„Es ist oft nicht mehr möglich, Frauen gut zu betreuen“

Unter dem Motto »Das Leben braucht einen guten Anfang!« haben Anfang Mai über 300 Hebammen und Unterstützer*innen in der Linzer Innenstadt demonstriert. Was hat der bisheriger Protest der Hebammen in Oberösterreich gebracht? Wie schwer war es sich zu organiseren? Und wie kann der Kampf der Hebammen für mehr Stellen, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne weitergehen? mosaik-Redakteurin Sandra Stern hat sich mit Maria Guldner, Ulrike Spinka und Marianne Weinbauer darüber unterhalten.

Mosaik: Wie kam es zu eurem Protest und worum geht es dabei?

Wir drei arbeiten als Hebammen am Kepler Universitätsklinikum (KUK) in Linz. Wir sind dort mit einem enormen Anstieg an Geburten, aber auch Überwachungen und ambulanten Begutachtungen konfrontiert. Es ist uns oft nicht mehr möglich, Frauen und ihre Kinder sicher zu betreuen. Es gibt zu wenige Hebammen sowohl im Krankenhaus als auch im niedergelassenen Bereich. Und die Hebammen, die es gibt, werden schlecht bezahlt. Das wollen wir nicht mehr akzeptieren.

Was bedeutet das für euch konkret?

Wir arbeiten unter ständigem Stress. Und das birgt die Gefahr von Fehlern. Das macht viele von uns krank und viele geben den Beruf auch auf. Das geht nicht. Frauen brauchen in der sensiblen Zeit von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett kompetente Hebammenbetreuung. Jede Frau und jede werdende Familie hat ein Recht auf kompetente Betreuung und Beratung durch eine diplomierte Hebamme. Wir, als größte Gruppe von Hebammen in Oberösterreich, haben uns verantwortlich gefühlt, diesen Missstand aufzuzeigen.

Ihr fordert mehr Hebammen-Stellen in Oberösterreich. Ist die Situation in anderen Bundesländern besser? Wenn ja, warum ist das so?

Im Moment ist die Situation wirklich kritisch. Der Vergleich mit anderen Bundesländern zeigt eindeutig, dass es tatsächlich zu wenige diplomierte Hebammen in Oberösterreich gibt. Auch weil Krankenhäuser in anderen Bundesländern besser bezahlen. Das ist auch kein Geheimnis. Es gibt die Hebammenbedarfsberechnung, die etwa ein rechtzeitiges Reagieren im Ausbildungsbereich oder das Setzen von Anreizen ermöglichen würde. Aber die oberösterreichischen Politik hat das verschlafen.

Auf eurer Kundgebung im Mai waren über 300 Teilnehmer*innen. Das ist ein großer Erfolg. Wie habt ihr das geschafft?

Die Idee ist auf offene Ohren gestoßen. Die Beteiligung unserer Kolleginnen war trotz des Stresses in der Arbeit sehr groß. Unser Betriebsrat, der Zentralbetriebsrat vom KUK und auch die Gewerkschaft haben uns unterstützt. Bei der Kundgebung selbst waren viele Kolleginnen und ihre Familien, ehemalige und aktuelle Patientinnen, Schwangere und deren Familien, aber auch interessierte Passant*innen. Es war wirklich beeindruckend, mit wie viel Elan Leute gemeinsam für etwas einstehen können, wenn es wirklich wichtig ist.

Wie ist es nach der Kundgebung weiter gegangen?

Eine unserer Kolleginnen, die der Presse ein Interview gab, wurde zur Krankenhausleitung zitiert. Da sind wir, also alle Hebammen, die zu dem Zeitpunkt nicht dienstlich verhindert waren, dann mitgegangen. Wir waren ungefähr 40 Leute, der Betriebsrat war auch dabei. Wenn von oben Druck kommt, ist er leichter auszuhalten, wenn wir gemeinsam füreinander einstehen.

Gibt es mittlerweile ein Entgegenkommen der Krankenhausleitung?

Bereits im Mai 2017 haben wir einen Brief an die Krankenhausleitung geschrieben. Nach einiger Zeit gab es ein erstes Treffen mit der Pflegedirektion, bei dem auch der Betriebsrat dabei war. Das war das erste von vielen Gesprächen. Wir haben im Kreißzimmerbereich jetzt schon einiges erreicht, was das Personal betrifft. In anderen Bereichen, etwa in den Ambulanzen, wurde zwar reagiert, aber wir sind noch nicht dort, wo wir sein sollten.

Die Forderung nach mehr Stellen und Ausbildungsplätzen für Hebammen richten sich an die Politik. Gab es Reaktionen von dieser Seite?

Mittlerweile erkennt die Politik an, dass es einen Mangel an Hebammen gibt. Daraufhin wurde ein zusätzlicher Studienlehrgang für Hebammen eingeschoben, der diesen Herbst gestartet hat. Aber auf unsere Forderung, die wir seit zwanzig Jahren stellen, dass endlich der Lohn angepasst wird, hat die Landesregierung bisher nicht reagiert. Immerhin hat uns der Betriebsrat gesagt, dass ein neues Gehaltsschema für Gesundheitsberufe in Arbeit ist und im Zuge dessen auch unsere Einstufung als Hebammen Thema sein wird.

Ein Krankenhaus ist angesichts der zahlreichen Berufsgruppen sehr heterogen. Ist es euch gelungen, euch mit anderen Berufsgruppen zu vernetzen?

Momentan sehen wir in der relativ homogenen Gruppe der Hebammen die größte Chance, gewisse Fortschritte zu erreichen. Wir wissen aber, dass zahlreiche andere Berufsgruppen dasselbe Problem haben und sich hoffentlich früher oder später anschließen werden. Für Aktionen in der Zukunft wäre es sicher wünschenswert, wenn wir uns mit anderen Berufsgruppen im Krankenhaus vernetzen würden.

Wie geht es mit eurem Protest weiter? Wie kann man euch unterstützen?

Am 3. Oktober gibt es ein Treffen aller Hebammen Oberösterreichs. Wir werden uns austauschen und zu einem großen Hebammenteam formieren. Der Betriebsrat und die Gewerkschaften werden uns sicher auch weiterhin unterstützen, auch das Hebammengremium, die Interessensvertretung aller Hebammen in Österreich, steht dahinter. Frauen, die unsere Arbeit unterstützen wollen, können das Erlebte – positiv wie negativ – in einen Beurteilungsbogen oder in Briefform schreiben. Wenn Rückmeldungen von Patientinnen selber und gehäuft kommen, können sie eine enorme Wirkung entfalten. Wir geben nicht auf, denn das Leben braucht den bestmöglichen Anfang!

Interview: Sandra Stern

Maria Guldner ist Hebamme am Kepler Universitätsklinikum in Linz. Nebenbei hat sie eine Hebammenordination. Darüber hinaus hält sie Kurse und Vorträge.

Ulrike Spinka ist Hebamme am Kepler Universitätsklinikum in Linz. Nebenbei ist sie in der Geburtsvorbereitung und Nachsorge tätig.

Marianne Weinbauer arbeitet in der Ambulanz des Kepler Universitätsklinikums in Linz. Sie hat ihre Hebammenausbildung 1999 an der Hebammenakademie der Frauenklinik in Linz absolviert. Ihr besonderes Interesse gilt der Pränatalmedizin.

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