Bei den irischen Parlamentswahlen am 26. Februar konnte die Linke stark zulegen. Ebenfalls gewonnen hat die konservative Fianna Fáil. Die Regierungsparteien Fine Gael und Labour wurden bei den Wahlen bitter bestraft.
Die konservative Fine Gael verlor 10 Prozent, die Labour Party sogar 13 Prozent. Die Sozialdemokratie hält nun im irischen Parlament bei gerade noch 6,6 Prozent. Die traditionell größte konservative Partei, Fianna Fáil (FF), hat sieben Prozent zugelegt und hält nun bei 24,4 Prozent.
FF hatte allerdings 2007 noch 41,6 Prozent erhalten, wurde dann aber bei den Wahlen 2011 für ihre Kürzungspolitik abgestraft und war auf unter 20 Prozent gefallen. Die beiden konservativen Parteien Fianna Fáil und Fine Gael stehen sich inhaltlich sehr nahe, sind aber bis heute durch ihre Gegnerschaft im BürgerInnenkrieg 1922/1923 geprägt.
Linke Parteien als große Gewinner
Gewinner der Wahl sind die KandidatInnen der Linken. Die linksnationalistische Sinn Féin (SF) hat rund 4 Prozent zugelegt und hält nun bei 13,9 Prozent. Sinn Féin gilt als der politische Arm der IRA. Bis Anfang der 1990er Jahre spielte Sinn Féin in der Republik Irland (im Gegensatz zu Nordirland) nur eine marginale Rolle. Seitdem hat die Partei aber bei jeder Wahl zugelegt. In Nordirland ist die Partei Teil der Regierung und setzt auch Sozialabbau-Maßnahmen mit um. Auf EU-Ebene ist Sinn Féin Mitglied der Linksfraktion GUE/NGL.
Die Social Democrats erhielten bei ihrem ersten Antreten drei Prozent der Stimmen. Die SD hatten sich 2015 von Labour abgespalten, insbesondere in Opposition zu den Wasser-Gebühren und zum Verbot der Abtreibung. Nun wurden drei Ex-Labour Abgeordnete als Social Democrats gewählt. Die Grünen kommen auf 2,7 Prozent und zwei Abgeordnete.
Mehr TrotzkistInnen als SozialdemokratInnen im Parlament
Ebenfalls stark gewonnen hat das Wahlbündnis Anti Austerity Alliance / People before Profit. AAA/PBP erhielt 3,95 Prozent der Stimmen. Fünf Abgeordnete für das Bündnis stehen bereits fest, möglicherweise könnten bis zu sieben AAA/PBP Abgeordnete ins Parlament einziehen.
Politisch kommen sowohl AAA wie PBP aus der Tradition der russischen Linksopposition rund um Leo Trotzki, die den positiven Bezug zur Oktoberrevolution mit der Gegnerschaft zum Stalinismus verband. AAA wurde von der Socialist Party gegründet, die bereits bisher mit drei Abgeordneten im Parlament vertreten war. PBP ist ein Bündnis rund um die Socialist Workers Party und stellte bisher einen Abgeordneten. AAA/PBP hat unter anderem mit dem Versprechen gepunktet, dass alle Abgeordneten im Parlament nur einen durchschnittlichen ArbeiterInnen-Lohn beziehen werden.
Stark zugelegt haben auch verschiedene unabhängige KandidatInnen, die oft ebenfalls klar links stehen. So wurden noch zumindest drei weitere Abgeordnete aus trotzkistischer Tradition ins Parlament gewählt. Eine Nachwahl-Befragung der Irish Times zeigt ebenfalls, dass die WählerInnen der unabhängigen KandidatInnen tendenziell links einzuordnen sind. Die Zweit-Stimmen dieser WählerInnen gingen demnach zum überwiegenden Teil an progressive Parteien.
Die linken Parteien haben vor allem in der Hauptstadt Dublin sehr gut abgeschnitten. In den stärksten Wahlkreisen in Dublin kommen linke KandidatInnen auf um die 40 Prozent. Allein AAA/PBP steht in sechs der elf Wahlkreise der Hauptstadt bei über zehn Prozent. Hier hat die revolutionäre Linke in den vergangenen Jahren eine echte Verankerung zustande gebracht.
