Ende Gelände: Gemeinsam gegen die Kohlebagger

In den USA und Europa sind jene am Vormarsch, die den Klimawandel leugnen oder ignorieren. Diese Woche trägt das Bündnis Ende Gelände den Protest gegen sie ins deutsche Braunkohlerevier – mit zivilem Ungehorsam und Blockaden. 

Dieser Sommer ist nur ein Vorgeschmack darauf, was uns in Zukunft bevorsteht. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten jährlich 152.000 Menschen an Hitzewellen von über 35 Grad sterben – und das allein in Europa. Weite Teile von Indien, Pakistan und Bangladesch – die Heimat von einem Fünftel der Weltbevölkerung – könnten in Zukunft unbewohnbar werden. Im Kampf gegen die Erderwärmung bleibt uns immer weniger Zeit. Trotzdem tun Politik und Wirtschaft weiter viel zu wenig für den Klimaschutz.

Weltweiter Klima-Backlash

Eine neue Studie beziffert die Wahrscheinlichkeit, das Zwei-Grad-Ziel der internationalen Klimapolitik noch zu erreichen, mit unter fünf Prozent. Um diese Chance zu nützen, braucht es massive Anstrengungen der gesamten Menschheit und einen echten sozial-ökologischen Systemwandel. Ein wichtiger Teil davon – wenn auch bei weitem nicht der einzige – ist die Umstellung unserer Energieerzeugung von Kohle, Öl und Gas auf erneuerbare Energien wie Sonne, Wind und Wasserkraft. Doch davon ist wenig zu erkennen.

Donald Trump ist nur die Spitze des schmelzenden Eisbergs. In vielen Ländern setzt sich eine Politik durch, die den Klimawandel leugnet oder ignoriert. So steht in der Abschlusserklärung des G20-Gipfels von Hamburg, dass die Vereinigten Staaten anderen helfen wollen, „auf fossile Brennstoffe zuzugreifen und sie sauberer und effizienter zu nutzen.“ Das sind deutlichere Worte als das leere Bekenntnis der anderen 19 Staaten zum Pariser Abkommen.

Von Erdoğan bis Taschner

Der türkische Präsident Erdoğan erklärte ebenfalls in Hamburg, dass sein Parlament das Abkommen wohl doch nicht ratifizieren werde und erteilte dem Klimaschutz damit eine Absage. In Österreich setzt sich die Politik mit aller Macht für den Bau der klimaschädlichen dritten Piste am Flughafen Wien ein.

Während in der FPÖ Zweifel am Klimawandel schon lange gang und gäbe sind, hat nun auch Sebastian Kurz mit Rudolf Taschner einen Klimawandel-Leugner zum Wissenschaftssprecher der ÖVP gemacht.

Merkels leeres Bekenntnis

Auch Deutschland verspielt langsam seinen Ruf als Land der Energiewende. Im Wahlkampf spielen Umweltthemen bisher kaum eine Rolle. Zwar hat sich Angela Merkel kürzlich zum Ausstieg aus dem Kohlestrom bekannt. Doch ohne ein fixes Zieldatum bleibt dies nicht mehr als ein Lippenbekenntnis.

Viel schwerer wiegt der Vorstoß der deutschen Braunkohle-Bundesländer. Sie fordern in einem gemeinsamen Brief die deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries auf, eine Klage gegen neue, strengere EU-Schadstoff-Grenzwerte für Kohlekraftwerke einzureichen. Diese würden dazu führen, dass viele Kohlekraftwerke bis 2021 nachgerüstet werden müssen – oder abgeschaltet.

Politik verbilligt schmutzige Energie

Dass die Stromerzeuger nicht von sich aus auf Braunkohle verzichten, ist aus ihrer Sicht verständlich. Die Tagebaue sind für sie wie milliardenschwere Konten, von denen sie noch so lange wie möglich Geld abheben wollen. Die Politik toleriert das nicht nur, sie ermöglicht es durch Milliarden an Subventionen überhaupt erst. Würden externe Kosten wie Gesundheits- und Umweltschäden in den Energiepreis miteingerechnet, wären erneuerbare Energien längst viel billiger als etwa Kohlestrom.

