Heute jähren sich die Kämpfe von ArbeiterInnen am 12. Februar 1934. In der kollektiven Erinnerung an den Widerstand fehlten Frauen lange. Dass sich dies weder mit der Realität noch dem Mangel an Quellen rechtfertigen lässt zeigen Veronika Duma und Hanna Lichtenberger.
Die politischen Verhältnisse zwischen 1933 und 1938 in Österreich sind vielleicht das umstrittenste Kapitel der österreichischen Zeitgeschichte, um das die Debatten bis heute nicht verstummt sind. Die Errichtung des Austrofaschismus stellte den Versuch da, die Entfaltung der Weltwirtschaftskrise in Österreich durch autoritäre Mittel von oben zu bearbeiten: Durch die Ausschaltung der Demokratie konnte eine massive Kürzungspolitik durchgesetzt werden, die in einen Feldzug gegen die Errungenschaften der Frauen-, Räte- und ArbeiterInnenbewegung aus der kurzen Aufbruchsphase nach dem Ersten Weltkrieg führte.
In der Forschung zum Widerstand aber auch im antifaschistischen Gedenken spielten Frauen und Fragen von Geschlecht bis in die jüngste Vergangenheit eine sehr geringe Rolle. Dabei ermöglicht die Erinnerung an die Geschichte emanzipatorischer Kämpfe auf den Erkenntnissen, Erfahrungen und historischen Beispielen von Kämpfen und der Solidarität von Frauen aufzubauen. Ein großer Teil der parteipolitischen Texte beruht auf Erzählungen von Funktionären, die in ihrer Erinnerung – aufgrund der vorherrschenden Geschlechterverhältnisse – die Rolle von Frauen oft ausblendeten. Denn was ihnen als relevant, als aufschreibenswert und als nachfragenswert erschien, war bestimmt von Vorstellungen, was Genossen und was Genossinnen zu berichten haben könnten, welche Tätigkeiten als Widerstand zu werten seien und welche nicht.
Strategische Debatten zwischen Revolutionären Sozialisten und der Kommunistischen Partei sind etwa sehr gut dokumentiert. Die Frage, was in den Pausen zwischen Streiten, Beratschlagen, Demonstrieren und Kämpfen gegessen wurde – und viel wichtiger, wer die Gerichte zubereitet hat – hat es nicht in die kollektive Erinnerung geschafft. Fragen zur Reproduktionsarbeit im Widerstand füllen keine Bücher, auch der Widerstand von Frauen an der Seite der Genossen in den Kämpfen selbst wird erst langsam – vor allem durch jüngere Forschungsarbeit – sichtbar gemacht. Diese Arbeit tritt der Abwesenheit von Frauen in Literatur und Erinnerungspolitik entgegen: Selbst sehr bekannte Funktionärinnen wie Rosa Jochmann, Käthe Leichter oder Therese Schlesinger nehmen in der Erinnerungskultur zum Februar 1934 wenig Raum ein.
Perspektivenwechsel
Frauen waren in ganz unterschiedlichen Feldern und an verschiedenen Orten aktiv. Die politische Tätigkeit in den Februarkämpfen (im Bereich der Infrastruktur oder an der Waffe) stellte dabei meist eine Kontinuität der politischen Arbeit dar, die schon ab dem Jahr 1933, nach dem Verbot der Kommunistischen Organisationen sowie der Ausschaltung der parlamentarischen Demokratie und der Etablierung des Austrofaschismus, teils in der Illegalität stattfinden musste. Ein Großteil der Frauenarbeit fand im Bereich der Reproduktionsarbeit und dem Aufbau und Erhalt zentraler Infrastruktur sowie in der Kommunikation statt. Die erlernte Fähigkeiten und Erfahrungen nahmen viele der Frauen mit, wenn sie z.B. mit den Internationalen Brigaden nach Spanien zogen oder später Widerstand gegen den Nationalsozialismus leisteten.
Weniger sichtbar waren Frauen in militärischen Formationen wie dem Schutzbund, über ihren informellen Ausschluss ist aber wenig bekannt. Wie auf Fotos von Aufmärschen zu erkennen ist, waren sie bei öffentlichen Ereignissen nicht involviert. Das verdeckt aber, dass Frauen sehr wohl in Sport- oder Wehrverbänden sowie in deren Umfeld aktiv waren. Bei der Aufarbeitung der Geschlechterverhältnisse im Widerstand kommt biografischen Forschungen eine wesentliche Bedeutung zu. Nicht zuletzt deshalb, da die Auseinandersetzung mit Biografien in der Frauen- und Geschlechterforschung eine lange Tradition hat: Es geht darum, Frauen(leben) in gegenwärtigen und historischen Gesellschaften aufzuzeigen und sichtbar zu machen und darüber patriarchale Strukturen zu benennen. Dass die Marginalisierung von Frauen in der Geschichte nicht an fehlenden Quellen, sondern fehlender Forschung liegt, können schon einige beispielhafte biografische Skizzen zeigen.
