Viyana – Beč – Wien: Wie eine Ausstellung „Gastarbeiter“ zu Wort kommen lässt

Die Ausstellung „Geteilte Geschichte. Viyana – Beč – Wien“ erzählt die Geschichte der „Gastarbeiter“ in Wien aus Perspektive der angeworbenen ArbeiterInnen selbst. mosaik-Redakteur Rainer Hackauf hat Vida Bakondy, eine der beiden KuratorInnen der Ausstellung getroffen. Was ist an dem Thema heute, mehr als 50 Jahre nach den ersten „Anwerbeabkommen“ mit der Türkei und Jugoslawien, noch aktuell?

Rainer Hackauf: In der Ausstellung „Geteilte Geschichte“ sehen wir viele Alltagsgegenstände, wie Kochtöpfe, Fotoalben oder Musikkassetten. Dazu Videos, in denen vom Alltagsleben als „Gastarbeiter_in“ erzählt wird. Wie ist es zu der Ausstellung gekommen?

Vida Bakondy: Die Ausstellung ist ein Ergebnis des Projekts „Migration Sammeln“, das in den Jahren 2015 und 2016 durchgeführt worden war. Ziel war, eine Auswahl der gesammelten Materialien einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren und auch einen Teil der Schenker_innen selbst zu Wort kommen zu lassen. Die Interviews sind daher ein zentraler Bestandteil der Ausstellung.

Aus den Erzählungen wird deutlich: Die Suche nach besserer Arbeit und einem besseren Leben war das Hauptmotiv, um nach Österreich zu gehen. Doch die Migrant_innen hatten keinen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt. Unternehmen haben davon natürlich profitiert, aber welche Rolle spielten die österreichischen Gewerkschaften?

Sie hatten eine ambivalente Haltung. Einerseits haben Gewerkschaften bei den sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen ab Anfang der 1960er Jahren wie auch bei ihrem Einfluss auf spätere Regierungen immer darauf geschaut, dass das sogenannte „Inländerprimat“ grundlegend verankert ist. Sie wollten damit festlegen, dass Arbeitskräfte nur temporär ins Land geholt werden und österreichische ArbeitnehmerInnen abgesichert sind. Auch ist auf Initiative der Gewerkschaften in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer 1966 die „Ausländerarbeitskarte“ eingeführt worden. Diese sollte zur Kontrolle dienen, um MigrantInnen einen selbst gewählten Arbeitsplatzwechsel in Österreich zu erschweren.

Gleichzeitig hat der ÖGB aber auch mit selbstorganisierten MigrantInnenvereinen zusammengearbeitet, diese auch finanzielle unterstützt und Freizeitangebote wie Konzerte organisiert. Ab den 1970er Jahren haben Gewerkschaften dann auch Beratung in den jeweiligen Sprachen angeboten. Grundprämisse war aber natürlich: Das sind jetzt nicht „unsere“ Arbeiter.

Das Recht, sich nicht nur zu einem einzigen Nationalstaat zugehörig zu fühlen, fordert dieses Konzept – wer sind „unsere“ ArbeiterInnen und wer nicht – natürlich heraus. Siehst du da Kontinuitäten bis Heute?

Ja, zum Beispiel in der die Debatte um die Doppelstaatsbürgerschaft. Die wurde erst rund um türkische Staatsangehörige losgetreten und jetzt durch die Diskussion um „Doppelpässe“ für SüdtirolerInnen. Da hat sich nicht viel verändert: Einerseits gibt es Ausnahmen, die Doppelstaatsbürgerschaft erlauben bzw. erwünscht machen. Andererseits wird von bestimmten MigrantInnengruppen verlangt, dass sie sich nur einem Staat zugehörig fühlen. Das wird sich unter dieser Regierung wohl fortsetzen.

Die damit verbundenen Tendenzen zur Renationalisierung sind nicht nur in Österreich zu beobachten. Zugleich gibt es natürlich die alltäglich gelebten, transnationalen Lebensrealitäten als Gegenentwurf dazu, schon seit Jahrzehnten. Auch das versuchten wir in der Ausstellung zumindest in Ansätzen zu zeigen.

In der Ausstellung geht es um die Geschichte von ArbeitsmigrantInnen aus dem ehemaligen Jugoslawien und Türkei. Arbeitsmigration hat es im Zeitraum der Ausstellung auch aus anderen Regionen der Welt gegeben, z.B. von philippinischen oder koreanischen Frauen im Bereich der Pflege. Wieso kommen diese nicht vor?

Das war der Tasche geschuldet, dass in der Ausstellung die Ergebnisse des Sammelprojekts gezeigt werden sollten. Die Ausschreibung zu dem Projekt wurde von der MA17 (Wiener Magistratsabteilung für Integration und Diversität, Anm.) gemeinsam mit dem damaligen Direktor des Wien Museums, Wolfgang Kos, formuliert und war auf diese beiden Gruppen fokussiert. Dass das nur einen kleinen Teil der Migration nach 1945 abdeckt, war dem Projektteam bewusst. Es stellte zumindest einen ersten Schritt dar – getragen von der Hoffnung, dass in Zukunft vielleicht auch andere Migrationsbewegungen in den städtischen Sammlungen angemessen berücksichtig werden.

2004 wurde aus Anlass des 40. Jahrestages des Anwerbeabkommens mit der Türkei die Ausstellung „gastarbajteri“ eröffnet, an der du auch mitgearbeitet hast. Jetzt gibt es diese Ausstellung im Wien Museum. Was bleibt aus deiner Sicht zu dem Thema noch offen?

„gastarbajteri“ war sicher bahnbrechend, weil es dieses Thema zum ersten Mal einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Seitdem kann diese spezifische Migrationsgeschichte nicht mehr ignoriert werden. Es ginge jetzt aber darum, das Thema Migration jenseits von Jubiläen, Sonderausstellungen oder punktuellen Sammelinitiativen dauerhaft in Museen und Sammlungen zu verankern. Das wäre eine Forderung an die Gedächtnisorganisation in der Stadt Wien, aber auch darüber hinaus, bundesweit. Wie das schon die Kampagne „Archiv der Migration“ gefordert hat.

 

Die Ausstellung „Geteilte Geschichte. Viyana – Beč – Wien“ ist noch bis 11. Februar 2018 im Wien Museum zu sehen.

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