Während sich Queers bei dem durchgesickerten Regierungsprogramm der geplatzten Koalition zwischen FPÖ und ÖVP noch ärgerten, ist im Hinblick auf das neue Programm auf den ersten Blick Begeisterung seitens queerer Organisationen und Communities zu hören. Auf den zweiten Blick fragt man sich jedoch: Wo ist hier Grund für Freude?
Ja, das Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und Neos weist im Bereich „LGBT“ einige Neuerungen auf. Neuerungen, die vor allem den Schutz von lesbischen und schwulen Lebensmodellen verbessern. Die Hosi Wien (Homosexuelle Initiative) schreibt dazu: „Das Programm der neuen Bundesregierung gibt Grund zu Optimismus für die LGBTIQ-Community.“ Und beschreibt unter anderem den Nationalen Aktionsplan (NAP) gegen Hassverbrechen und das geplante Verbot von Konversionstherapien.
Die HOSI Wien berichtet freudig, dass „de facto sowohl Konversionstherapien aufgrund der sexuellen Orientierung als auch der Geschlechtsidentität verboten werden.” Im Regierungsprogramm ist jedoch lediglich die Rede von einem „Verbot von Konversionstherapien aufgrund der sexuellen Orientierung“ (S. 108). Von einem Verbot von Konversationstherapien, die die Geschlechtsidentität betreffen, ist nicht die Rede. Hier endet die Eindeutigkeit. So heißt es nämlich weiter, dass „einseitige pseudowissenschaftliche Umerziehungen, die auf die Geschlechtsinkongruenz (ICD-11) abzielen“, untersagt werden sollen. Spielt hier doch eine cisnormative Agenda eine Rolle? Weshalb ist hier nicht die Rede von Konversionstherapien, sondern von „einseitig pseudowissenschaftlichen Umerziehungen“? Hat sich hier Transfeindlichkeit in die Pläne der künftigen Regierung eingeschlichen? Denn der Satz könnte auch ganz anders interpretiert werden. Beispielsweise, wenn es um Aufklärung(-sunterricht) zu trans-Themen geht. Würde dass dann auch unter „pseudowissenschaftliche Umerziehungen“ fallen? Es wirkt, als ob im selben Moment Schutz für LBG geschaffen wird, während das T auf der Strecke bleibt.
Bekenntnis zur Transfeindlichkeit
Wer sich die Verhandlungsprotokolle der geplatzten Koalition zwischen FPÖ und ÖVP ansieht, der erkennt recht schnell: Die beiden Parteien waren sich darüber einig, sich klar zu einem biologischen Geschlechtsbegriff zu bekennen. Unter „weitere Maßnahmen“ schrieben die Verhandlungspartner*innen damals, es gäbe nur zwei Geschlechter und merkten an: „Es ist völlig skurril, dass laut Meldegesetz die Auswahl zwischen sechs Geschlechtsbezeichnungen möglich ist. Biologisch gesehen gibt es zwei Geschlechter.“ FPÖ und ÖVP planten hier eine Verfassungsreform mit anschließender „Richtigstellung“ im Gleichbehandlungsgesetz. Neben geplanten Einschränkungen für trans Athlet*innen hatten die beiden Parteien sich auch darauf geeinigt, dass es klare, altersgerechte Erziehungsstile brauche, um „eine Frühsexualisierung von Kindern und Jugendlichen zu vermeiden, um Verunsicherungen in Bezug auf ihr Geschlecht zu verhindern.“ Dazu muss erwähnt werden, dass dieses Wording seitens der FPÖ im Wahlkampf eingeführt wurde und sich stets auf trans Menschen und Dragqueens bezogen hat.
Anders gesagt also: Die Partei, die eben noch mit Maßnahmen und Einstellungen d’accord war, die nicht-binäre Menschen unsichtbar machen, und damit nicht nur wissenschaftliche Fakten, sondern die Existenz ganz realer Personen ignoriert – diese Partei spricht in neuen Verhandlungen mit Neos und SPÖ nun vor allem cis und binary-passing Personen Rechte zu, während Regelungen für trans und nicht binäre Personen schwammig bleiben. Und die anderen Parteien ziehen mit.