Frauen im Widerstand (eine unvollständige Liste)
Rosa Jochmann hat für Otto Bauer während der Februarkämpfe im George-Washington-Hof die Radiomeldungen mitstenographiert. Später, im polizeilichen Verhör, wurde ihr vorgeworfen, dadurch die Koordination des Widerstands unterstützt zu haben. Obwohl sie Mitglied des Parteivorstandes war, nahm sie nicht an den Sitzungen des Exekutivkomitees während der Kämpfe teil. Noch während der Kämpfe verhalf Jochmann Otto Bauer zur Flucht aus Österreich nach Brno. Nach dem Verbot der linken Parteien spielte sie eine zentrale Rolle beim Aufbau der Revolutionären Sozialisten (RS), der Nachfolgeorganisation der SDAPÖ in der Illegalität. Bei einer illegalen Versammlung im Wienerwald hielt Rosa Jochmann am 15. Juli eine Ansprache zum Gedenken an die Toten des „Justitzpalastbrands“ 1927. Die Liesinger Ortswehr und Gendarmerie stürmte die Veranstaltung und erschoss dabei zwei Menschen. Trotz wiederholter Inhaftierung schloss sie sich nach der Entlassung stets erneut dem Widerstand an. Auch nach dem sogenannten „Anschluss“ setzte sie ihre politische Aktivität fort, wobei sie 1938 und 1939 inhaftiert und 1940 schließlich ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert wurde.
Käthe Odwody war bis 1934 aktiv in den Freien Gewerkschaften und ab 1934 Mitglied der Kommunistischen Partei. Sie wurde am 17. Februar „wegen Aufstand und Hochverrat” verhaftet. Sie soll laut Anklage in der Kutscherkantine der Ankerbrotfabrik Maschinengewehre mit Patronen geladen haben. Odwody fand nach ihrer Verhaftung bis zum Jahr 1938 keine Arbeit mehr, fing dann wieder in der Ankerbrotfabrik zu arbeiten an und wurde wegen ihrer Widerstandsarbeit gegen den Nationalsozialismus von der Gestapo verhaftet und am 9. November 1942 in Wiener Landesgericht hingerichtet.
Maria Fertner war seit 1916 in der Sozialdemokratie organisiert und engagierte sich besonders in den Frauenorganisationen in Bruck an der Mur. Gemeinsam mit Paula Wallisch organisierte Maria Fertner während der Februarkämpfe ein Netzwerk zur Verteilung von Lebensmitteln und Zigaretten an die Kämpfenden. Viele Frauen solidarisierten sich spontan mit dieser Aktion und unterstützten Fertner und Wallisch. Die Vorräte organisierten die Frauen aus den Konsumvereinen und bereitetten diese gemeinsam in den Betriebsküchen zu. Gemeinsam mit Wallisch und einem verletzten Schutzbund-Angehörigen versteckte sich Maria Fertner nach Niederschlagung des Widerstandes in einer Hütte im Hochangergebiet, die als Anlaufstelle für verletzte Kämpfende fungierte. Die beiden Frauen wurden wegen „Hochverrats“ zu einem Jahr schweren Kerker verurteilt.
Marie Jahoda, eine der wichtigsten Sozialwissenschafterinnen Österreichs, war vor dem Februar 1934 im Umfeld des linken Flügels der SDAPÖ um Käthe Leichter und Therese Schlesinger organisiert. Nach dem 12. Februar blieb sie in Wien und schloss sich den Revolutionären Sozialisten an. Ab 1935 war Jahoda dafür zuständig Josef Buttingers Terminkalender zu koordinieren und seine Texte zur „redigieren“. Darüber hinaus fiel es ihr auch zu, wie vielen anderen aktiven Antifaschistinnen, Räumlichkeiten für die Treffen zu organisieren. Im November 1936 wurde sie zu drei Monaten Kerker und einem Jahr Schutzhaft verurteilt. Nach massiven Interventionen aus internationalen Wissenschaftskreisen wurde sie frühzeitig aus der Haft entlassen, mit der Bedingung Österreich innerhalb von 24 Stunden zu verlassen. Sie gründete das Radio Rotes Wien, später folgten Forschungsarbeiten, unter anderem gemeinsam mit Max Horkheimer.