Versorgung ohne Kohle kein Problem

Die oft ins Feld geführte Versorgungssicherheit könnte schon jetzt ohne Probleme mit weitaus saubereren Gaskraftwerken und Pumpspeichern und in naher Zukunft ganz ohne fossile Brennstoffe gewährleistet werden. Und auch die maximal 30.000 Arbeitsplätze in der Kohlebranche sind auf ganz Deutschland gerechnet kein Argument gegen die Energiewende.

Ende Gelände: Rheinische Klimakiller stoppen

Einer der Orte, wo in Deutschland Klimawandel gemacht wird, ist das rheinische Braunkohlerevier in Nordrhein-Westfahlen. Der Energiekonzern RWE betreibt dort drei der sieben Kohlekraftwerke mit dem größten CO2-Ausstoß Europas. Im April hat das Aktionsbündnis Ende Gelände dem Konzern auf dessen Jahreshauptversammlung in Essen ein Ultimatum gestellt: Wenn er den Kohleausstieg bis zum 23. August nicht einleitet, werden andere die Tagebaue und Kraftwerke für ihn schließen. Genau das wird in den kommenden Tagen im Rheinland passieren.

Menschenkette gegen Kohlebagger

Bis zu 7.000 Menschen werden auf den drei Klimacamps und während der Aktionstage erwartet, die am heutigen Donnerstag starten und Braunkohleabbau und -verbrennung zumindest für einige Tage stoppen sollen. Neben der Massenaktion von Ende Gelände finden auch dezentrale Kleingruppenaktionen statt und am Samstag wird sich eine Menschenkette als rote Linie zwischen die Braunkohlenbagger und den Hambacher Wald sowie die von Abbaggerung bedrohten Dörfer stellen.

Die Bewegung wächst

Die Aktionen im Rheinland sind der Höhepunkt eines aus Sicht von KlimaaktivistInnen sehr ereignisreichen Sommers. Bislang gab es bereits Aktionen zivilen Ungehorsams gegen klimaschädliche Infrastruktur in Holland, Tschechien und am Flughafen Wien sowie zahlreiche weitere Klimacamps und Protestaktionen. Die Bewegung wächst – und das ist wichtiger denn je!

Klimaschutz ist Gerechtigkeit

Der Wandel, den wir wollen, hätte schon längst stattfinden müssen. Doch so werden die nächsten Jahre entscheiden, ob uns eine Zukunft mit unvorhersehbaren Klimaveränderungen, Wetterextremen, enormen Migrationsbewegungen und Konflikten um Wasser und Ressourcen bevorsteht, oder ob das Schlimmste doch verhindert werden kann.

Ob in Standing Rock oder im Rheinland: Immer mehr Menschen setzen sich auch mit Methoden zivilen Ungehorsams für Klimaschutz ein. Sie wissen, dass der Schutz des Planeten die grundlegendste Form von Gerechtigkeit ist.

Repressionen sind zu erwarten

Bei den heurigen Aktionstagen gegen Braunkohle kündigen sich größere Repressionen an als in den vergangenen zwei Jahren. Schon im Vorfeld wurden Parallelen zum G20-Gipfel gezogen und Angst vor „gewaltbereiten Extremen“ geschürt. Zudem wurden rund um die Tagebaue Erdwälle errichtet und Zäune gezogen sowie Schilder aufgestellt.

Das Ziel: Beteiligte AktivistInnen wegen Hausfriedensbruchs verurteilen zu können. Doch davon werden wir uns nicht abschrecken lassen. Ende Gelände muss ein Erfolg werden – und darf nicht ohne Folgen bleiben. System Change, not Climate Change!

Online mitverfolgen

Die Aktionstage gegen Braunkohle im Rheinland von 24. bis 29. August können unter anderem via Climate Action Map, Twitter und den Livestream Disobedience online verfolgt werden.

Von 6. bis 8. Oktober findet zudem in Graz ein Kongress für zivilen Ungehorsam statt.

Manuel Grebenjak ist Aktivist bei System Change, not Climate Change! und Attac.

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