In diesem Kontext erscheint das Zitat der HOSI Wien nun nicht mehr ganz so schillernd. Trotzdem blieb außerhalb der trans Community ein Shitstorm aus. Im Gegenteil – nachdem die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ geplatzt waren, waren viele Queers erleichtert. Und vor allem für lesbische und schwule Menschen gibt es ja auch Grund zur Erleichterung.
Neue Koalition, alter Kurs
Insgesamt zeigt sich jedoch eine Richtung, die für trans Personen nicht ganz so erleichternd ist. Die Rechte der einen Gruppe werden gegen die Rechte der anderen Gruppe instrumentalisiert. Wenn die transausschließende Fraktion sich gegen trans Menschen ausspricht, dann argumentiert sie immer wieder mit dem Schutz von Frauen oder dem Schutz von Kindern.
Im neuen Regierungsprogramm geht dieser Kurs weiter. So fordert die Zuckerlkoalition nun eine wissenschaftliche Prüfung der ohnehin schon veralteten und pathologisierenden Behandlungsrichtlinien und will diese noch strenger gestalten, vor allem im Bezug auf Pubertätsblocker. In diesem Zuge ist auch eine „Erhebung und Monitoring von Daten (quantitativ und qualitativ) und des Status quo in Bezug auf Behandlungen sowie Erstellung von Langzeitstudien für Minderjährige mit Geschlechtsinkongruenz“ geplant.
Ein Vorhaben, dass ebenfalls kritisch zu sehen ist. Denn was ein Staat mit gespeicherten Daten über trans Personen anstellen kann, war zuletzt in den USA zu sehen. Dort wurde der Geschlechtseintrag im Pass von trans Personen gemäß den Exekutivverordnungen von Donald Trump nämlich auf das ursprünglich eingetragene Geschlecht rückgeändert. Bereits jetzt werden veraltete Geschlechtseinträge im österreichischen Personenstandsregister lediglich überschrieben – nicht gelöscht.
Gleichbehandlung für Frauen als Grund trans Rechte einzuschränken?
Im Regierungsprogramm steht auch, dass es der Plan sei, für Geschlechterstereotype zu sensibilisieren – innerhalb binärer Geschlechter versteht sich. Im Kapitel „Frauen“ geht die neue Koalition dann tatsächlich auf geschlechterspezifische Benachteiligungen ein und versucht diesen entgegenzuwirken. Es ist die Rede von Sichtbarkeit, von besseren beruflichen Chancen, von echter Wahlfreiheit, vom Ausbau der Gleichbehandlungsstellen und weiteren Agenden. In diesem Zuge hat die Koalition sogar ein eigenes Kapitel zu Gendermedizin eröffnet. Man wird jedoch nicht müde zu betonen, dass es sich hierbei um Gendermedizin für Frauen handelt.
Schlussendlich ist da noch der Punkt „Keine Unterwanderung bzw. Rückschritte bei Frauenrechten“. Auch hier werden die Rechte der einen Gruppe gegen die Rechte der anderen Gruppe ausgespielt und die ewige Diskussion über Schutzräume findet eine neue, subtilere Ebene. Die Transfeindlichkeit ist nicht gleich erkennbar, doch sie ist da. Die Koalition betont hier nochmal ganz klar: „Frauenspezifische Einrichtungen und Schutzeinrichtungen für Frauen und Mädchen stehen selbstverständlich nur Frauen und Mädchen zur Verfügung.“ Auch die Einschränkungen für transgender-Athlet*innen aus den geplatzten Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP haben überlebt, jedoch vorsichtiger formuliert. Jetzt steht da nur mehr: „Frauensport-Wettbewerbe für Frauen unter Erarbeitung einheitlicher Richtlinien gemeinsam mit den Sportverbänden.“ In Kombination mit dem in der Überschrift vorkommenden Begriff „unterwandern“ hat das alte Narrativ überlebt. Und selbst eine genderneutrale Sprache, die vor allem für gender-nonkonforme Personen wichtig wäre, wird hier im Namen der Frauenrechte angefochten.
Die neue Regierung hat mit dem neuen Regierungsprogramm Hass schön bunt verpackt. Auf den ersten Blick wird sich zwar gegen Genderdiskriminierung und für den Schutz queerer Personen eingesetzt. Am Ende bleibt die Umsetzung aber voller Kompromisse auf Kosten derer, die nicht ins Bild der österreichischen Politik passen – ihre Diskriminierung bleibt unsichtbar.
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