Die East African Crude Oil Pipeline (EACOP) soll mehrere Nationalparks durchkreuzen, tausende Haushalte zur Umsiedelung zwingen und pro Jahr 34 Millionen Tonnen CO2 in die Luft blasen. Der Widerstand reicht von Uganda bis Frankreich, wie Laura Grossmann berichtet.
Nelson, Rachel und Linda, drei „PAPs“ (Project Affected People“, dt. „Vom Projekt betroffene Menschen”) der Gemeinde Kijumba im Westen Ugandas sitzen auf Plastikstühlen im Schatten eines Baumes und erzählen ihre Geschichte. 2018 kamen erstmals Vertreter:innen des Energie- und Erdölunternehmens TotalEnergies ins Dorf. Sie hatten gebackene Hähnchen und Softdrinks dabei und erzählten der Gemeinde von einer Pipeline, die der Region Reichtum und Infrastruktur bringen sollte. Die Pipeline EACOP würde durch das Dorf verlaufen, einige Felder in ihrer Laufbahn müssten dazu zerstört werden. Doch die Besitzer:innen würden eine angemessene Kompensation erhalten, hieß es.
2019 kamen wieder Beamte, um den Wert der Grundstücke zu schätzen, die für den Bau enteignet werden sollten. Sie kündigten Verträge an, bis zu deren Unterfertigung die Besitzer:innen das Land nicht mehr nutzen durften. Jahre vergingen. Durch die Pandemie verschärfte Lebensbedingungen zwangen einige Bäuer:innen dazu, ihr Land illegal zu bewirtschaften. Im Mai 2022 kamen endlich die ersten Verträge. Doch die versprochenen Summen waren nach unten korrigiert worden, sie deckten nicht einmal den Verkaufswert der Grundstücke. Wer sich weigerte zu unterschreiben, wurde überredet, gedrängt oder verhöhnt. „Was willst du machen? Du kannst nicht vor Gericht gehen. Du bist ungebildet und weißt nicht mal, wo das Gericht ist“, wurde Rachel gesagt. „Wir nehmen das Land so oder so. Entweder du bekommst etwas Geld dafür, oder halt nicht“, bekam ihre Nachbarin zu hören.
Rachel’s Situation ist besonders skurril: Auf ihrem Land soll nicht nur die EACOP verlaufen, sondern auch eine zweite, inner-ugandische Pipeline, von einer anderen Firma. Die beiden Firmen bewerteten ihr Land unterschiedlich, wobei Total nur halb so viel bot. Außerdem entschädigen sie sie nur für die jeweils 30 Meter, die die Pipeline breit sein wird. Für das Land zwischen den beiden Pipelines, das ebenfalls unbrauchbar wird, wird sie nicht kompensiert.
Die Strukturen hinter der Pipeline
2006 entdeckte die ugandische Ölfirma „Hardman Petroleum Africa” unter dem Lake Alberta im Westen Ugandas, an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo, große Ölvorkommen. Sie befinden sich zu einem Großteil unter dem See und in den Nationalparks Murchison Falls und Queen Elizabeth. Bald wurde entschieden, das Öl als Exportware an die Küste zu transportieren.
Der französische Öl-Riese Total und die China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) sind Hauptfinanziers des Projekts, zahlreiche Banken und deren Versicherungen unterstützen sie dabei. Politischen Rückenwind erhalten sie von der ugandischen und der tansanischen Regierung. Die Profite werden zwischen dem Staat und den Aktionären aufgeteilt. Ugandas Regierung erhofft sich dadurch schnelles Geld.
Die Pipeline soll vom Lake Albert nach Süden verlaufen, um den Lake Victoria herum und zum tansanischen Hafen Tanga. Sie wird 1,443 Kilometer lang sein. Die Pipeline muss beheizt werden, was Verstopfungen und Lecks wahrscheinlich macht. Da sie auf ihrem Weg von den Ölfeldern zum Hafen mehrere Nationalparks durchquert, stellt sie ein großes Risiko für die Umwelt und die Wasserversorgung der Region dar. Wenn sie fertiggestellt ist, wird EACOP jährlich für 34 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich sein.
Vielfältiger Widerstand
Dass die Pipeline damit eine klimatische Bombe darstellt, ist im ruralen Kijumba kein großes Thema. „Uns wird vorgeworfen, ein Regierungs-Projekt zu untergraben. Aber das stimmt gar nicht. Unser Ziel ist es lediglich, den Bau so sozial gerecht wie möglich zu gestalten”, sagt Rachel. Total und die Regierung haben Angst vor Widerstand, es geht um viel Geld. PAPs, die sich aktiv gegen die Verdrängung wehren, haben einen gefährlichen Stand. „Mir wurde sogar nachspioniert”, erzählt Nelson, einer der PAPs aus Kijumba. Einige im Dorf gaben dem Druck schließlich nach und unterschrieben die Verträge.
