Kinostart Feminism WTF: Feminismus in Scandinavian Chic

Foto: geyrhalterfilm

Ab heute ist Feminism WTF in den Kinos. Regisseurin Katharina Mückstein bildet damit die vielen Ebenen und Schauplätze feministischer Gesellschaftskritik ab. Mosaik hat sich den Film vorab angeschaut.

„Feminismus bringt die ganze gesellschaftliche Ordnung in die Krise. Und das stimmt auch so. Das wollen wir auch!“ Feminismus, was ist das? Um die Frage zu beantworten werden viele Themen bearbeitet: es geht um gesellschaftliche Arbeitsteilung, die Naturalisierung menschlicher Eigenschaften, misogyne Ideengeschichte, Kolonialismus und die Komplexität von Chromosomensätzen. Der im Eingangsstatement markierte kämpferische Anspruch verliert sich aber im Laufe des Films und wird höchstens auf einer symbolischen Ebene eingelöst.

Expert*innen sind am Wort

11 ausgewiesene Expert:innen holt Katharina Mückstein für ihren Dokumentarfilm Feminism WTF vor die Kamera. Sie geben pointierte Antworten auf Geschlechtervielfalt, Mehrfachdiskriminierung, Arbeitsteilung, kritische Männlichkeitsforschung und noch einiges mehr. Dafür wurden Vorgespräche geführt. Das mündet in anschlussfähigen und trotzdem komplexen Darstellungen des jeweiligen Arbeitsfeldes (und seiner Verknüpfung mit feministischer Herrschaftskritik).

Am Ende der 90-minütigen Dokumentation hat man deshalb den Eindruck, Feminismus besteht hauptsächlich aus klugen Argumenten, die von belesenen, telegenen und charismatischen Menschen geäußert werden (den meisten von ihnen mit einer Professur). Wortmeldungen werden nach Fachdisziplinen geordnet, allein dadurch wird der akademische Zugang des Films deutlich. Zwar werden die niederschwellig gehaltenen Expert*innengesprächen durchbrochen mit Musik-Tanz-Sequenzen. Im Gesamten bleibt es aber bei einem durchgehenden Argumentationsfluss.

Leerstelle politischer Kampf

Trotz der vielen wichtigen und klugen Einsichten bleibt der Film deshalb konzeptuell auf einer ideellen Ebene stehen. Es geht darin um ein Verstehen, um das Lernen von Argumenten und Hintergründen. Strukturell folgt der Film so einem liberalen Verständnis von Feminismus, der Antidiskriminierung, Rollendiversität und eine Reihe weiterer wichtiger Sachen einfordert. Der Überwindung patriarchaler Herrschaft über politische Kämpfe wird hingegen kein Raum gewidmet.

Das ist insofern problematisch, als der Film damit nicht nur eine weitverbreitete akademische Verzerrung des Expert*innenstatus bedient, sondern ein wesentliches Moment feministischer Herrschaftskritik ausgeblendet: die Vielfalt politischer (Alltags-)Kämpfe, oftmals mit keinem Prestige, oftmals ungesehen. An einer Stelle wird im Film gefragt, welches Wissen festgehalten wird und so ungewollt auch an den eigenen Film die Frage gestellt: „welches Wissen hält dieser Film fest?“

Was definitiv festgehalten wird, ist eine vielschichtige feministische Gesellschaftsanalyse und Herrschaftskritik. Sie vermittelt den Zuseher*innen warum und wie diese Welt patriarchal durchsetzt ist. Dass gleichzeitig die verschiedenen politischen Kämpfe (und versteckten Alltagskämpfe) in patriarchale Herrschaftsverhältnisse eingreifen und auf die gesellschaftlichen Auswirkungen toxischer Männlichkeit und antifeministischer Regierungen öffentlichkeitswirksam Aufmerksam machen verbleibt höchstens ein Versatzteil im Argument der Expert*innen. Organisator*innen und Akteur*innen dieser Kämpfe bekommen keine Redezeit.

Ansätze eines feministischen Transformationsprojekts

Im Gesamten bietet der Film zahlreiche Ansatzpunkte zum weiter diskutieren. Beispielsweise wenn Astrid Biele Mefebue es auf den Punkt bringt mit „die einen sind an der Macht und die anderen nicht“. Dabei wird ein generelles Verständnis von Ausbeutung deutlich, ein soziales Verhältnis, was Menschen unterordnet, Entfaltungsmöglichkeiten beschränkt. Ebenso die Feststellung von Sigrid Schmitz, dass Geschlecht das letzte Refugium Sicherheit in einer unsicheren Welt schafft, macht die Zähheit binärer geschlechtlicher Identitäten verstehbar und ermöglicht Denkweisen, die über Politiken der Antidiskriminierung hinausgehen. Oder die grundlegende Forderung, dass Personen so sein können sollen, wie sie sein wollen. Mit caring democracy werden diese Ideen in einem der Beiträge auf einen Nenner gebracht und schaffen so ein implizit gehaltenes Transformationsprojekt, das für einen kollektiven Entfaltungs- und Emanzipationsprozess nutzbar wird.

Herrschaftskritik in Scandinavian Chic

Feminism WTF ist eine Nachhilfestunde in Feminismus, die guttut. Nicht nur der Sound von Tony Renaissance, sondern auch die kompakt gehaltenen und inhaltlich dichten Gespräche ergeben ein stimmiges Gesamtbild. Die Ausklammerung politischer Kämpfe benennt aber einen wesentlichen Teil feministischer Gesellschaftskritik nicht. Feminism WTF ist deshalb mehr Scandinavian Chic: es ist gut arrangiert, es hat seine Ordnung, es ist beruhigt und entspannt, tut aber auch nicht wirklich weh. Trotzdem sollte man hingehen, weil eins ist Scandinavian Chic auch: bereichernd und wohltuend anzusehen.

 Bild: geyrhalterfilm

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