Anna Haider wuchs in einer sozialdemokratischen Familie im Goethe-Hof in Wien auf. Sie war Wehrturnerin und hatte früh enge Kontakte zu Schutzbund-Angehörigen. Sie beteiligte sich an den Kämpfen im Goethe-Hof. Zu ihren Aufgaben gehörte es, über die von den Heimwehren und dem Militär abgeriegelte Reichsbrücke hinweg Kampfdirektiven zu übermitteln. Sie erzählt in einem Interview im Film „Tränen statt Gewehre“, dass sie den Rückzug der Kämpfenden mit dem Maschinengewehr deckte. Aus Enttäuschung über den Verrat der Sozialdemokratie an den kämpfenden ArbeiterInnen trat sie in die KP ein. Sie blieb auch nach 1938 im Widerstand, wurde 1941 von der Gestapo verhaftet, überlebte den Nationalsozialismus und war nach 1945 in der KP aktiv.
Maria Emhart war Textilarbeiterin, Betriebsrätin und Gemeinderätin für die Sozialdemokratie in Niederösterreich. Sie war eine gute Freundin von Rosa Jochmann, die beiden unterstützten einander und standen in regem Austausch. Sie brachte im Februar 1934 das Parteiarchiv in Sicherheit, organisierte Krankenversorgung und Logistik für die Kämpfe in St. Pölten. Ohne ihr Drängen hätte es vielleicht keine Kämpfe in St. Pölten gegeben, denn erst sie trommelte Schutzbündler, Genossinnen und organisierte Jugendliche zusammen und übernahm somit eine koordinierende Funktion im militärischen Einsatz. In den Folgetagen der Kämpfe wurde sie verhaftet, nach einigen Tagen „mangels Beweisen“ wieder entlassen. Als Grete Mayer übernahm sie nach Jochmanns Verhaftung einige ihrer Funktionen, wurde verraten und im Jänner 1935 verhaftet. Sie war gemeinsam mit Karl Hans Sailer angeklagt, die Staatsanwaltschaft beantragte die Todesstrafe. Sie wurde zu 18 Monaten Haft verurteilt und im Rahmen der Juli-Amnestie 1936 wieder freigelassen. Sie zog sich ab 1938 zurück. Nach 1945 war sie für die Sozialdemokratie aktiv, u.a. war sie von 1953 bis 1965 Abgeordnete zu Nationalrat.
Über Ida Sever ist wenig bekannt. Wir wissen aber, dass sie trotz der Kämpfe den ganzen Februar 1934 im Arbeiterheim im Ottakring verbringt. Am 13. Februar 1934 gegen zehn Uhr vormittags wird dieses von Heimwehr und Militär zerstört. Ida Sever stirbt wenige Stunden später an ihren Verletzungen. Sie wird in der Literatur ausschließlich über ihren Ehemann definiert.
Wilhelmine Moik war Funktionärin der illegalen Gewerkschaft und in der Sozialistische Arbeiterhilfe (SAH) aktiv, die Geld für politische Gefangene sammelte, Familien von Verhafteten ebenso wie GenossInnen mit Berufsverbot unterstützte oder Hilfspakete in die Gefängnisse sandte.
Marie Langer war neben ihrer Ausbildung zur Psychoanalytikerin in der Kommunistischen Partei aktiv, wo sie unter anderem dafür verantwortlich war sichere Räume für die geheimen Versammlungen und Parteitage zu organisieren. Am letzten KP-Parteitag vor dem Nationalsozialismus, auf dem heiß diskutiert wurde, wie der sogenannte Anschluss Österreichs zu verhindern sei, erinnert sich Langer vor allem an eines: die Blasen an ihren Händen, denn für so viele Leute hätte sie noch nie Brot geschnitten.
Ilse Barea Kulscar, die sich wie viele der Frauen bereits in der Rätebewegung engagiert hatte, betätigte sich unter anderem in der Roten Hilfe und zog 1936 nach Spanien, um dort gemeinsam mit zahlreichen anderen Frauen, die weltweit als Ärztinnen, in der Sanität, als Fotografin oder Kämpferin nach Spanien kamen, gegen den Faschismus zu kämpfen.
Hella Postranecy protokollierte und koordinierte Aussagen verhafteter Schutzbündler und deren Umfeld, um die Aussagen abzugleichen. Sie sollte herausfinden, wer schon verhört wurde und welche Informationen den Behörden preisgeben wurden. 1938 schloss sich Hella Postranecky den KommunistInnen an, 1945 zählte sie als Unterstaatssekretärin für Volksernährung als erste Frau in einer solchen Position der provisorischen Staatsregierung an.