Endgültige Ergebnisse zur Verteilung der Abgeordneten stehen noch nicht fest, da die Auszählung der Stimmen sehr komplex ist. Jeder Wahlkreis entsendet zwischen drei und fünf Abgeordnete. Damit können auch regional starke KandidatInnen ohne nationale Verankerung gewählt werden. Gleichzeitig können relevante Parteien, die nirgendwo ganz vorn landen, auch leer ausgehen.
Der Boykott der Wasser-Gebühren
Politisch waren die Wahlen von mehreren Themen dominiert. Vor allem die Frage der Wasser-Gebühren bewegt seit mehreren Jahren die irische Politik. Gegen diese Gebühren gibt es in Irland eine Massenbewegung, immer wieder gehen Zehntausende auf die Straße. In den meisten Städten und Stadtvierteln haben sich Komitees gebildet, die etwa die Installation von Gebührenmessgeräten verhindern.
AAA, PBP und Sinn Féin spielen eine zentrale Rolle in der Protestbewegung. AAA und PBP propagieren auch den Boykott der Steuer, während Sinn Féin keine eindeutige Position hat. Relevante Teile der Bevölkerung haben sich am Boykott beteiligt, Zahlen vom Jänner 2016 sprechen von bis zu 45 Prozent.
Abtreibung als zentrale Frage
Ein weiteres wichtiges Thema im Wahlkampf war der sogenannte 8th Amendment. Das irische Abtreibungsrecht gehört zu den restriktivsten der Welt. Tausende Irinnen müssen jedes Jahr für Abtreibungen ins Ausland fliegen. Hintergrund dieser frauenverachtenden Gesetze ist der starke Einfluss der katholischen Kirche.
Im November 2012 hatten die irischen Gesetze sogar einen Todesfall zur Folge. Savita Halappanavar starb im Krankenhaus, weil die Mediziner eine Abtreibung verweigerten. Sie begründeten das damit, dass Irland ein katholisches Land sei. Die Schwangere soll darauf erwidert haben: „Ich bin weder Irin noch katholisch“. Das änderte allerdings nichts an der tödlichen Entscheidung der Ärzte.
Gegen das Verbot gehen in Irland immer wieder Tausende auf die Straße. Im Parlament steht vor allem Ruth Coppinger von der AAA/Socialist Party für den Kampf gegen das Verbot. Die von der Socialist Party gegründete Organisation ROSA (For Reproductive Rights, against Oppression, Sexism and Austerity) hat auch die Verteilung von Abtreibungs-Pillen organisiert, was breite Debatten auslöste.
Inzwischen befürwortet knapp die Hälfte der Bevölkerung eine Legalisierung der Abtreibung. Vor einigen Jahren wäre das noch undenkbar gewesen. Ein Ausdruck dieser Veränderungen war auch die Abstimmung über die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe. 62 Prozent stimmten im Mai 2015 für die „same-sex marriage“.
„Sie verdienen es, erschossen zu werden.“
Die Wahlergebnisse für die linken Parteien drücken auch einen generellen Wunsch nach einer Abkehr vom Austeritätskurs aus. Die Rettung der Banken im Zuge der Weltwirtschaftskrise soll 166 Milliarden Euro gekostet haben. Die Bevölkerung musste einen harten Preis für diese Rettung bezahlen. Milliarden wurden bei Löhnen, Sozialleistungen und Pensionen eingespart. Heute ist ein Drittel der irischen Bevölkerung von Armut bedroht.
Die Boulevardzeitung Daily Star druckte im Frühjahr 2010 ein Bild von zwei Bankern mit der Überschrift: „Sie verdienen es, erschossen zu werden.“ Wenn eine große Boulevardzeitung eine solche Überschrift bringt, erzählt das bereits einiges über die Stimmung in der Bevölkerung.
Wie es nach der Wahl weitergeht, ist noch offen. Möglich erscheint eine Koalition der beiden konservativen Parteien Fianna Fáil und Fine Gael – das erste Mal in der Geschichte Irlands. Doch auch eine Koalition von Fianna Fáil, Labour, Social Democrats und Unabhängigen wird diskutiert. Als sicher darf aber gelten, dass der neuen Regierung auf der Straße und im Parlament ein scharfer Wind von links entgegen wehen wird.
Michael Bonvalot bloggt auf https://www.facebook.com/m.bonvalot und twittert via https://twitter.com/MichaelBonvalot.