Der Kampf geht jedoch weiter. Seit einiger Zeit gibt es Unterstützung von der ugandischen Organisation „Africa Institute for Energy Governance” (AFIEGO). Die „Field Agents”, also Mitarbeiter:innen, die mit den betroffenen Personen arbeiten, betreiben vor allem Aufklärung. Denn die einzige Information, die die lokale Bevölkerung bekommt, ist die von Total, deren Subunternehmern oder der Regierung. Naturgemäß ist diese Information einseitig und verspricht Reichtum und Infrastruktur für die Region. Außerdem klärt AFIEGO Betroffene über ihre Rechte auf und gibt Trainings zu Selbstorganisation.
Dickens Kamugisha, der CEO von AFIEGO, sitzt nicht auf einem Plastikstuhl, sondern in einem großen Bürosessel in der Hauptstadt Kampala. Das Büroteam arbeitet mit großen internationalen NGOs zusammen, um Informationen zu sammeln und aufzubereiten. Es schreibt Berichte, betreibt Lobbying und macht Medienarbeit. „Auch unsere Arbeit hier ist gefährlich”, erzählt Dickens. „Wir müssen Hand in Hand mit den Kolleg:innen in Europa arbeiten”.
Auch von Graswurzelbewegungen wie Fridays for Future Uganda gibt es Widerstand gegen EACOP. Aufgrund der Repression ist aktiver Protest sehr gefährlich, Demonstrationen gibt es kaum. Doch viele Aktivist:innen machen Fotos mit Schildern vor Total Tankstellen, posten sie auf sozialen Medien oder veröffentlichen Aufklärungsvideos. Durch Beiträge auf internationalen Events tragen sie, allen voran Hilda Nakabuye, ihr Anliegen in die Welt.
Internationale Kooperation
Wo lokalen Aktivist:innen aufgrund der Repression die Hände gebunden sind, springen internationale Kolleg:innen ein. In Frankreich und anderen europäischen Ländern gibt es seit Jahren Kampagnen, die sich für die Entfinanzierung des Projekts einsetzen. Aufgrund des öffentlichen Drucks springen immer wieder Banken und Versicherer ab, was bereits zu einer mehrjährigen Verzögerung des Baus geführt hat.
Im Herbst 2022 wurden sechs Studierende festgenommen, die an die Regierung appellierten, eine EU-Resolution gegen die Pipeline ernst zu nehmen und das Projekt neu zu evaluieren. Solidaritätskundgebungen in Frankreich führten daraufhin dazu, dass Total sich an den Präsidenten wandte und der Repression Einhalt gebot. Das Image von Total und dem Projekt seien in Gefahr, wenn Berichte über Menschenrechtsverletzungen an die Öffentlichkeit kämen. Der Präsident veröffentlichte daraufhin ein Statement, das die Klimaaktivist:innen teilweise schützt.
Die Proteste gegen die Pipeline spielen sich auf verschiedenen Ebenen und international ab. Eine Ausrichtung nach den Bedürfnissen der am meisten Betroffenen ist dabei oberste Priorität. Zusammengehalten werden die unterschiedlichen Aktionen durch die Plattform stopeacop.
Ein Blick in die Zukunft
Nelson, Rachel und Linda sind mittlerweile routinierte Redner:innen. Sie sind drei der wenigen PAPs, die öffentlich über ihre Geschichte sprechen. Ihre Namen und Fotos zu verwenden sei kein Problem, meinen sie, die waren schon in vielen Medienberichten zu sehen. Zur Verabschiedung spricht Nelson, eine Warnung an die ugandische Regierung aus: Sie solle wachsam in die Zukunft sehen und von den Fehlern anderer afrikanischer Länder im Ölrausch lernen. Dort wurde die Bevölkerung vergessen. Wenn das Uganda auch so mache, würden sich seine Kinder und Enkelkinder womöglich radikalisieren.
Zurück in n der Hauptstadt sind die Ziele noch ambitionierter: Dickens, der CEO von AFIEGO glaubt daran, dass sie die Pipeline noch kippen können. Wenn weiterhin der Druck an allen Fronten hoch bleibe, wenn weiter mögliche Finanziers abspringen, würde sich die jahrelange Verzögerung in einen Stopp verwandeln. Stattdessen sollten ähnlich große Summen in den Ausbau erneuerbarer Energien gesteckt werden.
Fotos: Laura Grossmann