Der Abbau von Braunkohle vergiftet Wasser, Luft und Boden, befeuert den Klimawandel und erzwingt die Zwangsumsiedlung zehntausender Menschen – und zwar in Deutschland. Zu Pfingsten gibt es eine große, internationale Protestaktion vor Ort, berichtet Ruth Fartacek. TeilnehmerInnen aus Wien sind herzlich willkommen.
Fehlender Zynismus kann Vattenfall nicht vorgeworfen werden. Das Archiv verschwundener Orte, versichert der schwedische Energiekonzern, werde großzügige finanzielle Hilfe erhalten. Doch ohne Vattenfall müsste es dieses Archiv gar nicht geben. Es erinnert an die 136 Ortschaften, die in der ostdeutschen Lausitz seit 1924 vom Braunkohle-Tagbau zerstört wurden. Rund 25.000 Menschen wurden bislang zwangsumgesiedelt. Vor allem die sorbische Minderheit, die in der Lausitz ansässig ist, ist betroffen. Ihr kulturelles Erbe steht wegen der Devastierungen, also den Ortsverlagerungen als Auswirkung des Braunkohlebergbaus, auf dem Spiel. Was nach einem Fall von Land-Grabbing im Globalen Süden klingt, ist auch in der Bundesrepublik Deutschland bittere Realität.
Die Lausitz ist eines der größten Braunkohlereviere in ganz Europa. Dieser fossile Brennstoff ist nicht nur für seine katastrophalen ökologischen und sozialen Konsequenzen beim Abbau bekannt, sondern steht als einer der klimaschädlichsten Brennstoffe im krassen Widerspruch zu den 2015 in Paris vereinbarten Klimazielen. Das klingt paradox und ist es auch. Doch der wissenschaftliche Stand der Erkenntnisse und die Versprechungen der politischen Eliten sind das eine, die tatsächlich gemachte Politik hinsichtlich Klimaschutz das andere.
Wasser verloren, Luft vergiftet
Der Forschungsstand ist eindeutig: Der Braunkohleabbau zerstört die Umwelt in vielerlei Hinsicht. Der Flächenverbrauch ist enorm. Boden, Fauna und Flora werden für Jahrzehnte total vernichtet, Maßnahmen zur Wiederherstellung sind nur bedingt möglich. Um den Abbau zu ermöglichen, wird das Grundwasser abgepumpt. Der Spiegel sinkt dadurch um bis zu 450 Meter, die Wasservorräte gehen verloren. Das hat massive Auswirkungen auf die Vegetation, auch im Umland des Tagebaus. Zugleich werden Oberflächengewässer durch Eisensulfateinträge aus dem Tagebau verschmutzt.
Als wäre das nicht schlimm genug, nimmt der Braunkohleabbau den Menschen buchstäblich die Luft zum Atmen: Ohne entsprechende Filteranlagen wird Feinstaub in gesundheitsschädlichem Ausmaß in den Kohlegruben freigesetzt. Das beeinträchtigt die umliegenden Nachbarschaften stark, deren Wohnqualität durch die hohe Lärmbelastung der Kohlebagger ohnedies massiv leidet – sofern die Bevölkerung nicht bereits zwangsumgesiedelt wurde.
Klimaschädling Nummer Eins
Wird die abgebaute Braunkohle schließlich verbrannt, ist sie ein Klimazerstörer erster Ordnung. Pro thermisch verwerteter Tonne Braunkohle wird eine ebenso große Menge an Kohlenstoffdioxid (CO2) in die Atmosphäre entlassen. Damit ist Braun- neben Steinkohle die Nummer Eins der klimaschädlichen Energieträger. Obwohl das Verbrennen von Kohle also ein durch und durch antiquiertes Verfahren ist, wurden 2014 in Deutschland immer noch 44 Prozent der nationalen Stromerzeugung so abgedeckt. Trotz diesem Wissen und ihrem Bekenntnis zur Energiewende macht die deutsche Regierung keine Anstalten, den Braunkohleabbau zu verbieten – im Gegenteil.
Vattenfall bringt in diesen Tagen den Verkauf ihrer Braunkohlesparte in der Lausitz an den tschechischen Investor EPH über die Bühne. Ein neuer Investor bedeutet, dass das Kohlerevier weder kurz- noch mittelfristig stillgelegt werden wird. Denn der Kauf soll sich für EPH ja rechnen. Dass die Profite auch wie gewünscht fließen, ist zum einen eine Folge von hohen staatlichen Subventionen im Energiesektor. Zum anderen profitiert der giftige Energieträger davon, dass Unternehmen finanziell quasi nicht für langfristige Umweltschäden aufkommen müssen und sich Umweltkosten deshalb nicht im Kohlestrompreis niederschlagen.
Laut einer Studie des Bunds für Umwelt- und Naturschutz Deutschland aus dem Jahr 2015 müsste der Preis für Braunkohlestrom um 11,5 Cent pro Kilowattstunde über dem tatsächlichen Marktpreis liegen, wenn die Langzeitkosten, die durch den umweltschädlichen Abbau entstehen, mitberücksichtigt würden. Das geschieht aber nicht – denn diese Kosten trägt nicht der Energiekonzern, sondern die Allgemeinheit. Die Betroffenen wohnen nicht nur in Deutschland. Gerade im Globalen Süden entzieht der Klimawandel, den der Braunkohleabbau vorantreibt, Millionen Menschen ihre Lebensgrundlage.
Aktion zu Pfingsten: Mitmachen!
Wir kennen das Muster: Die Gewinne werden privatisiert, die Verluste sozialisiert. In diesem Fall können wir etwas dagegen tun: Zu Pfingsten (13. bis 16. Mai) findet zum zweiten Mal eine riesige Aktion zivilen Ungehorsams in der Lausitz statt. Das Bündnis Ende Gelände wird die Tagebaue lahmlegen und den sofortigen Ausstieg aus der Braunkohle fordern. Ob normale Demo, Bagger-Blockade oder Besetzung der Kohlebahn-Gleise: Alle können mitmachen, ob protesterfahren oder nicht. Alles wird friedlich ablaufen, keine Menschen werden gefährdet. Stoppen wir gemeinsam den giftigen Kohleabbau!
Ruth Fartacek studiert an der Universität für Bodenkultur Wien und ist Aktivistin beim Bündnis SystemChange not ClimateChange.