Wie Corona Kolumbiens Präsident Iván Duque rettete

Anfang März veröffentlichte ein Journalist Tonbandaufnahmen, die wohl das Ende für Kolumbiens Präsident Iván Duque bedeutet hätten. Denn aus ihnen geht hervor, dass er Stimmen gekauft und gute Kontakte zur organisierten Kriminalität pflegt. Doch dann kam Corona – und rettete Duque.

Als am 6. März 2020 die erste Person in Kolumbien positiv auf das Coronavirus getestet wurde, gab es zumindest eine Person, für die das wohl ein Grund zum Aufatmen war: Staatspräsident Iván Duque. Der Präsident, seit August 2018 im Amt, kämpfte seit Monaten mit zunehmendem Widerstand gegen seine Amtsführung.

Duque gilt als Protegé des ehemaligen Staatspräsidenten Álvaro Uribe. Duque kam nur an die Macht, weil Uribe nicht mehr zu Wahl antreten durfte. Nach seiner zweiten Amtszeit wollte der ein Referendum abhalten lassen, um sich noch ein drittes Mal zum Präsidenten wählen zu lassen, der Verfassungsgerichtshof untersagt das jedoch. Seitdem unterstützt er nun den ebenfalls weit rechtsstehenden Duque, in Kolumbien trägt dieser den Spitznamen Marionette.

Die falschen Leichen

Uribe machte sich während seiner Amtszeit vor allem durch sein hartes Vorgehen gegen die verschiedenen Guerillagruppen einen Namen. Ihm und seinem Regierungsstab werden zahlreiche Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen. Traurige Bekanntheit erreichte dabei der „Falsos-positivos Skandal“, im Zuge dessen Soldaten der kolumbianischen Armee wahllos Zivilpersonen töteten und die Leichen in Uniformen steckten, um sie als tote Guerilleros auszugeben. Auf die Tötung solcher hatte die Regierung Erfolgsprämien, wie zum Beispiel Beförderungen oder Sonderurlaub ausgesetzt. Uribe wird auch vorgeworfen, eng mit den rechtsradikalen Milizen der AUC (Autodefensas Unidas de Colombia) verbandelt zu sein.

Zunehmend aber wächst der Widerstand gegen Duques Regierung. Korruptionsvorwürfe, wachsende soziale Ungleichheit und Gerüchte über drastische Sparmaßnahmen führten dazu, dass am 21. November allein in der Hauptstadt Bogotá mehrere Hunderttausend Menschen auf die Straße gingen und gegen die rechte Regierung protestierten. Diese reagierte mit dem Einsatz von 170.000 Polizist*innen und Militärs. Bereits am ersten Abend starben drei Menschen durch deren Einsätze. In den darauffolgenden Monaten setzten sich die Proteste fort, die Kolumbianer*innen trugen ihre Unzufriedenheit zunehmend auf die Straße. Die Demonstrationen richteten sich gegen den autoritären Regierungsstil und die neoliberale Regierung, gegen Korruption und die systematische Ermordung von Menschenrechtsaktivist*innen, gegen die brutalen und oftmals tödlichen Einsätze der Terrorbekämpfungseinheit ESMAD und die illegalen Hinrichtungen von Zivilist*innen. Die Zustimmung zu Duques Regierung sank zunehmend, Ende Februar 2020 befürworteten nur noch 23 Prozent der Bevölkerung seine Politik.

Das Ende von Duque

Am dritten März veröffentlichte der Journalist Gonzalo Guillén dann Abschriften von Tonaufnahmen, die wohl das Ende von Duques und Uribes politischer Karriere bedeutet hätten. Auf den zwei Jahren alten Aufnahmen ist der Drogenhändler und Viehzüchter „Ñeñe“ Hernández zu hören, wie er in Telefongesprächen behauptet, im Auftrag Uribes Stimmen für Duques Präsidentschaft gekauft zu haben. Ñeñe der 2019 in Brasilien ermordet wurde, wird von der kolumbianischen Staatsanwaltschaft zahlreicher Verbrechen beschuldigt. Die Aufnahmen entstanden im Zusammenhang mit der Ermittlung zu einem Auftragsmord, in dem der Drogenhändler als Auftraggeber gilt. Ex-Präsident Uribe und Präsident Duque streiten alle Beziehungen zu Ñeñe ab. Es gibt allerdings eine Vielzahl von Fotos, auf denen der Drogenboss und die Politiker bei verschiedenen Anlässen gemeinsam zu sehen sind. In den abgehörten Gesprächen bezeichnet Ñeñe Duque als seinen „Bruder“. Wenige Stunden nach seinem Tod kondolierte Uribe auf Twitter.

Zudem sind die Vorwürfe nicht neu, wenige Wochen zuvor hatte die kolumbianische Ex-Senatorin Aída Merlano ebenfalls Vorwürfe wegen Stimmenkauf und Wahlbetrugs erhoben. Die Politikerin wurde selbst wegen Wahlbetrugs verurteilt und ist nach Venezuela geflohen wo sie aktuell in Haft sitzt. Der oberste Gerichtshof Kolumbiens hat Voruntersuchungen gegen Uribe eingeleitet.

Corona als Ablenkung

Wenige Tage nach Bekanntwerden der Aufnahmen, meldete Kolumbien die ersten positiven Corona-Fälle und setzte noch in derselben Woche die Schließung der Landesgrenzen und von öffentlichen Einrichtungen um. Die Regierung verhängte Quarantänemaßnahmen, seit dem 24. März gilt eine umfassende Ausgangsperre. Die Maßnahmen schützen die Bevölkerung hoffentlich vor einer Ausbreitung, die weder das Gesundheitssystem noch das Wirtschaftssystem verkraften können.

Duque und Uribe kommt der Zeitpunkt jedoch gelegen, die Straßen sind leer, die Menschen – viele davon informell beschäftigt – versuchen irgendwie zu überleben. Bis sich die Situation im Land wieder normalisiert hat, dürfte die Aufregung um den Betrugsskandal abgeflaut sein.

Im Wahlkampf 2018 hatte Duque noch Gefängnisstrafen bei Wahlbetrug gefordert. Wie er aktuell dazu steht ist unbekannt. Uribe und Duque streiten bisher alle Vorwürfe ab.

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