber darin liegt nun mal das Geheimnis ihres Erfolgs, und das ist es auch, was in Zeiten einer erstarkenden Rechten im Schatten des Uhrturms mit seinen verkehrten Zeigern von den Grazer Kommunist*innen gelernt werden kann.